Gettysburg
Vernichtungskrieg
Oranier
viele halten den 9.11. für ein bedeutendes Datum, weil in der deutschen Geschichte manches passiert ist, was als schrecklich empfunden wurde:
Für mich ist der 19.11. historisch ähnlich bedeutend.
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Mehr will ich ohnehin nicht auf diesen Zufällen herumreiten, sonst hält man mich vielleicht noch für religiös, obwohl mir mystisches Denken fremd ist.
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So fiel mir dieses Datum gleich auf, als ich Informationen über den amerikanischen Bürgerkrieg las. Am 19.11. jährt sich nämlich LINCOLNS Gettysburger Rede von 1863.
50 Meilen nördlich von Baltimore gelegen, war die Kleinstadt Gettysburg, Pennsylvania das Gelände der größten und blutigsten Schlacht den Bürgerkriegs. Die begann am 1. Juli 1863 und endete zwei Tage später mit dem Sieg der Unionstruppen über die Armee des Potomac. Damit warf sie die zweite und letzte bedeutende Invasion des Nordens durch General ROBERT E. LEEs Armee von Northern Virginia zurück. Über 51000 Soldaten wurden getötet, verwundet oder gefangen. Es war ein Wendepunkt. Weiter haben es die Konföderierten weder vorher noch nachher gebracht.
Ich empfehle dazu fünf Adressen. Den Text der Ansprache findet man in vielen, auch exotischen Sprachen in einem Buch des US-Kongresses, das hier abgebildet (als Textdatei wäre es nicht möglich) ist.
The Gettysburg Address Delivered at Gettysburg on November 19, 1863
The Battle of Gettysburg - Anniversary
The Unofficial Visitors Guide to Gettysburg is a complete visitors guide to the Gettysburg battlefield featuring hundreds of photos of the Gettysburg battlefield, battle diaries and links to ...
ist besonders umfangreich. Insbesondere bieten die vielen Bilder (über 100 Battlefield Views, 12 Seiten Battlefield Monuments mit mehreren Bildern) mehr Eindrücke gegenüber anderen (National Park Service).
Gettysburg - The Turning Point in the Civil War ist etwas unübersichtlich und vor allem wegen der Biographien beteiligter Soldaten interessant. Muß man aber nicht gesehen haben.
Battle of Gettysburg The site is a comprehensive study of the Battle of Gettysburg
Schon Anfang des Jahres habe ich mir ein wunderbares Buch gekauft:
Für nur ~ 50 DM bietet es auf 700 Seiten im Format DIN A 4 eine hervorragende Auswahl von Fotografien und Aufsätzen - soweit ich das bisher sagen kann, denn ich habe erst 150 Seiten gelesen. Meist kam mir etwas anderes dazwischen und das Buch ist zu schwer und zu unhandlich, um zu Behörden und Ärzten mitgenommen zu werden. Das trifft sich aber gut, denn gerade jetzt las ich etwas über den amerikanischen Bürgerkrieg:
Die American Photographical Society beschloß im Juni 1861, Verhandlungen mit dem Kriegsministerium aufzunehmen, um den Fotografen die Möglichkeit zu geben, offiziell zwischen den Fronten als militärische Bildberichterstatter zu agieren. Im September desselben Jahres berichtete der Präsident der Gesellschaft, JOHN. W. DRAPER, von den erfolglosen Bemühungen. Dessenungeachtet hatte BRADY sich schon für die erste große Schlacht von Bull Run, am 21. Juli 1861 in Virginia, mit zwei fotografischen Wagen ausgerüstet. Wenngleich das Ministerium kaum Interesse zeigte, erhielt BRADY die notwendigen Papiere und berichtete gemeinsam mit einem Zeitungsredakteur und einem Zeichner... "BRADY stellt nie etwas falsch dar", hieß es im Vergleich zu den Berichterstattungen der Zeitungen. Zwischen Januar und April 1862 bildete BRADY mehr als zehn Fotografen aus... [und] verfügte über 35 verschiedene operationelle Zentren mit zeitweilig mehr als 20 Fotografen, deren Logistik er zu koordinieren hatte ...
Fotografien des unmittelbaren Kriegsgeschehens gab es wenige, aber BRADY und seine Fotografen waren bei sämtlichen großen Konfrontationen (Fredericksburg und Antietam 1862, Gettysburg 1863, Petersburg 1864) präsent; fast alle Aufnahmen zeigen die Stätten vor oder nach der kriegerischen Verwüstung. Eine minutiöse Studie der Fotografien von Gettysburg hat ergeben, daß einige der Bilder gestellt waren und sogar noch Jahre später nachgestellt worden sind, wobei auch Assistenten von BRADY die Rolle gefallener Soldaten einnehmen mußten und so als revenants an verschiedenen Orten präsent waren. 29)
29) Vgl. W. A. FRASSANITO: Gettysburg. A Journey in Time. New York 1975,
ders.: Antietam. The Photographic Legacy of America's Bloodiest Day.
New York 1978
HUBERTUS VON AMELUNXEN: Das Memorial des Jahrhunderts. Fotografie und Ereignis.
In: Neue Geschichte der Fotografie, S. 130 - 147, hier S. 144 f
Diese berühmte Rede, die nicht nur in den USA sehr bekannt ist, bot sich geradezu an, als PETER NORVIG, genervt von den vereinfachenden Powerpoint-Präsentationen, die er schon zu sehen bekommen hatte, demonstrieren wollte, wie mit diesen eine große rethorische Leistung zu banalen Aufzählungen und Diagrammen verkommt. Dazu bediente er sich des Auto-Inhalts-Assistenten und der "Company Meeting (Online)"-Vorlage.
Erst läßt er LINCOLN auftreten und reden wie GEORGE W. BUSH in den ersten Tagen der Katrina-Hurrican-Katastrophe (die er noch nicht kennen konnte):
Und dann folgen sechs Folien, eine komischer als die andere.
Aus
macht er dieses Diagramm (das Masterlayout der Folie habe ich weitgehend abgeschnitten) und gibt ihm die (von Powerpoint vorgeschlagene) Überschrift "Organizational Overview". NORVIG hatte sich schon gedacht, daß diese Stelle besonders originell wird und hat auch deshalb diese Rede und nicht die "I have a dream"-Rede von MARTIN LUTHER KING genommen (die außerdem länger war). Die y-Achse ist natürlich automatisch skaliert. |
Das ist nicht nur witzig, sondern auch ernst. Wer immer in "Meetings" solche Präsentationen sieht (früher mit Overheadprojektor), begreift u.U. nicht die Tragweite des Dargebrachten. RUTH MARCUS hat das in der Washington Post vom 30.8.2005 unter der Überschrift "PowerPoint: Killer App?" begründet:
PowerPoint's failings have been outlined most vividly by Yale political scientist EDWARD TUFTE a specialist in the visual display of information... Exhibit A in TUFTE's analysis is a PowerPoint slide presented to NASA senior managers in January 2003, while the space shuttle Columbia was in the air and the agency was weighing the risk posed by tile damage on the shuttle wings. Key information was so buried and condensed in the rigid PowerPoint format as to be useless...
the Columbia Accident Investigation Board ... devoted a full page of its 2003 report to the issue, criticizing a space agency culture in which, it said, "the endemic use of PowerPoint" substituted for rigorous technical analysis.
Nachtrag 2010
Zu dieser Folie mit dem Titel "Afghan stability COIN dynamics" meinte US-General STANLEY MCCHRYSTAL "When we understand that slide we have won the war."
Weitere Links
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Ich empfahl in Tipp 34/1999 die inzwischen noch heftiger umstrittene Ausstellung "Vernichtungskrieg. Die Verbrechen der Wehrmacht". Nun schaun wir mal, was es dazu Neues gibt.
Zwei Zeitschriften, die beide nicht im Internet nachgelesen werden können, haben der Diskussion über die Bilder dieser Ausstellung mit wissenschaftlichen Argumenten neuen Auftrieb gegeben.
In Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 10/1999 waren es 2 Beiträge (aus dem Inhaltsverzeichnis, das die Uni München veröffentlichte)
KRISZTIÁN UNGVÁRY
Echte Bilder - problematische Aussagen
Eine quantitative und qualitative Analyse des Bildmaterials der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944"
(GWU 50, 1999, S. 584-595)
Der Beitrag analysiert den Bildgebrauch in der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944". Viele der dort präsentierten vermeintlichen Wehrmachtsverbrechen sind von ungarischen, finnischen und kroatischen Soldaten oder Angehörigen der SS und des SD begangen worden. Bilder werden in falsche Sachzusammenhänge eingeordnet, willkürlich zusammengestellt oder getrennt. Die Angaben, die in den Begleittexten über die dargestellten Ereignisse gemacht werden, sind unzureichend und teilweise unrichtig. Eine statistische Auswertung der ausgestellten Bilder nach Bildinhalten zeigt, daß nur ein sehr geringer Teil tatsächlich Verbrechen der Wehrmacht dokumentiert.
DIETER SCHMIDT-NEUHAUS
Die Tarnopol-Stellwand der Wanderausstellung
"Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944"
Eine Falluntersuchung zur Verwendung von Bildquellen
(GWU 50, 596-603)
Fotografien werden vom Betrachter als objektiv dargestellte Quellen angesehen, ihnen wird leicht eine höhere Authentizität unterstellt als anderen historischen Quellen. Bilder können jedoch erst in Verbindung mit anderen Beweismitteln eine Beweisfunktion erfüllen oder einen behaupteten Sachverhalt illustrieren. Der Beitrag weist nach, daß trotz gesicherter Provenienz und bei korrekter Weiterverwertung, also ohne Manipulation der Bilder, neben der Quellenkritik auch die Sachkritik, eine kritische Beurteilung der einzelnen Fotos und aller Umstände zur Zeit ihrer Entstehung, unentbehrlich ist.
Die Ausbeute ist ansonsten spärlich. Die Vierteljahreshefte zur Zeitgeschichte habe ich nicht mal als Inhaltsverzeichnis gefunden. Ein Besuch in einer öffentlichen Bibliothek dürfte mehr bringen und billiger sein. Immerhin gibt es ein paar Pressemeldungen:
Wehrmachtsausstellung vorübergehend geschlossen
"Die Wucht der Bilder". Der Sozialwissenschaftler JAN PHILIPP REEMTSMA über die Gründe für das Publikumsinteresse an der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", über produktive Mißverständnisse und die Beweiskraft von Fotos für die Geschichtsschreibung
Wehrmachtsausstellung in der Historikerkritik
Der blöde Focus hat eine überzüchtete Suchmaschine, die bei "Vernichtungskrieg" antwortete:
Die Ausstellung hat nun eine gut gemachte Fan-Site des Leistungskurs Gemeinschaftskunde (II Sem.) am Christianeum in Hamburg. Da hat das Hamburger Institut für Sozialforschung wohl gepennt, als es sich diese URL nicht reservierte.
Die SchülerInnen gehen durchaus in die Tiefe (bis hin z.B. zu den Kasernennamen).
Von Ihrer Linkseite aus habe ich z.B. die Diskussion in Österreich über die Ausstellung kennengelernt. Man muß beim österreichischen Parlament nur noch das Suchwort "Vernichtungskrieg" eingeben und schon hat man viele Dokumente zur Auswahl. Das Gästebuch bestätigt meine Entscheidung, auf meiner Homepage kein Gästebuch anzubieten.
Das HIS hat inzwischen Fehler eingeräumt und zu einer Veranstaltung eingeladen.
Vieles, was ich finde, ist zufällig (macht aber auch Spaß), diesmal z.B. eine Bundeswehr-Pressemappe von 1997 zur Tradition der Bundeswehr
Ebenfalls von 1997 ist "Wehrmacht, Wehrmacht über alles... Eine Ausstellung und ihre polarisierende Wirkung. von HERMANN VINKE, ein Radio-Bremen-Feature (nebenbei: Der reiche WDR kann sich daran ein Beispiel nehmen. Da sucht man vollständige Feature-Skripte vergeblich.)
Der Verein für Friedenspädagogik hat einen Unterrichtsentwurf von GOTTFRIED KÖSSLER zum Thema "Die Ausstellung >Vernichtungskrieg Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944< und ihre Einbindung in den Unterricht" veröffentlicht.
Übrigens ist diese Homepage auch noch für andere Entdeckungen gut, z.B. über die "Frauenfriedensbewegung von 1899 bis 1933" von UTE KÄTZEL
Im Recht-und-Praxis-Archiv ist die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde von HANNES HEER gegen eine Focus-Darstellung dokumentiert:
Worum es damals ging, dokumentiert "Die konservative Informationsbasis im Internet". Die aktuelle Kontroverse vermisse ich dort.
Ein Interview mit HANNES HEER zur inzwischen längst beendeten Ausstellung http://www.sz-newsline.de/serien wehr3.htm in der Saarbrücker Zeitung ist Teil einer Serie (die Zahl 3 im URL durch andere bis 19 einschließlich ersetzen), aber nicht mehr aktuell .
Dank der Suchmaschine Google weiß ich jetzt auch, daß das Wort "Vernichtungskrieg" auch im Kommunistischen Manifest auftaucht:
Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern (17) der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg (18) scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung (19) der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse.; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen.
- Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter (20) Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.
Diese These fotografierte ich in der Humboldt-Universität in Ostberlin
Onder den Oranje Boom |
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Zufällig bemerkte ich eben beim Blättern im Museumsjournal III, 13. Jg, Juli 1999 des Museumspädagogischen Dienstes Berlin, S. 72-75, daß die Ausstellung
in Oranienburg am Sonntag zu Ende gegangen ist. Ihr könnt sie noch vom 16.12.1999 bis zum 20.3.2000 in Apeldoorn besichtigen. Der Katalog (zwei Bände im Schuber) hätte in der Ausstellung 89 DM gekostet.
Leider habe ich versäumt, Euch darauf hinzuweisen, denn auf dem Papier ist das eine tolle Ausstellung, allerdings war ich nicht begeistert, als ich sie am 7.5. im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld, ihrer ersten Station, besucht habe. Die Erinnerung hatte ich verdrängt, allerding kann ich auf damalige Notizen zurückgreifen.
Die Krefelder Ausstellung mag recht informativ sein, aber nur mit dem Katalog hat man ungeteilte Freude, was beim Besuch der Ausstellung nicht garantiert ist. Eine Frau SCHUMACHER kommandierte Besucher und eine ganze Besuchergruppe in unverschämtem Ton herum. Mich machte sie an, weil ich eine Vitrine berührt hatte. So war ich zu sportlichen Verrenkungen gezwungen, denn die Schriftgröße des Exponats in Verbindung mit dem Abstand zwischen der Vitrine und meinem Kopf, wenn ich stehe, erlaubten keine nähere Befassung. Beugte ich mich vor, drohte ich vornüber zu kippen, durfte mich aber nicht festhalten und mußte deshalb den Hintern rausrecken.
Normalerweise reibe ich Vitrinen mit meinem Taschentuch ab, wenn ich Abdrücke hinterlassen habe. Ich möchte als Besucher keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Im Kaiser Wilhelm Museum wurde mir das schwer gemacht. Eine andere Aufpasserin verbot mir, Notizen mit einem Kugelschreiber zu machen. Das sei dort verboten. Ich wies darauf hin, daß ich keinesfalls beabsichtigte, die Wände zu bekritzeln. Auch der bestimmungsgemäße Gebrauch von Kugelschreibern ist aber verboten. Immerhin bemühte sich die Person, die dieses Verbot durchzusetzen beauftragt war, um Freundlichkeit, so daß ich auch deeskalierte und mir einen Bleistift meines Freundes lieh. Der erzählte, auch im Ruhrlandmuseum sei der Gebrauch von Kugelschreibern verboten. Das probiere ich aus.
Vielleicht sollte man am Eingang die BesucherInnen nach Kugelschreibern filzen, wie man es bei Waffen an der Columbine High School unterlassen hat.
GERARD VAN HONTHORST: GRANIDA und DAIPHILO - 1625 Utrecht Centraal Museum
An diesem Bild ist die realistische Darstellung (schmutzige Füße) bemerkenswert.
Eine Führerin raste durch die Ausstellung, so daß sogar eine andere Gruppe überholt werden konnte. Zu Venus und Mars meinte sie, durch die sexuelle Annäherung zwischen Göttin der Liebe und Gott des Krieges würde der Frieden einkehren. Ich äußerte Zweifel an dieser mythologischen Deutung und verwies auf ein Interview mit JENS WIEDNER in der FR zur Unterstützung meiner provokanten These, Frauen begehrten brutale Männer.
Am 6.5.1999 erschien in der Frankfurter Rundschau dieses Interview mit einem Psychologen, der aggressiven Jungverbrechern beizubringen versucht, nicht gleich auszurasten. Er berichtete:
Ich habe nur wenige Schläger kennengelernt, die sich ändern wollen, und die waren älter als 20. Wir wollen früher eingreifen, das geht zunächst nur mit Druck: Training oder Knast. Training oder Schulverweis. Der Job des Psychologen ist es dann, innerhalb der ersten zwei Monate des Trainings die sekundäre Druckmotivation in echtes Interesse zu verwandeln. Das ist die Herausforderung. Denn warum sollten Schläger sich freiwillig ändern? Das gilt doch als attraktiv bei den Kumpels und auch bei Frauen. Wenn wir Fernsehsendungen mit Schlägern machen, kriegen die reichlich Liebesbriefe. Ich selbst kriege höchstens mal einen nach fünf Sendungen.
Worin besteht diese gewaltige Attraktivität?
Diese Gewalttäter sind körpersprachlich total fit. Die gehen auf Sie zu: Selbstbewußt, Brust raus, breitbeinig, penisbetont. Sie haben was Archaisches. Die Jungs wissen das und kokettieren damit. Verbal allerdings sind sie die totalen Loser. Tritt man ihnen zu nahe, können sie ein unglaubliches Beleidigungs-Repertoire abspulen - das dauert etwa 180 Sekunden. Läßt man dann nicht locker, beginnen sie von vorne. Beleidigen, zuschlagen oder abhauen. Ganze drei Konflikt-Mechanismen haben sie für eine komplexe Industriegesellschaft.
Jetzt weiß ich, warum ich keine Liebesbriefe bekomme.
Das war übrigens auch der Grund, warum ich zum Kugelschreiber griff. Ich wollte den Namen der Führerin notieren, um ihr per e-Mail den URL des FR-Artikels zu schicken.
Nach der Führung sah ich mir die Ausstellung ein zweites mal in Ruhe an. Schön waren z.B. einige Modelle von Schlössern der Oranier Auch die Darstellung des Oranier-Einflusses auf Brandenburg-Preußen fesselte mich. Der preußische Drill stammt aus den Niederlanden. Auch die Flotte Brandenburgs wurde von Niederländern aufgebaut.
Mein Begleiter suchte erst mal das Café auf. Als ich fertig war, saß er aber vor dem Fernsehgerät und sah sich eine Dokumentation zur Ausstellung an. Deshalb setzte ich mich nun ins Café. Nach etwa einer Stunde machte ich mich auf die Suche, weil ich dachte, er sei vielleicht vor dem Bildschirm eingeschlafen (ist mir auch schon in solchen Situationen passiert). Aber er hatte schon lange draußen auf mich gewartet, ohne vorher nach mir zu suchen.
Mir reichten diese Erlebnisse. Nie wieder Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld.
Noch ein paar Zitate aus dem Faltblatt zur Ausstellung:
"Onder den Oranje Boom" ist der Titel einer großen internationalen kunst- und kulturgeschichtlichen Oranier--Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft Ihrer Majestät BEATRIX, Königin der Niederlande, und des Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Roman Herzog, steht. Sie findet als gemeinschaftliches Projekt der Niederlande, der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Brandenburg an den traditionsreichen Orten Krefeld, Oranienburg und Apeldoorn statt. Die Oranier-Ausstellung ist kulturell und touristisch eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres 1999, das bis in das neue Jahrtausend läuft. [Quatsch, nur bis nächstes Jahr] Die Ausstellung stellt nicht nur ein Kapitel deutsch-niederländischer Geschichte dar, sondern knüpft darüber hinaus ein Band der europäischen Zusammenarbeit. Präsentiert werden etwa 550 Exemplare aus 122 europäischen Sammlungen und Museen, darunter hauptsächlich Gemälde und Graphiken, Architekturzeichnungen und -modelle, Dokumente und Archivalien, Münzen und Medaillen, Kunsthandwerk und Skulpturen. Werke der vielgerühmten niederländischen und flämischen Kunst des Goldenen Jahrhunderts, die einst die Fürstenhöfe in Den Haag, Brandenburg und Dessau schmückten, werden nun in der Ausstellung zu sehen sein... Fürstlicher Kulturtransfer Die dem deutschen Grafengeschlecht Nassau entstammenden Oranier erbten das ihnen den Namen gebende südfranzösische Fürstentum Orange und verstreute Besitztümer in den Niederlanden, wodurch sie zu einer der mächtigsten Familien in Europa aufstiegen. Im 17. Jahrhundert unterhielten die Oranier zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zu deutschen Ländern. Die Verheiratung der vier Töchter des Prinzen FRIEDRICH HEINRICH von Oranien nach Brandenburg, Anhalt-Dessau, Nassau-Dietz und Pfalz-Simmern, die in den jeweiligen Ländern zur Gründung der Schlösser Oranienburg, Oranienbaum, Oranienstein und Oranienhof führte, knüpfte Beziehungen, die für die Entwicklung der Landes- und Hofkultur von erheblicher Bedeutung waren. Eng verbunden sind auch die drei Ausstellungsorte mit der Geschichte dieser familiären Verbindungen... |
JAN MIJTENS: Die vier Töchter des Statthalters FRIEDRICH HEINRICH von Oranien 1666 Dessau Anhaltinische Gemäldegalerie LIEVE VERSCHUIR: Die Kurbrandenburgische Flotte |
Die Ausstellung ist im Internet vertreten
Berichte darüber gibt es z.B. beim Tagesspiegel:
NICOLA KUHN berichtet unter dem Titel "Die tollkühnen Töchter einer Dynastie" vor allem über die Beziehungen zwischen Brandenburg und den Niederlanden.
Einen Beitrag von Deutsche-Welle-TV kann man mit dem Real-Player ansehen.
Offiziell ist der Brandenburger Text (andere Grafik der vier Töchter).
Hintergrundmusik: Wilhelmus (Niederländische Nationalhymne)
Diese Darstellung wurde mit TaBazar 1.3 erzeugt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler