PIUS IX. und der Syllabus
Die Protokolle der Weisen von Zion
Henry Ford
Anne Frank (Nachtrag zu Surftipp 1/2000)
PIUS IX. und der Syllabus |
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Heute kreisen meine Tipps um religiösen und vielleicht auch antireligiösen Wahn. Aktueller Anlaß ist die Seligsprechung PIUS IX.. Das war eine prima Idee der katholischen Kirche, denn besser als die Argumente Gottloser kann dieser Akt der Amtskirche demonstrieren, was Katholiken eigentlich glauben müssen und was diese Kirche ablehnt. PIUS IX. war der am längsten amtierende Papst (1846-1878). Er prägte die Katholische Kirche im 19. Jahrhundert. Zwar begann er fortschrittlich, wandelte sich aber zum Gegner von Liberalismus und moderner Staatsauffassung. Selbst die Eisenbahn lehnte er ab (bis er selbst mal mitgefahren ist).
Berliner Zeitung: Feuilleton 2. September 2000
Die Tradition bin ich
Am 3. September soll Papst PIUS IX., der Papst des Unfehlbarkeitsdogmas, selig gesprochen werden
von CORNELIA GIESEN
... Als 1846 das Kardinalskollegium den 54 Jahre alten GIOVANNI MASTAI, Bischof von Imola, zum Nachfolger des autoritären Papstes GREGOR XIV. wählte, wurde diese Entscheidung mit Jubel begrüßt. Mastai galt als Freund des Fortschritts. Seine Wahl wurde als Zugeständnis an die italienische Nationalbewegung empfunden, die Italien von habsburgischer und bourbonischer Fremdherrschaft befreien wollte. Der neue Papst enttäuschte nicht. Er gab dem Kirchenstaat eine Verfassung, nahm den liberalen Grafen PELLEGRINO ROSSI zum ersten Minister, ließ die Mauern des römischen Gettos schleifen. Als der österreichische Außenminister METTERNICH seine Truppen nach Bologna schickte, um den neuen Reformgeist im Keim zu ersticken, stemmte sich der Herr des Kirchenstaats dagegen. "Viva PIO NONO!", erklang der Jubelruf von Sizilien bis Piemont. Der Traum der liberalen Katholiken um VINCENZO GIOBERTI, der Papst könne an die Spitze der italienischen Nationalbewegung treten, schien sich zu erfüllen. GIOBERTI zufolge war ein Engagement für die nationale Einigung Italiens mit dem katholischen Ethos nicht nur vereinbar, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Italien, das den Katholizismus in reinster Form verkörpere, solle sich von der Fremdherrschaft befreien und der Welt zum leuchtenden Vorbild eines fortschrittlichen Katholizismus werden.
Kirchenstaat und nationale Einheit Italiens standen aber im Widerspruch, nicht nur weil Katholiken auch in anderen Staaten lebten, sondern auch weil Italien viel größer war als der Kirchenstaat, dessen Ausdehnung aber nicht realistisch war. Dem Krieg Piemonts gegen Österreich 1948 verweigerte der Papst seine Unterstützung. Ihm entglitt die Kontrolle der revolutionären Bewegung und schließlich floh er ins Königreich Neapel Verbittert verfolgte PIUS von seiner Fluchtburg in Gaeta aus, wie GIUSEPPE MAZZINI als Haupt einer Triumviratsregierung die weltliche Herrschaft des Papstes in Rom für beendet erklärte und die Republik ausrief. Zwar konnten französische Truppen bereits Anfang Juli 1849 die Stadt für den Papst zurückerobern, doch der Verlust der ewigen Stadt war für PIUS zum Trauma geworden, das er nicht mehr überwinden konnte. Als entschiedener Gegner der liberalen Zeitströmung kehrte der Papst nach Rom zurück. "Der katholische Liberalismus, das ist ein Fuß in der Wahrheit und ein Fuß im Irrtum." Unter dem strengen Regiment seines Kardinalstaatssekretärs GIACOMO ANTONELLI wurde die Todesstrafe, die MAZZINI abgeschafft hatte, wieder eingeführt. Besonders symbolträchtig für die politische Kehrtwendung war der Wiederaufbau der Gettomauer, die der Papst nur zwei Jahre zuvor selbst hatte einreißen lassen: Das letzte jüdische Getto Europas stand wieder. Mit Rom und Umgebung blieben ihm bei der Gründung des italienischen Nationalstaats nur Reste des früheren Territoriums für wenige Jahre, denn im September 1870 verlor er auch die. Rom wurde italienische Hauptstadt. |
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Im berüchtigten "Syllabus errorum" von 1864 verurteilte der Papst die achtzig "hauptsächlichsten Irrtümer unserer Zeit": Kommunismus, Sozialismus, Pantheismus, Rationalismus, Ökumene, Liberalismus und Menschenrechte.
Vollends ins Abseits stellte sich PIO NONO schließlich im Sommer 1870 durch die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas auf dem Ersten Vatikanischen Konzil. Mit der Durchsetzung dieses Meta-Dogmas, das alles, was der Papst "ex cathedra" äußert, zum Dogma erhebt, war die Entwicklung der katholischen Kirche hin zu einer absolutistischen Monarchie abgeschlossen. Auf die Kritik der Konzilsminderheit, das Unfehlbarkeitsdogma entspreche nicht der Tradition der Kirche, entgegnete der Papst mit dem Gestus eines LOUIS XIV.: "La tradizione sono io" - die Tradition bin ich.
Rom als Kapitale eines modernen Nationalstaats einerseits und als Zentrum einer mittelalterlichen Herrschaftsformen verhafteten Institution andererseits - dieser Konflikt sollte erst 1928 durch die Lateranverträge aufgelöst werden. In der Hoffnung auf ein Wunder, die er bis zu seinem Lebensende nicht aufgab, verweigerte PIUS den "Kirchenräubern" jegliche Verhandlungen, ja, er exkommunizierte sie sogar, einschließlich des Königs VIKTOR EMANUEL II. Dem Kirchenvolk verbot er mit der Enzyklika "Non expedit" die Teilnahme am politischen Leben des Landes. Die italienische Regierung antwortete mit harten antiklerikalen Maßnahmen: Kirchenbesitztümer wurden verkauft, katholische Schulen verstaatlicht, die Jesuiten verboten und zivile Ehen eingeführt. Die beim Sturm auf Rom vor der Porta Pia "geköpften" Statuen der Heiligen Peter und Paul wurden nie restauriert, sondern wenig später ganz abgetragen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient sein "Syllabus", eine Aufstellung verbotener Lehren. Über die Entstehungsgeschichte erfahren wir einiges aus der Catholic Encyclopedia.
Syllabus (syllabos, "collection")
the name given to two series of propositions containing modern religious errors condemned respectively by PIUS IX (1864) and PIUS X (1907).
I. THE SYLLABUS OF PIUS IX
A. History
The first impulse towards the drawing up of the Syllabus of PIUS IX came from the Provincial Council of Spoleto in 1849. Probably on the motion of the Cardinal Archbishop of Perugia, PECCI (later on LEO XIII), a petition was laid before PIUS IX to bring together under the form of a Constitution the chief errors of the time and to condemn them. The preparation began in 1852. At first PIUS IX entrusted it to Cardinal FORNARI, but in 1854 the Commission which had prepared the Bull on the Immaculate Conception took matters in hand. It is not known how far the preparation had advanced when GERBET Bishop of Perpignan, issued, in July, 1860, a "Pastoral Instruction on various errors of the present" to his clergy. With GERBET's "Instruction" begins the second phase of the introductory history of the Syllabus. The "Instruction" had grouped the errors in eighty-five theses, and it pleased the pope so much, that he set it down as the groundwork upon which a fresh commission, under the presidency of Cardinal CATERINI, was to labour. The result of their work was a specification, or cataloguing, of sixty-one errors with the theological qualifications. In 1862 the whole was laid for examination before three hundred bishops who, on the occasion of the canonization of the Japanese Martyrs, had assembled in Rome. They appear to have approved the list of theses in its essentials. Unfortunately, a weekly paper of Turin, "Il Mediatore", hostile to the Church, published the wording and qualifications of the theses, and thereby gave rise to a far-reaching agitation against the Church. The pope allowed the storm to subside; he withheld the promulgation of these theses, but kept to his plan in what was essential.
The third phase of the introductory history of the Syllabus begins with the appointment of a new commission by PIUS IX; its most prominent member was the Barnabite (afterwards Cardinal) BILIO. The commission took the wording of the errors to be condemned from the official declarations of PIUS IX and appended to each of the eighty theses a reference indicating its content, so as to determine the true meaning and the theological value of the subjects treated. With that the preparation for the Syllabus, having occupied twelve years, was brought to an end. Of the twenty-eight points which Cardinal FORNARI had drawn up in 1852, twenty-two retained their place in the Syllabus; of the sixty-one theses which had been laid before the episcopate for examination in 1862, thirty were selected. The promulgation, according to the original plan, was to have taken place simultaneously with the proclamation of the dogma of the Immaculate Conception; in the event it was ten years later (8 December 1864) that PIUS IX published the Encyclical "Quanta Cura", and on the same day, by commission of the pope, the secretary of State, Cardinal ANTONELLI, sent, together with an official communication, to all the bishops the list of theses condemned by the Holy See. The title of the document was: "A Syllabus containing the most important errors of our time, which have been condemned by our Holy Father PIUS IX in Allocutions, at Consistories, in Encyclicals, and other Apostolic Letters".
Der Syllabus ist in 10 Kategorien gegliedert:
§ l. Pantheismus, Naturalismus und absoluter Rationalismus.
§ II. Gemäßigter Rationalismus.
§ III. Indifferentismus, Latitudinarismus.
§ IV. Sozialismus, Kommunismus, geheime Gesellschaften, Bibelgesellschaften, liberale Kleriker-Vereine.
§ V. Irrtümer über die Kirche und ihre Rechte.
§ VI. Irrtümer über die bürgerliche Gesellschaft sowohl an sich, als in ihren Beziehungen zur Kirche.
§ VII. Irrtümer über das natürliche und das christliche Sittengesetz.
§ VIII. Irrtümer über die christliche Ehe.
§ IX. Irrtümer über die weltliche Herrschaft des Römischen Papstes.
§ X. Irrtümer, welche sich auf den Liberalismus unserer Tage beziehen.
Natürlich ist völlig in Ordnung, wenn eine Religion Behauptungen ablehnt wie:
Gelassen kann ich auch die angeblichen Irrtümer bezüglich der Kirche und ihrer Rechte hinnehmen, z.B.
Ohne Nummer werden generell Sozialismus, Kommunismus, Geheimgesellschaften, Bibelgesellschaften und klerikal-liberale Gesellschaften verdammt. Dabei geht es um reformierte oder protestantische Bibelgesellschaften. Katholische gab es anscheinend nicht. An verschiedenen Stellen findet ihr im WWW (z.B. gracious call, Christian Classics Ethereal Library und god rules) dazu einen anscheinend protestantischen Text, der der Katholischen Kirche vorhält, sie hätte die Bibellektüre zu verhindern versucht:
The Roman church, while recognizing the divine inspiration and authority of the Bible, prefers to control the laity by the teaching priesthood, and allows the reading of the Scriptures in the popular tongues only under certain restrictions and precautions, from fear of abuse and profanation. Pope INNOCENT III. was of the opinion that the Scriptures were too deep for the common people, as they surpassed even the understanding of the wise and learned. Several synods in Gaul, during the thirteenth century, prohibited the reading of the Romanic translation, and ordered the copies to be burnt. Archbishop BERTHOLD, of Mainz, in an edict of January 4th, 1486, threatened with excommunication all who ventured to translate and to circulate translations of sacred books, especially the Bible, without his permission. The Council of Constance (1415), which burnt JOHN HUS and JEROME OF PRAGUE, condemned also the writings and the hopes of WICLIF, the first translator of the whole Bible into the English tongue, to the flames: and ARUNDEL, archbishop of Canterbury and chancellor of England, denounced him as that "pestilent wretch of damnable heresy who, as a complement of his wickedness, invented a new translation of the Scriptures into his mother tongue." Pope PIUS IV. (1564), in the conviction that the indiscriminate reading of Bible versions did more harm than good (plus detrimenti quam utilitiatis), would not allow laymen to read the sacred book except by special permission of a bishop or an inquisitor. CLEMENT VIII. (1598) reserved the right to grant this permission to the Congregation of the Index. GREGORY XV. (1622), and CLEMENT XI. (in the Bull Unigenitus, 1713), repeated the conditional prohibition. BENEDICT XIV., one of the liberal popes, extended the permission to read the Word of God in the vernacular to all the faithful, yet with the proviso that the translation be approved in Rome and guarded by explanatory notes from the writings of the fathers and Catholic scholars (1757).
This excludes, of course, all Protestant versions, even the very best. They are regarded as corrupt and heretical and have often been committed to the flames in Roman Catholic countries, especially in connection with the counter-Reformation of the Jesuits in Bohemia and elsewhere. The first edition of TYNDALE's New Testament had to be smuggled into England and was publicly burnt by order of TUNSTALL, bishop of London, in St. Paul's church-yard near the spot from which Bibles are now sent to all parts of the globe. The Bible societies have been denounced and condemned by modern popes as a "pestilence which perverts the gospel of Christ into a gospel of the devil." The Papal Syllabus of PIUS IX. (1864), classes "Societates Biblicae" with Socialism, Communism, and Secret Societies, calls them "pests frequently rebuked in the severest terms," and refers for proof, to several Encyclicals from November 9th, 1846, to August 10th, 1863. Such fulminations against Protestant Bible societies might be in some measure excused if the popes favored Catholic Bible societies, which would be the best proof of zeal for the spread of the Scriptures. But such institutions do not exist. Fortunately papal bulls have little effect in modern times, and in spite of official prohibitions and discouragements, there are zealous advocates of Bible reading among modern Catholics, as there were among the Greek and Latin fathers. Nor have the restrictions of the Council of Trent been able to prevent the progress of Biblical scholarship and exegesis even in the Roman church.
Inzwischen dürfen auch Katholiken die Bibel auch in ihrer Muttersprache lesen. Davon konnte ich mich vor einem Jahr bei einem Besuch im erzkatholischen Paderborn überzeugen. Eine Buchhandlung bot Bibel, Krimis, Kinderbücher an. Ein anderes Geschäft mit Lack und Leder nannte sich "Master & Servant". Das katholische Milieu ist schon recht interessant. Übrigens habe ich nach dem Besuch hier das Heinz-Nixdorf-Museumsforum empfohlen (Surftipp 36/1999).
Besonders stört sich der Syllabus an der Zivilgesellschaft, in der der Staat in Bereiche der Kirche eindringt:
Um es ganz klar zu machen: Das sind vielleicht für uns Selbstverständlichkeiten, wo nicht, denken wir vielleicht, das verlange sowieso kein vernünftiger Mensch (kein Recht auf Eigentum für die Kirche). In der Auflistung werden sie aber als Irrtümer aufgezählt.
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Kirche zum Mitreden, woraus ich zitierte, sieht sich als Vertreter wahren Katholizismus und lehnt die offizielle Katholische Kirche als "V2-Sekte" ab. V2 steht dabei für das 2. Vatikanische Konzil. Auch den kürzlich verstorbenen Fuldaer Erzbischof DYBA, den ich für den wenn nicht einzigen, so doch bekanntesten richtigen Katholiken Deutschlands hielt, lehnen sie als Okkupant des Bischofsstuhls ab. Da halte ich mich ganz liberal raus. Gut finde ich aber, daß sich Rom gegen die deutschsprachigen katholischen Kirchenhistoriker (gefunden auf der Homepage der Katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist in Giengen / Brenz, die noch mehr Piuskritik veröffentlicht) durchsetzte. Die waren nämlich gegen die Seligsprechung:
Die katholischen Kirchenhistoriker im deutschen Sprachraum haben am 13. 06. 2000 in Innsbruck einstimmig folgende Stellungnahme verabschiedet:
Aus historischer Sicht müssen wir gegen die für den 3. September diesen Jahres geplante Seligsprechung Papst PIUS IX. (1846-1878) erhebliche Bedenken anmelden...
- Die Schutzbehauptung, PIUS IX. habe im "Syllabus" (1864) lediglich einen kirchenfeindlichen Liberalismus bekämpft, trifft die historische Realität nicht. Die Forschungen MARTINAs belegen, daß der Papst vor allem den "katholischen Liberalismus" treffen wollte, der keineswegs bequemer Anpassung der Kirche an den Zeitgeist das Wort redete, sondern die Kirche in einer Welt, die um den Wert der Freiheit kreiste, glaubwürdig machen wollte. So wurde etwa der französische Laie CHARLES DE MONTALEMBERT, dessen Bekenntnis zur Religionsfreiheit die Erklärung "Dignitatis Humanae" des II. Vatikanums vorwegnimmt, in der Enzyklika "Quanta cura" verurteilt. Die Seligsprechung PIUS IX. wirkt als eine nachträgliche Bestätigung des Syllabus und entkräftet das Bekenntnis der Kirche zu Werten wie Gewissens- und Religionsfreiheit. Zugleich wäre die Seligsprechung des Papstes, der sich der nationalen Einigung Italiens widersetzte, ein Schlag gegen den italienischen Staat. Sie würde neue Polarisierungen in die italienische Gesellschaft hineintragen und Wunden wiederaufreißen, die nach den Lateranverträgen von 1929 geheilt schienen.
- Die Wiedererrichtung des römischen Ghettos 1850 und der "Fall MORTARA" (Im Kirchenstaat wurde 1858 ein in Todesgefahr ohne Wissen seiner Eltern getauftes jüdisches Kind seinen Eltern weggenommen.) sind Zeichen einer antijüdischen Haltung, die weder dem II. Vatikanum noch der Haltung des jetzigen Papstes entsprechen und kein Vorbild in der heutigen Kirche sein können.
Die Seligsprechung PIUS IX., die mit der JOHANNES XXIII. gekoppelt wird - darüber habe nicht nur ich gestaunt -, ist nur eine von vielen der letzten Jahre, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet:
JOHANNES PAUL hat den Mitarbeitern der Heiligsprechungs-Kongregation mächtig Arbeit verschafft; niemals zuvor wurden so viele Menschen zu Seligen erklärt wie unter seiner Ägide. Seit 1588 wurden nach einer Aufstellung aus diesem Frühjahr 1742 Personen selig gesprochen, WOJTYLA hat allein 934 von ihnen proklamiert. Von den 591 Heiligen der katholischen Kirche gehen fast 300 auf sein Betreiben zurück. Es gibt noch einiges zu tun: Derzeit laufen über 1900 Verfahren.
Mehr Aufschluß über die Sorgfalt und Sachlichkeit des Seligsprechungsverfahrens gibt aber "Kirche intern" mit der Wiedergabe eines Interviews der Tageszeitung la Repubblica mit dem italienischen Kirchenhistoriker Professor GIUSEPPE ALBERIGO.
Wie kam es überhaupt dazu, daß Papst PIUS IX. selig- und heiliggesprochen werden sollte?
ALBERIGO: Es ist eine komplizierte Geschichte. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils tauchte die Hypothese auf, den erst vor kurzem verstorbenen Papst JOHANNES XXIII., als Beispiel eines Christen im Sinne des Konzils, heilig zu sprechen. Papst PAUL VI. hatte die Angelegenheit zunächst abgeblockt, dann aber, 1965, schlug er vor, die Heiligsprechung JOHANNES XXIII. in Angriff zu nehmen und zwar zusammen mit der Heiligsprechung von Papst PIUS XII., seines Lieblingspapstes. Er bestand darauf, daß beide Seligsprechungen parallel zu erfolgen hätten, doch die Sache mit PIUS XII. ging nicht voran. Bereits bevor das Problem mit seinem Schweigen zu den Judenmorden auftauchte, ging es damit abwärts. Niemand hatte noch die Ereignisse in den letzten Wochen seines Lebens vergessen. Die Sache JOHANNES XXIII. ging inzwischen weiter, wenn auch sehr langsam, da es viele Widerstände gab. Papst PAUL VI. starb und es kam JOHANNES PAUL II. Und nun, 1993, ich weiß nicht wieso, da die Kurie mir gegenüber im allgemeinen feindlich gesinnt ist, traten diejenigen, die die Heiligsprechungen betreiben, an mich heran, und fragten mich, ob ich helfen könnte, die Angelegenheit mit JOHANNES XXIII. zu ordnen...
Ich kann mich daran erinnern, daß über Papst JOHANNES XXIII. böse Worte gefallen sind...
ALBERIGO: Der Widerstand hatte sich verstärkt, und es fehlten auch vulgäre Vorwürfe nicht. Der Papst war in Eile und plötzlich wurde die von PAUL VI. vorgesehene Paarung fallen gelassen. So kam es dazu - so meine ich - daß eine neue Paarung, diesmal mit PIUS IX., entstanden ist.
Wen interessiert die Heiligsprechung von PIUS IX.?
ALBERIGO: Ich bin überzeugt, daß PIUS IX. niemanden interessiert. Papst WOJTYLA weiß wahrscheinlich nicht einmal, wer dieser war. Den Vatikan interessiert auch JOHANNES XXIII. nicht. Was heute in der Kirche zählt, ist die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eines Konzils, das nun einmal stattgefunden hat und nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann...
Ist die Gegnerschaft gegen die Kollegialität der Bischöfe eine vorherrschende Tendenz, im Vatikan? Wer ist gegen die Autonomie der Bischofskonferenzen? Bewegungen wie Opus Dei, Communione e liberazione, die dem Verfügungsbereich der Bischöfe entzogen sind?
ALBERIGO: Schon PAUL VI. hat Bischöfe ernannt, die die Einigkeit der holländischen Bischofskonferenz zerstörten. Die Feindschaft zwischen den deutschen Bischöfen und Rom ist groß, da sich Rom seit 15 Jahren weigert, Bischof LEHMANN, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, zum Kardinal zu ernennen. Die Mehrheit der während dieses Pontifikats ernannten Bischöfe haben ein unterdurchschnittliches Profil und sind Gegner jeder Kollegialität. Was die sogenannten Movimenti betrifft, sind sie verschieden, es gibt auch Konflikte unter ihnen, sie sind seit einigen Jahrzehnten der Verfügung der Bischöfe nicht mehr entzogen, viele ihrer Mitglieder sind Bischöfe geworden. In Chile gehört die Mehrheit der Bischöfe dem Opus Dei an. GUSTAVE GUTTIEREZ, der große Befreiungstheologe, ein Mann des Ausgleichs schlechthin, hat mir im vorigen Jahr anvertraut, daß er um sein Leben bange. Er sagte: 'Die Regierung betrachtet mich als einen gefährlichen Kommunisten, kein Bischof verteidigt mich". Deshalb ist er als 65-jähriger Dominikanernovize geworden, um einen gewissen Schutz zu bekommen...
Eine Episode möchte ich noch erwähnen, die während des 1. Vatikanischen Konzils spielt und den Charakter PIUS IX. schön zeigt. Bereits am 16. Januar 1870 spielte sich ein schwerwiegender Vorfall ab. Der chaldäische Patriarch JOSEPH AUDU wurde wegen seiner Konzilsrede am Vortage und wegen seines Widerstandes gegen die Bulle "Reversus", die Rom bei der Besetzung der Bischofssitze bedeutend mehr Rechte einräumte als bisher, vom Papst zu sich zitiert. Sobald AUDU in den päpstlichen Gemächern erschien, kam es zu einer heftigen Szene. Nach den Aussagen von Bischof FÉLIX DUPANLOUP riegelte der Papst die Türe hinter sich zu und drohte dem 78jährigen Patriarchen, er werde hier nicht mehr herauskommen, bevor er nicht [? wohl "bevor er" gemeint, N.S.] sein schriftliches Einverständnis zur fraglichen Bulle gegeben habe. Während der Patriarch äußerlich ruhig blieb, zitterte der Papst vor Wut. AUDU blieb nur die Alternative, abzudanken oder sich zu unterwerfen. Aus Furcht wählte er das Zweite. Doch in der Folgezeit kam es zu weiteren Konflikten zwischen Patriarch und Papst. Schließlich enthob ihn PIUS IX. einige Jahre später seines Amtes. Der Vorfall vom Januar 1870 erregte die Gemüter außerordentlich... Am meisten entrüstete sich AUDUS Kollege, der griechisch-melkitische Patriarch GREGOR JUSSEF... Mutig widerstand er ersten Pressionen und trat am 14. Juni 1870 in der Konzilsaula ganz offen für die alten Patriarchenrechte ein. Doch da kam es zur wahrscheinlich peinlichsten Stene des ganzen Konzils. Der Papst ließ den Patriarchen in der höchsten Erregung zu sich kommen. Als JUSSUF PIUS IX. in der vorgeschriebenen Weise den Fuß küßte, setzte dieser nach der Art heidnischer Siegergesten dem Patriarchen den Fuß auf den Kopf oder Nacken mit den Worten: "Gregor, Du harter Kopf." Dann fuhr er dem Patriarchen mit dem Fuß eine Zeitlang auf dem Kopf herum. Zweimal reichte die heilige Synode der griechisch-melkitischen Kirche unter dem Vorsitz des Patriarchen MAXIMOS IV. SAIGH in Rom einen Bericht über dieses Ereignis ein, um den Heiligsprechungsprozeß PIUS' IX. zu blockieren. Aus Furcht vor einem Schisma in seiner Kirche hatte sich JUSSEF selbst lange Zeit nicht getraut, über diesen Zwischenfall zu reden. AUGUST BERNHARD HASLER: Wie der Papst unfehlbar wurde, S. 57ff |
Die Protokolle der Weisen von Zion |
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Wäre die katholische Kirche nicht so groß, würde man viel eher merken, wie albern ihre Rituale und Dogmen sind. So haben sich viele schon daran gewöhnt. Da haben es andere Spinner schwerer, weil sie leichter durchschaut werden. Trotzdem richten die angeblichen Protokolle der Weisen von Zion noch heute Schaden an und werden (z.B. im Parsimony Forum 56) als Beweis für eine angebliche zionistische Weltverschwörung herangezogen.
Antisemitische Ansichtskarte, die es mal bei http://www.ebay.com gab, vgl. Auktionsangebote und Surftipp 13/2000.
Diese Protokolle erinnern etwas an MACHIAVELLI, und behaupten im Prinzip, alle Völker ließen sich in Streitigkeiten verwickeln, wohingegen das Judentum nicht nur einig sei, sondern ihm sogar noch gelinge, dies zu verbergen. Wer kommt auf solche Erkenntnisse wie:
Die Idee der Freiheit läßt sich nicht verwirklichen, denn niemand versteht es, von ihr den richtigen Gebrauch zu machen. Man braucht das Volk nur kurze Zeit sich selbst regieren zu lassen und die Selbstverwaltung verwandelt sich alsbald in Zügellosigkeit. Von diesem Augenblicke an entstehen Zwistigkeiten, die rasch zu sozialen Kämpfen führen, die Staaten gehen in Flammen auf und ihre ganze Größe fällt in Asche zusammen...
Nicht bloß wegen unseres Vorteiles, sondern wegen unserer Pflicht, den Sieg davonzutragen, müssen wir an dem Grundsätze der Gewalt und der Hinterlist festhalten. Diese auf Berechnung beruhende Lehre ist ebenso wirksam wie die Mittel, deren sie sich bedient. Nicht bloß durch diese Mittel, sondern auch durch die rücksichtslose Strenge unserer Lehre werden wir siegen und alle Regierungen unserer Oberregierung unterwerfen. Die Erkenntnis, daß wir unbeugsam sind, wird genügen, daß jede Unbotmäßigkeit aufhört.
Nun die Frage ist inzwischen wissenschaftlich geklärt. Die Zitate sagen schon einiges über die Verfasser und ihre Politikvorstellungen. Einerseits steckt wirklich etwas MACHIAVELLI darin:
1864 hatte der Rechtsanwalt MAURICE JOLLY ein Pamphlet gegen die despotische Herrschaft NAPOLÉONs III. verfasst, das, um die Zensur zu täuschen, als Dialog von MONTESQUIEU und MACHIAVELLI ausgegeben wurde. Letzterer vertritt in diesem Dialog die Ansicht, die Menschheit sei nur durch eine umfassende, totalitäre Herrschaft zu retten, während MONTESQUIEU die liberalen Ansichten des Autors vertrat. JOLLY musste die Veröffentlichung mit 15 Monaten Gefängnis und 200 Franken Geldstrafe bezahlen und beging enttäuscht vom Leben später Selbstmord. Dass seine geistreiche Schrift zur Basis einer der verhängnisvollsten Fälschungen der Weltgeschichte werden sollte, hat er nicht mehr erlebt.
MATHIAS BRÖCKERS
Alles unter Kontrolle?
Telepolis. Magazin der Netzkultur 19.05.2000
... und andererseits etwas autoritärer Geheimdienst: Jenes Pamphlet wurde nämlich von der russischen zaristischen Geheimpolizei Ochrana in die Welt gesetzt, die nicht viel Fantasie brauchte, weil sie auf ein literarisches Werk zurückgrief und eigene Pläne und Praktiken nur anderen unterstellen mußte. Weiter bei BRÖCKERS:
1898 verfasste der in Paris lebende jüdische Russe ELIE DE CYON, eine beißende Satire auf den neuen russischen Finanzminister WITTE und benutzte dazu lange Passagen aus JOLLYs Dialog. Die russische Geheimpolizei Ochrana, die auch in Paris Verschwörungen gegen das Zarenreich auf der Spur war, geriet in Besitz des Papiers und schrieb es zu einem Lehrbuch zur Eroberung der Weltherrschaft um. Ausgegeben als Dokument einer jüdischen Geheimregierung und unter dem Titel "Die Protokolle der Weisen von Zion" war aus JOLLYs Plädoyer für Demokratie und Toleranz eine antisemitische Hetzschrift geworden.
1903 wurden die "Protokolle" erstmals in einer St. Petersburger Zeitung abgedruckt und der Zar war so beeindruckt, dass er Auszüge in 362 Moskauer Kirchen verlesen lies. Doch immerhin verbot NIKOLAUS II. die weitere Verwendung, als eine Untersuchungskommission den Text kurz darauf als Fälschung entlarvte. Seitdem ist die Weltverschwörungstheorie der "Protokolle" dutzendfach als Fälschung ausgewiesen und auch von Gerichten als solche bewertet worden, was ihre Verbreitung unterdessen nicht aufhielt.
Daß mit den Protokollen etwas nicht stimmen konnte, haben viele übersehen:
Zugegebenermaßen macht der Plan auf den ersten naiven Blick stutzig. Wird doch schon lange vor den Schützengräben von Verdun von Weltkriegen gesprochen, Jahrzehnte vor dem schwarzen Freitag von Weltwirtschaftskrisen, Generationen vor der Existenz von Massenmedien von heimlich zensierenden Presseagenturen, Generationen vor dem Großen Lauschangriff von allgegenwärtigen Observationen und lange vor dem Völkerbund und der UNO von Zusammenschlüssen scheindemokratischer Staaten. Die Protokolle sind jedoch eindeutig antisemitische Fälschungen. Sie können aus mehreren Gründen nicht jüdisch sein:
1. Im Dokument ist mehrmals die Rede von einem König (...) aus dem Hause Zion, welcher der wahre Papst sowie der Patriarch einer internationalen Kirche sei und sich zum Weltherrscher emporschwingen wird.In der jüdischen Tradition existiert aber schon seit Jahrtausenden kein König, erst recht keiner, der sich zum Papsttum bekennen würde. Dies sind eher Formulierungen, die eine gnostische Geheimgesellschaft benutzen würde.
2. Ein Machwerk der Protokolle war schon 1884 im Umlauf. Daher können sie unmöglich erst 1897 beim ZionistInnenkongress entstanden sein.
Auf rechte und nationale Tendenzen in der freiwirtschaftlichen Bewegung macht HANS-JOACHIM WERNER aufmerksam, der zwar katholischer Theologe ist, aber doch einigermaßen vernünftig wirkt. Vor allem im Umfeld der Partei Freisoziale Union (FSU) wird rechtsradikal argumentiert. Der ehemalige Schriftleiter (1961-1988) der Parteizeitung "Der Dritten Weg" der FSU HANS SCHUMANN hatte 1943 in seinem Buch Männer gegen Gold, Prag, Berlin, Leipzig 1943 mit Zitaten und Hinweisen aus den "Protokollen der Weisen von Zion" die These einer jüdischen Weltverschwörung vertreten. Er kommentiert die Dawes-Goldanleihe und die Verabschiedung des Reichsbankgesetzes vom 30.08.1924 mit den Worten: "Die jüdisch-goldene Internationale hatte alle ihre Ziele erreicht." In die gleiche Richtung geht aber die Kritik JUTTA DITFURTHs am grünen Kreisverband Harburg Land, bei dem der Freiwirtschaftler und Antisemit YOSHITO OTANI die Theorie-Diskussion bestimme.
OTANI stellt die Vernichtung der Jüdinnen und Juden in KZs und die Gaskammern von Auschwitz in Frage. Er leugnet die Kriegsschuld der Deutschen und schiebt selbst die Schuld am Ersten Weltkrieg "jüdischen Bankhäusern" zu. OTANI bezieht sich in seinem Buch "Untergang eines Mythos" auf die sogenannten "Protokolle der Weisen von Zion".
In der Entgegnung von
wird aber mit einem längeren Zitat dargestellt, daß OTANI es ablehnt, die Juden zu verdächtigen, die Protokolle aber als Hinweis auf "die negativen Möglichkeiten des kapitalistischen Systems ... wie sie nach dem Erscheinen der Protokolle schrittweise verwirklicht wurden." heranzieht, was ich auch schon für weit hergeholt halte, aber nicht für Verschwörungstheorie oder Antisemitismus. SCHMITTs Text hatte ich auch schon bei der Vorbereitung von Surftipp 17/2000 gefunden, weil dort mehrmals ERNEST BORNEMAN erwähnt wird, aber nicht verwendet.
SILVIO GESELL, Erfinder der Freiwirtschaftslehre, hat sich nach meinem Eindruck zu einer Zeit vom Rassismus distanziert, als z.B. GUSTAV STRESEMANN noch schrieb:
...die Planmäßigkeit eines rassejüdischen Kampfes gegen das Deutschtum, der tiefe Abscheu des Fremden gegen eine ihm innerlich verhaßte Kultur. Die Folgerung für die deutsch empfindenden Kreise unseres Volkes aus solchen Schlaglichtern ist klar.
Hintergründe dieses Zitats, das direkt nichts mit den Protokollen zu tun hat, entnehmt bitte einem Artikel im Freitag vom 22.1.1999:
In der Weimarer Republik wurden antisemitische Motive auch auf Notgeld gedruckt:
LILIANE WEISSBERG schreibt dazu:
Manche der Notgeldscheine lokalen Ursprungs besaßen antisemitische Motive. Diese Bilder gaben sich "volksnah" und sollten wohl verhindern, daß das Geld in jüdische Hände gelangte. Antisemitische Notgeldscheine zeigen den Juden häufig als aktuelle Gefahr für die Wirtschaft und für den deutschen Bürger... Stellten bereits viele Bildpostkarten den Juden als obszöne Figur dar, so wird er in den Notgeldillustrationen zur Verkörperung allgemeiner Verderbtheit. Die Botschaft war eindeutig: Der Jude - der kein Deutscher sein konnte - hat an der deutschen Wirtschaftskrise schuld; er allein ist auch für die Inflation verantwortlich; als Gauner und Betrüger ist er am wirtschaftlichen Untergang Deutschlands schuld.
LILIANE WEISSBERG:
Antisemitische Motive auf den Notgeldscheinen der 20er Jahre
in: Abgestempelt (s.o.), S. 276 - 283, hier S. 279
Natürlich argumentierten die Nazis mit den Protokollen.
Man vergleiche dazu z. B. ALFRED ROSENBERG Die Protokolle der Weisen von Zion und die jüdische Weltpolitik", München 1924. Auch ROSENBERG stellt darin schon eine Beziehung zu den Bibelforschern her. Etwa, wenn er äußert: Was die Demokratie und der Marxismus auf politischem, das besorgen die 'Bibelforscher' auf kirchlich-religiösem Gebiet" (ROSENBERG S. 130).
ROSENBERG zitiert und kommentiert aus den dubiosen Protokollen der Weisen von Zion". Seine Zitate machen es schon etwas verständlicher, weshalb rückwärtsgerichtete Kreise diese Protokolle" so gerne als Wahrheit" verkaufen möchten. Etwa, wenn er diese Protokolle" mit den Worten zitiert: Wir erscheinen gewissermaßen als die Retter der Arbeiter aus dieser Knechtschaft, indem wir ihnen vorschlagen, in die Reihen unseres Heeres von Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten einzutreten. Diese Richtungen unterstützen wir grundsätzlich" (ROSENBERG S. 54).
Eine Passage aus den Protokollen" macht besonders deutlich, weshalb gerade auch kirchliche (Rand)kreise sich für diese Protokolle" interessieren und aktualisiert als Wahrheit" anbieten wollen. Diese Stelle lautet nach der Zitierung durch den Nazichefideologen ROSENBERG: Auf unser Betreiben hin wurde die Geistlichkeit der Nichtjuden in den Augen des Volkes herabgesetzt und jeden Einflusses auf die Massen beraubt. Wenn sie die Massen noch hinter sich hätten, so läge darin für die Verwirklichung unserer Pläne ein ernstes Hindernis. Aber ihr Einfluss auf das Volk geht ersichtlich mit jedem Tage mehr zurück" (ROSENBERG S. 117).
MANFRED GEBHARD: Annotationen zu den Zeugen Jehovas DE RUITER und Co
Dabei waren sie aber selbst "mehr oder weniger bewußt nach dem Modell der fiktiven Geheimgesellschaft der Weisen von Zion" orgenisiert (HANNAH ARENDT, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 595, zitiert nach BRÖCKERS, a.a.O.)
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Shoa sollten solche Verschwörungstheorien eigentlich keinen Zuspruch mehr finden können, doch sind die Protokolle immer noch im arabischen Raum, aber auch wieder in Rußland weit verbreitet:
1926 wurde die Schrift erstmals ins Arabische übersetzt, fand aber erst massenhafte Verbreitung nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg in den 50iger Jahren. 1968 erschienen die Protokolle mit einem Vorwort von SHAWQI ABD AL-NASIR, dem Bruder des ägyptischen Präsidenten. Das Buch wurde öffentlich empfohlen von NASSER und SADAT, von König FAISAL von Saudi-Arabien, von dem lybischen Obersten GADDAFI und verschiedenen anderen Monarchen, Ministerpräsidenten und sonstigen intellektuellen Führern. Seit den 80iger Jahren wird das Buch hauptsächlich vom Iran und von Saudi Arabien aus vertrieben.
Die Wirkungsgeschichte des Buches beschreibt das Ausmaß des Antisemitismus in der arabischen Welt. Die Existenz von Israel erscheint als das Produkt einer jüdischen Weltverschwörung, die weltumfassend die Existenz Israels garantiert. Der Jude wird mit Hilfe antisemitischer Hetzschriften als niederträchtig, verräterisch, bösartig und heimtückisch dargestellt und gilt als Hauptfeind des Islam.
In der antisemitischen Gruppe "Pamjat" ("Gedächtnis") wurden die "Protokolle" seit 1985 auf Versammlungen verlesen, sie sind seitdem in Buchform ebenso im Verkauf wie HITLERs "Mein Kampf" oder Schriften des Nazi-Ideologen ROSENBERG. Verschiedene Zeitschriften durchaus nicht nur der extremsten Rechten druckten die "Protokolle" auszugsweise oder in Fortsetzungen ab.
Antisemitismus in Rußland
"Zionistisch-freimaurerische Verschwörung"und rot-braunes Bündnis
In den USA vereint das Machwerk Gegner wie Ku Klux Klan und schwarze Moslems. Aber auch in Deutschland findet sich noch Propagandisten. Noch 1995 veröffentlicht ein katholischer Verlag
ROBIN DE RUITER: Die geheime Macht hinter den Zeugen Jehovas
(Verlages ANTON A. SCHMID Pro Fide Catholica, Durach 1995)
ein Buch, in dem der Autor DE RUITER auch auf die Protokolle der Weisen von Zion zu sprechen" kommt und behauptet, daß alle Aussagen des prophetischen Autors inzwischen Wirklichkeit geworden" seien. (GEBHARD, a.a.O.) Ausführlich tritt dem LUTZ LEMHÖFER entgegen:
Henry Ford |
oben |
Der Autokönig HENRY FORD, der eine Bolschewisierung Amerikas durch das liberale Judentum fürchtete, druckte "The Protocols of the Learned Elders of Zion" (heute nicht auf der Ford-Homepage) im großen Stil nach
http://www.globaldomination.org.uk/img13.gif |
In den USA sind bekanntlich auch rechtsradikale Homepages erlaubt und Adressen wie "hitlerisgod". In diesem Fall soll es mir recht sein, wenn ich dort eine solche Quelle finde. Der Hinweis darauf dient hier nur Zwecken der politischen Bildung. Did you know that HENRY FORD was an anti-semite? weitere Links:
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Als zweifacher Ford-Fahrer (erst Sierra, dann Scorpio) bin ich mitverantwortlich und sollte vielleicht etwas an die Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft überweisen. Als vorheriger zweifacher Mercedes-Fahrer bin ich auch nicht entschuldigt.
1997 hat Ford (für geschätzt 1 bis 5 Mio $) die werbefreie Ausstrahlung von Schindlers Liste bei NBC ermöglicht. JESSE OXFELD spricht da von Bigoterie:
ON JULY 30, 1938, his 75th birthday, HENRY FORD was awarded the Supreme Order of the German Eagle, the Nazi government's highest honor for a non-German. It was presented with HITLER's congratulations.
On Feb. 23, 1997, NBC broadcast "Schindler's List" without commercial interruptions and with the sponsorship of the Ford Motor Company.
NBC and Ford have received uniformly positive publicity for their partnership to present a commercial-free "Schindler's List." The reactions have been amusing, for while NBC was founded by DAVID SARNOFF, a Jew, Ford was founded, of course, by HENRY FORD, a fierce anti-Semite.
The Order of the German Eagle was bestowed on FORD prior to Kristallnacht, but public awareness of HITLER's deadly anti-Semitism would likely not have affected the tycoon's willingness to accept Nazi commendations. FORD was a man who allegedly helped financed HITLER's Beerhall Putsch and is rumored to have sent the Führer $50,000 each year on his birthday.
In 1918, Ford purchased The Dearborn Independent, a weekly newspaper located in the Detroit suburb where the Ford Motor Co. was - and is - located. On May 22, 1920, The Independent ran "The International Jew: The World's Problem," the first in a series of unsigned, front-page screeds. For the next 91 weeks, The Independent hammered home the same anti-Semitic arguments. Short skirts and rolled-down stockings were the evil work of Jewish garment dealers. Rising rents were thanks to Jewish landlords' greed. "The present government of Russia was transported almost as a unit from the Lower East Side of New York," proving that "the Bolshevik revolution was a carefully groomed investment on the part of international Jewish finance." Not only did Jews start the Russian Revolution, The Independent claimed, but also the U.S. Civil War and World War I. The articles stopped in January 1922 at FORD's order - and under threat of lawsuits and after the realization they could hurt in a possible presidential bid.
FORD also published "The Protocols of the Elders of Zion" and is the only American to be mentioned in "Mein Kampf."
ISAAC CHARCHAT, a Swedish Jew who infiltrated Nazi Party headquarters in 1925 to spy for German Zionists discovered that "The International Jew" was a key text for Nazi indoctrination. "The teachings of the Nazi Party was HENRY FORD's doctrine," CHARCHAT told Reuters in the 1980s. "This was the textbook of the Nazi party," he said, pointing to a collection of FORD's writings.
Yes, FORD did call off The Independent's tirades, and yes, he did eventually retract his overt anti-Semitism, but so what? Had HITLER, in 1942 or 1943, pulled back the Wehrmact, shut off the Auschwitz ovens and said he was sorry, would that have absolved him of his guilt? It is difficult to believe that FORD's change of heart was anything more than a PR gambit...
Incredibly, Ford spokespeople do not even attempt to present the company's sponsorship of "Schindler's List" as a measure of atonement - albeit a small one - for HENRY's bigotry. A Ford vice president told The New York Times the history "did not enter at all" into the company's decision. An executive with Ford's advertising agency said the sponsorship was in no way "an apology for or trying to offset" the founder's rabid anti-Semitism. Ford's sponsorship of "Schindler's List" seems to be nothing more than a shameless and, considering the sponsor, tasteless grab for an advertising boon...
Über die Zwangsarbeiter bei Ford Köln und die Kollaboration des Werkes während der Naziherrschaft berichten
http://www.freep.com/art/1999/december/21/1221_labor_henry.jpg 1938: HENRY FORD (Mitte) wird von den deutschen Konsul FRITZ HAILOR (links) und KARL KAPP (rechts) ausgezeichnet |
http://www.freep.com/art/1999/december/21/1221_labor_hitler.jpg 1936: ADOLF HITLER besucht den Ford-Stand bei der 1936 Berliner Autoausstellung. HERMANN GÖRING kauft einen Ford. |
Ford hat nun schon seit 75 Jahren eine Niederlassung auf deutschem Boden und berichtet darüber (natürlich nur das Beste) auf seiner Homepage. Daß man erst später als die Konkurrenz geregelte Katalysatoren einbaute, fehlt. An meinem Wohnort (Aachen) errichtete die Firma das Europäische Ford Forschungszentrum, bei dessen Eröffnung die Sperrungen für Bundeskanzler GERHARD SCHRÖDER (Audi A 8), der sich inzwischen als Kanzler aller Autos sieht, die Beschäftigten und Kunden von benachbarten Unternehmen behinderten (im Gästebuch der AN nach "Kackertstraße" suchen)
Anne Frank |
oben |
In Surftipp 1/2000 berichtete ich:
... Außerdem berichtet man dort [bei hagalil online] darüber, daß eine Schwedin von sich behauptet, die Reinkarnation ANNE FRANKs zu sein und dafür bei den Anthroposophen Unterstützung findet
BARBRO KARLÉN wurde 1954 in Göteborg geboren. Bereits als zweijähriges Kind, so sagt sie heute, ahnte sie von ihrer Reinkarnation... Wenn KARLÉN z.B. das Mobbing durch ihre Kollegen als Folge früherer Leben interpretiert, gilt diese Logik also auch für ihr angebliches früheres Leben als ANNE FRANK. Deren Tod in Bergen-Belsen wird - nach der Karmalehre - zum vorherbestimmten Schicksal, das verständnisvoll anzunehmen ist. Obendrein geht die Seele aus dem Vernichtungslager "gestärkt" hervor.
An der verlinkten Stelle heißt es:
Infodienst für Exil-Schwaben (IdfES) liefert Ihnen Presseerklärung und Flugblatt zu einer Aktion gegen ein Theaterstück im Forum 3.
Presseerklärung (IdfES):
Anthroposophen verharmlosen den Holocaust
Stuttgarter Theater "Forum 3" führt ein Stück über die angeblich wiedergeborene Anne Frank auf
Wir protestieren gegen dieses Theaterstück und gegen diese Aufführung. Wir meinen, daß die wirren Vorstellungen KARLÉNs die Opfer des Holocaust verhöhnen. Karlén glaubt wie viele EsoterikerInnen an die Karma-Lehre, wonach der Mensch sein Schicksal als notwendige Folge früherer Leben akzeptieren müsse. Sie relativiert damit den Holocaust, entlastet die Nazi-Täter und unterstellt den Opfern eine Schuld.
Wir fordern, daß das Stück abgesetzt wird.
BARBRO KARLÉN wurde 1954 in Göteborg geboren. Bereits als zweijähriges Kind, so sagt sie heute, ahnte sie von ihrer Reinkarnation. 1998 veröffentlichte der anthroposophische Verleger THOMAS MEYER (Perseus-Verlag) KARLÉNs autobiographischen Roman ...und die Wölfe heulen. Das Theaterstück "Offene Türen" ist eine umgearbeitete Version des Romans...
T. MEYER schreibt im Nachwort zu ihrem Buch: KARLÉNs Glaube ändere nichts an den Mißlichkeiten in ihrem Leben, aber sie "kann diese nun verstehen und daher innerlich freier werden". Ihre Seele gehe dank des Wissens um die karmischen Zusammenhänge gestärkt aus dem Kampf hervor. KARLÉN selber - mit bürgerlichem Namen SARA CARPENTER - bilanziert, "daß es Zusammenhänge gibt zwischen den verschiedenen Leben des Menschen. (...) Man mußte es einfach akzeptieren, daß es schon vorher etwas gegeben hatte und daß sich das auf das ganze Leben auswirkte."
Wenn KARLÉN z.B. das Mobbing durch ihre Kollegen als Folge früherer Leben interpretiert, gilt diese Logik also auch für ihr angebliches früheres Leben als ANNE FRANK. Deren Tod in Bergen-Belsen wird - nach der Karmalehre - zum vorherbestimmten Schicksal, das verständnisvoll anzunehmen ist. Obendrein geht die Seele aus dem Vernichtungslager "gestärkt" hervor.
Obwohl ich mir ein Urteil darüber ersparte, schrieb mir der Webmaster des Perseus-Verlages
Warum "die Anthroposophen". Warum bloss ein Link zu einem Flugblatt der "Exilschwaben" (der vermutlich ein Tranname ...).
Ob Tran- oder Tarnname, warum die Exilschwaben sich so äußern, weiß ich auch nicht. Die Frage ist aber berechtigt. Weiter der Verlags-Webmaster:
Siehe als "Gegeninformation" u.a.: Zeitschrift Europäer. Aus aktuellem Anlaß.
Generell ihr Buch (das nunmehr auch in Englisch vorliegt und z.B. von chassidischen Juden, die an die Reinkarnation glauben, geschätzt wird). Je angeschaut!?
Zu den auf einem totalen Missverständnis beruhenden Anfeindungen, welche das Stück - ich war zugegen - ausgelöst hat, siehe:
«Zu den Angriffen gegen die Uraufführung des Theaterstücks 'Die Tür war offen' am 8. April im ForumTheater in Stuttgart» (innerhalb der Aufstellung «Zum Rassismus-Vorwurf gegenüber der Geisteswissenschaft R. STEINERs (II)»)
Ich habe mir das angesehen. Man vergleicht BRUNO DOESSEKKER, alias BINJAMIN WILKOMIRSKI mit BARBRO KARLÉN. (Er behauptete, selbst KZ-Opfer zu sein, sie behauptet, in einem früheren Leben ANNE FRANK gewesen zu sein.) Besonders (schlecht) getroffen fühlt man sich von der "sachlich gänzlich unbegründete[n], rufschädigende[n] Assoziation von BARBRO KARLÉNs Anliegen mit dem «Fall THOMAS HOCKEMEYER, alias TRUTZ HARDO»" Bei den "Exilschwaben" heißt es nämlich:
Der Esoterikautor THOMAS HOCKEMEYER (mit Pseudonym " TRUTZ HARDO") wurde vor zwei Jahren wegen Volksverhetzung verurteilt. In seinem Buch Jedem das Seine hatte Hockemeyer geschrieben, der Holocaust wäre die gerechte Strafe für Verbrechen der Juden in früheren Leben. Solche Ansichten sind heute in der Esoterikszene zunehmend verbreitet. Im Unterschied zu HOCKEMEYER sprechen KARLÉN und ihr Verleger THOMAS MEYER nicht direkt vom karmischen Ausgleich.
Solche Ansichten sind inzwischen auch in der Knesset und zuvor schon von einem britischen Fußball-Trainer geäußert worden. Auch da halte ich mich ganz liberal raus.
Meine Meinung dazu dürfte aber nach allem, was ich hier über Religionen schreibe, nicht überraschen. Ich halte dies alles für Unsinn. Ob Frau KARLÉN nun gut- oder böswillig ANNE FRANK gewesen sein will oder man ihr das eine oder andere unterstellt, will ich nicht klären, dazu ist mir das viel zu blöd. Religionen oder mildere Formen wirren Denkens wie Lesen von Horoskopen, Kartenlegen oder Glauben an die Reinkarnation sind nicht Offenbarungen, sondern Erfindungen von Menschen, die eine Erklärung für etwas suchen, das sie nicht erklären können. Deshalb ist es auch nicht angebracht, Ihnen etwas ausreden zu wollen, wenn ich als Atheist selbst keine Erklärung habe. Argumente, die Widersprüche (Frau KARLÉN behauptet, verbrannt worden zu sein, ANNE FRANK ist an Typhus gestorben) aufgreifen, sind legitim, fallen aber meist nicht auf fruchtbaren Boden. Mir fällt auf, daß kaum jemand glaubt, früher ein unbekannter Bettler gewesen zu sein. Burgfraulein gerne, prominentes Opfer auch, aber Angehöriger der Unterschichten - nein. Was wohl die Fantasie so anregt?
Vor einiger Zeit plauderte ich im Antiquariat (und Buchhandlung) PASCHER mit dem Buchhändler, als eine Frau nach Kalkulationstabellen fragte. Ich dachte gleich an MS Excel, Lotus 1-2-3 und Starcalc, aber sie meinte etwas für Horoskope. Das hatte er nicht. Ich meinte, das brauche man auch nicht, konnte sie aber nicht überzeugen. Schließlich erzählte ARNOLD PASCHER noch, früher habe man ihn oft nach einer esotherischen Buchhandlung gefragt. Bei so viel Material, das angeblich magische Strahlen / Energien sende, müsse doch eigentlich jede(r) dafür Empfängliche auch ohne Rat und Stadtplan dorthin gezogen worden sein. Aber auch das konnte sie nicht überzeugen. Religiöse Menschen fürchten die Leere (an Erklärungen). Deshalb bleiben sie lieber bei Ihrem Unsinn, als nichts zu glauben.
Ich bestehe darauf, daß niemand das Recht hat,
Hintergrundmusik: imagine.mid