Durch den Net-Newsletter wurde ich auf swingstyle, das Online-Museum zu den Themen: Mode - Musik - Tanz - Alltagskultur - Film - Technik - Wohnen, aufmerksam, ihr braucht aber eigentlich die Startseite, auf der zwischen deutscher und englischer Fassung gewählt werden kann, nicht, weil ihr hier schon wählen könnt.
Daß Swing im Dritten Reich verboten war, hinderte deutsche Unterhaltungskünstler nicht immer daran, solche Musik mit anderen Bezeichnungen den Verboten zu entziehen. So zeigt Swingstyle diesen Katalog der Firma Brunswick, der noch im Jahr 1936 (das aber wegen der Olympischen Spiele liberaler war als andere Zeiten) Swingmusik anbot: Schaut euch unbedingt noch das "Postamt" an, wo es tolle Motive zum Versenden virtueller Postkarten gibt, allerdings nach einem Verfahren, daß ich bisher noch nicht kannte und das mir umständlicher erscheint als das, nach dem bei mir virtuelle Postkarten geschrieben werden können. Themengebiete sind: Erotik (mit Musik), Reklame, Romantik (mit Musik), Mobiles, Humor, WWII, Neujahr + Weihnachten (mit Musik). |
http://private.addcom.de/t/the20240style/cabcallo.jpg |
Auch Remembering the 1940's von IAN und JAN BAYLEY bietet einiges über diese Epoche, allerdings steht hier der Zweite Weltkrieg im Vordergrund. Gasmasken, Militärgerät und Propagandaposter (und eine andere Fassung von Lili Marleen gesungen von ANNE SHELTON, geschrieben von T. CONNOR, vgl Surftipp 25/2001, möchte ich aber diese Woche nicht zum Thema meines Surftipps machen. Ganz originell finde ich diese dynamobetriebene Taschenlampe. Das ist doch auch für friedlichere Zeiten keine schlechte Idee:
http://www.1940.co.uk/history/museum/homefront/torch.jpg
Zur Musik jener Zeit berichtet z.B. NIGEL BEWLEY (leider ohne Fotos) über
Soundies - A new form of Entertainment
Soundies were a brand new form of entertainment conceived in early 1940, born in January 1941 and then suffered a lingering demise mid-way through 1947. They were three minute black and white films with an optical soundtrack designed to be shown on self-contained, coin-operated 16mm rear projection machines situated in bars, diners, nightclubs, roadhouses and other public places throughout the States and Canada.
The most widely distributed of these projectors was the Panoram, a complicated device using a system of mirrors and with a screen mounted on top of a stylish cabinet. They were made by the Mills Novelty Company of Chicago, market leaders in the manufacture of juke boxes and coin-operated machines, at the cost of $600 (about $12,000 today).
Die US-Kongreßbibliothek zeigt
Darin kommen aber auch Musikrichtungen vor, die mir bei "Jazz" nicht direkt einfallen.
The Faces of Jazz By W. ROYAL STOKES
The single decade that BILL GOTTLIEB devoted to the jazz scene was immensely rich and varied. In the late '30s, the swing era was in high gear, but with World War II many of the big bands lost players to the armed services, and the few surviving bands began featuring singers instead of instrumental soloists: FRANK SINATRA sang with TOMMY DORSEY's orchestra and ANITA O'DAY with GENE KRUPA's band. By the early 1940s the first sounds of modern jazz, combo bebop, were beginning to be heard at Minton's Playhouse in Harlem and at 52nd Street clubs like the Onyx and the Three Deuces. And since many of the older jazz masters were still active, GOTTLIEB even shot such pre-swing era figures as BUNK JOHNSON, LEADBELLY, CHIPPIE HILL, LOUIS ARMSTRONG, ETHEL WATERS, JACK TEAGARDEN, SIDNEY BECHET and WILLIE "the Lion" SMITH.
Da Swing im Dritten Reich verboten war, eignete diese Musik sich auch zur Demonstartion unangepaßter Haltung, was aber nicht ungefährlich war. Da sich "Swingstyle" kaum verbessern läßt (auch zu diesem Thema, zu dem ihr eine Examensarbeit auf Papier anfordern könnt), habe ich nur ein paar ergänzende Informationen über die "Swingjugend" zusammengetragen. |
http://home.t-online.de/home/the-20-2-40-style-syndicate/swingtbn.gif |
Der Begriff "Swingjugend" stammt vermutlich von den nationalsozialistischen Verfolgungsbehörden zur Kennzeichnung von Jugendlichen, die ihrer Distanz zum NS-Regime vor allem durch ihre Vorliebe für amerikanische Swing-Musik Ausdruck verliehen...
Die Jugendlichen der "Swing-Gruppen" kamen vornehmlich aus dem Mittelstand und dem gehobenen Bürgertum. Die vor allem während des Zweiten Weltkriegs in Hamburg und Berlin auftretenden Gruppen zeichneten sich durch einen bewußt internationalen und weltstädtischen Lebensstil aus, der sich an amerikanischen und englischen Moden orientierte. Die Jugendlichen trugen oft längere Haare, karierte Sakkos, Hut und Regenschirm und trafen sich in Cafés oder Clubs, um den bei den Nationalsozialisten verrufenen Swing zu hören. Ihre Abgrenzung gegenüber dem normierten Alltag zeigte sich auch in der bewußten Verwendung von Anglizismen.
Ohne im eigentlichen Sinne politisch-oppositionell eingestellt zu sein, wichen sie in Aussehen und Verhalten stark vom nationalsozialistischen Ideal des Jugendlichen ab. Erst durch das bisweilen äußerst brutale Vorgehen gegen die "Swing-Cliquen" seitens der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und überzeugter Anhänger der HJ wurden Teile der "Swingjugend ab 1940 politisiert.
Das Deutsche Historische Museum zitiert auch einen amtlichen Brief, in dem es hieß:
Sofortaktion gegen Swing-Jugend
Der englische Schlager »We will hang our washing on the Siegfriedline", Aufnahmen der Kapelle NAT GONELLA, die krassesten Erzeugnisse der hot-Musik werden von diesen Swing-Kreisen in bewußter Auflehnung gegen das Verbot dieser Werke propagiert. Angehörige dieser Kreise haben einen IHC (Internationalen Hot Club) gebildet, bedienen sich untereinander englischer Begrüßungsformeln und haben sich englische Namen zugelegt. Durch Gespräche, Urteile über führende Persönlichkeiten Deutschlands und Flugblätter ist die staatsfeindliche Einstellung dieser Kreise festgestellt.
Es handelt sich hier z. T. um degenerierte und kriminell veranlagte, auch mischblütige Jugendliche, die sich zu Cliquen, bzw. musikalischen Gangster-Banden zusammengeschlossen haben und die gesund empfindende Bevölkerung durch die Art ihres Auftretens und die Würdelosigkeit ihrer musikalischen Exzesse terrorisieren.
Es erscheint dringend notwendig, die Anführer dieser Kreise, die dem SD und der Gestapo bekannt sind, auszuheben und das bisher sichergestellte Material unerwünschter Schallplatten zu beschlagnahmen, um eine weitere Verbreitung der Swing- und Hot-Seuche in Hamburg und über Hamburg hinaus zu verhindern und ihren schädigenden Einfluß auf andere Jugendliche zu unterbinden.
Der Landesjugendring Hamburg kündigt eine Stadtrundfahrt (nächster Termin 12.3.2000 !) so an:
"Mit den heutigen Tag spreche ich ein endgültiges Verbot des Niggerjazz für den gesamten deutschen Rundfunk aus." Mit diesen Worten leitete EUGEN HADAMOVSKY, Leiter der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, am 12.10.1935 ein Verbot für alle Jazz- und Swingtitel ein.
Eine Mißachtung des Verbots hatte ernste Konsequenzen. Die Jazz- und Swingfreunde ließen sich dennoch nicht von ihrer Leidenschaft abhalten. Den Nationalsozialisten war die anglophile Einstellung der "Swing-Heinis" und "Swing-Babes" suspekt. Männer mit schulterlangen Haaren, geschminkte Frauen, die rauchten und Hosen trugen - das paßte nicht in das nationalsozialistische Weltbild. Die "Swing-Kids" feierten lieber ausgelassen den Geburtstag von WINSTON CHURCHILL, als am "Führergeburtstag" strammzustehen. Die Jugendlichen wollten von Teddy Stauffer angeführt werden, nicht mit Marschmusik, sondern mit Hot. Den Personenkult der Nationalsozialisten karikierten sie, indem sie einen erfundenen "Reichsstatistenführer" mit Pomp und Klamauk am Hauptbahnhof empfingen. "Aus uns macht man keine Soldaten, denn unsere Hymne ist der Tiger-Rag", sangen sie und lehnten den Krieg ab.
Für die Swing-Jugendlichen stand meistens der Spaß im Vordergrund; die Nationalsozialisten hingegen griffen hart durch: HJ-Streifen machten Jagd auf "Hosenweiber" und "Langhaarige". Die Folgen einer Verhaftung waren hart, sie reichten vom Wochenendkarzer bis zur Einweisung in ein Jugendkonzentrationslager.
Die Frankfurter Rundschau vom 09.03.2000 erinnert an ein Mitglied der Swingjugend, das auch heute noch mit Swingmusik zu tun hat:
Zur Person: GÜNTER DISCHER
Der Hamburger "Swing Boy", der für seine Mitgliedschaft in der Swingjugend von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager gesteckt worden war, bekommt vom Senat seiner Heimatstadt eine große Ehrung: Die Landesregierung beschloss am Mittwoch, dem 74-Jährigen die Biermann-Ratjen-Medaille zu verleihen. Mit dieser nach einem früheren Senator benannten Ehrung werden Bürger ausgezeichnet, die sich um die Kultur in Hamburg verdient gemacht haben. "Swing Boy" DISCHER ist begeisterter Jazz-Fan und hat auch unter der NS-Diktatur der als "Negermusik" verfemten Stilrichtung die Treue gehalten. Die Nazis verboten das Swingtanzen. Die Hamburger Swingjugend tanzte trotzdem weiter. DISCHER handelte mit Swingplatten und wurde 1942 in das KZ Moringen gesteckt. Noch heute legt DISCHER in einem Lokal im Stadtteil Eimsbüttel regelmäßig Swing auf, die Veranstaltungen sind immer überfüllt. (ap)
Bei Ceraton ist eine von GÜNTER DISCHER zusammengestellte CD erschienen Budenzauber Auch der Film "Swing Gegen Die Nazi's" von KEES WOUTERS & ARNOLD VOGEL behandelt die Hamburger Swingjugend, ob dokumentarisch oder fiktional habe ich nicht klären können. |
http://www.ceraton.de/gfx/cover/ct8062.jpg |
Weitere Links:
Hintergrundmusik: http://galent.com/camelot/music/bigband/lbrwnjug.mid (LittleBrownJug 65K)
Nächste Woche werde ich eine Organisation jener Zeit behandeln.
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