In Paderborn findet zur Zeit (6. Dezember 2001 bis 28. April 2002) die Ausstellung Byzanz. Das Licht aus dem Osten statt. Auch wenn ich sie besucht habe, ist mir dieses Staatsgebilde doch fremd geblieben. Wahrscheinlich stehe ich damit nicht allein, denn "normale" HistorikerInnen haben Byzanz bisher weniger Beachtung geschenkt als KunsthisorikerInnen und PhilologInnen, jedenfalls im Vergleich mit Westeuropas mittelalterlicher Geschichte. Ein paar Daten und Fakten (Herrscher, Kriege, Grenzverschiebungen) sind nicht das Problem, Unbehagen bis Widerwillen erzeugt bei mir die religiöse Prägung dieses Staatswesens. Dennoch habe ich ein paar Informationen zusammengetragen, die unbefangeneren LeserInnen die Recherche erleichern mögen. |
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Festvortrag bei der Eröffnung der Ausstellung am 5. Dezember 2001 in der Aula der Kaiserpfalz Paderborn
von Prof. Dr. PETER SCHREINER, Universität zu Köln
Historische Jubiläen und historische Ausstellungen sind notwendiger und willkommener Anlass, innezuhalten und über Wendepunkte und Phänomene der Vergangenheit nachzudenken. Wenn aus gegebenem Anlass Byzanz im Mittelpunkt steht, so stellt sich nicht nur die Frage, was Byzanz heute, in unserer Zeit und Gesellschaft bedeutet, also gewissermaßen das "moderne" Byzanzbild, sondern zunächst und in aller Kürze, was Byzanz überhaupt bedeutet.
Byzanz, griechisch Byzantion (nach dem legendären Stadtgründer BYZAS des 7. Jhd. v. Chr.) ist der antike Name jener Stadt am Bosporos, die seit ihrer Neugründung durch KONSTANTIN d. Gr. (324) den Namen Konstantinopel trug und diesen bis ins Jahr 1930 behielt. Die Forschung hat, schon im 16. Jhd., diesen Namen übertragen auf das Reich, den Staat, dessen Hauptstadt Byzantion/Konstantinopel über mehr als tausend Jahre gewesen ist. Die Zeitgenossen selbst haben diesen Namen nur selten und in der gelehrten Literatur für ihre Hauptstadt verwandt und nie, wie wir heute, für den Staat, den sie immer als "Staat der Römer"(gr. kratos tõn Rõmaiõn) bezeichneten. Dieser Staat hatte eigentlich keinen Anfang. Er stellte als politisches Gebilde (freilich nur als dieses) das Imperium Romanum dar bis zur Eroberung durch die Osmanen 1453. Doch darin bestand nur der äußere, stark ideologisch geprägte Rahmen. Die Menschen hatten sich indes gewandelt und waren keine "Römer" mehr, was immer wir uns unter diesen vorstellen wollen. Sie hatten das Christentum angenommen, Kirchen und Klöster gegründet, die Stadtkultur aufgegeben und waren großenteils zu einem Volk mit überwiegender Agrarwirtschaft geworden. Es waren Lebensformen entstanden, die denen der feudalen Struktur des westlichen Mittelalters ähnelten. Beamtenapparat und Provinzgliederung hatten sich konkreten Forderungen angepasst, und das profane römische Zeremoniell des Kaiserhofes nimmt mehr und mehr christliche Elemente auf. Das byzantinische Reich war an seinem Ende vielfach zu dem geworden, was wir als mittelalterlichen Staat (im Gegensatz zum antiken und zum neuzeitlichen) bezeichnen, jedenfalls im äußeren Erscheinungsbild. Während aber die mittelalterlichen Staaten des Westens (und unter "Staat" verstehe ich hier einen ganzheitlichen Kulturbegriff) weiterlebten und sich verformten, so sehr, dass aus diesem Gegensatz heraus eigentlich erst ein Mittelalterbegriff entstehen konnte, war dies in Byzanz nicht der Fall.
Das Museum hatte bereits vor zwei Jahren die Karolinger zum Thema einer großen Ausstellung gemacht (vgl. Surftipp 34/1999) und will daran anknüpfen, indem nun Ostrom zum Thema gemacht wird. Das verstehe ich.
Alte Geschichte und doch hochaktuell
Für Museumschef CHRISTOPH STIEGEMANN ist die Byzanz-Ausstellung die konsequente Fortsetzung der großen Karolinger-Ausstellung, die 1999 in Paderborn zu sehen war. Vor zwei Jahren stand die Erneuerung des "Imperium Romanum" im Westen durch KARL den Großen im Vordergrund, jetzt geht es um die zeitgleiche Entwicklung im Osten. Dieser Einblick in die "andere" Kultur sei hochaktuell, so STIEGEMANN. Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Afghanistan sei das Interesse der Menschen nach einem "Dialog der Kulturen" stark gestiegen - und Byzanz biete ein hervorragendes Beispiel dafür. Schließlich habe das östliche Reich ein Jahrtausend lang zwischen dem antiken Erbe, dem Christentum und dem Islam existieren und vermitteln können.
Aber diese "Aktualität" scheint mir doch weit hergeholt.
Eine weitere Besprechung (mit mehreren Abbildungen) fand ich bei Magister STEPHAN M. ROTHER, Kulturhistoriker, Vortragskünstler und Autor des mittelalterlichen Mystery-Thrillers "Der Adler der Frühe", dem Initiator und Koordinator von Magister ROTHERs Mittelalter in Europa / Markgrafschaft Altamura, eines virtuellen mittelalterlichen Fürstentums unter der Herrschaft der Staufererbin BIANCA, übrigens der dritten, quasi halboffiziellen Gattin Kaiser FRIEDRICHs II., BIANCA aus der Familie der Markgrafen LANCIA, nachempfunden. Gibt es die als Kombi auch mit Dieselmotor?
Der Katalog ist wirklich zu empfehlen, ob die Informationen bei einer Führung länger haften bleiben, bezweifle ich jedoch. Der Katalog bietet zwar relativ wenige Aufsätze, aber die Erläuterungen zu den Exponaten sind umso ausführlicher.
Nicht nur mir ist Byzanz fern; Saarland online berichtet:
Trotz großer Ausstellungen in Paris, London und zuletzt in New York gibt es «keinen Bereich europäischer Geschichte, der dem Bewusstsein des Gebildeten so fern ist wie Byzanz», konstatierte schon der Romanist ERNST ROBERT CURTIUS. Die jüngste Ausstellung, die erstmals auch den Alltag der Oströmer mit Textilien, Öllämpchen, Keramiken, Münzen und Gewichten darstellt, könnte in Paderborn Abhilfe schaffen. Schließlich schufen hier - einmalig auf deutschem Boden - bereits 1017 «griechische Bauleute» im Schatten des Domes eine heute noch bestehende, bestechend schöne kuppelgewölbte Kapelle.
Im "Netz für Wissensweitergabe ist "Byzanz" übersichtlich gestaltet und mit Informationen über Westrom und spätere Entwicklungen verlinkt.
http://www.fordham.edu/halsall/maps/395eastemp.jpg
Mit diesem Faktenhintergrund könnt ihr an der Fordham Universität Die Homepage der Byzanzstudien im Internet aufsuchen. In der Einleitung werden auch die verschiedenen Ansätze der Wissenschaften vor allem zum Untergang Byzanz vorgestellt:
Das Internet Medieval Sourcebook (Selected Sources Byzantium) führt zu zahlreichen Quellentexten in englischer Übersetzung.
Aber auch zahlreiche Abbildungen sind online.
http://www.fordham.edu/halsall/maps/byzthemes.jpg
Die griechische Botschaft weist zu Recht darauf hin, daß Byzanz durch Westeuropa sehr gelitten hat, und daß dies nicht im öffentlichen Bewußtsein verankert ist:
Der diachrone Beitrag Griechenlands zur Bildung des europäischen Bewußtseins
Während im Westen Europas die eine ganze Sippe auslöschende Blutrache bis weit ins Mittelalter nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht war und das Gottesurteil (etwa durch die Feuerprobe) über Schuld oder Unschuld eines Verdächtigten entschied, führten die Byzantiner die Kodifizierung des gesamten älteren römischen Rechts durch, bauten öffentliche Bäder, Kanalisationen und Straßenbeleuchtungen, führten eine medizinische Versorgung ein und stellten einen professionellen Polizeiapparat auf. Um soziale Konflikte zu entschärfen, wurden in Byzanz Kranken-, Armen- und Waisenhäuser errichtet, eine Beamtenschaft kontrollierte im Handel Maße und Gewichte, Preise und Qualität der Waren und bestrafte konsequent jede Art von Steuerhinterziehung. Auch das Bankwesen war im byzantinischen Reich hochentwickelt: es kannte die Funktion von Dokumenten genauso gut wie die Geldüberweisung und die streng überwachte Rechnungsprüfung, die später den italienischen Städten als Vorbild dienten.
Der kultur-hegemonialen Ideologie des 'Abendlandes' ist es, mit anderen Worten, zu verdanken, dass das byzantinische Reich heute noch häufig als 'dekadent' stigmatisiert und die byzantinische Gesellschaft als 'orientalisch' apostrophiert wird, der es an 'Originalität und Schöpferkraft' mangelte, (Vgl. TOYNBEE, A.J., Constantine Porphyrogenitus and his World, London 1973.) obwohl die staatlichen Organisationsstrukturen des byzantinischen Reiches dem heutigen strukturellen Aufbau westeuropäischer Staaten weit näher standen als die feudalen Staatsformen im Westen Europas und deshalb viele in der italienischen Renaissance verwirklichten Konzepte ihre Wurzeln in Byzanz hatten.
Dieser Dominanz-Ideologie ist aber auch die historische Amnesie zuzuschreiben, mit deren Hilfe nicht nur verschwiegen wird, dass die Eroberung Konstantinopels durch die Ritter des vierten Kreuzzuges auf ihrem Weg nach Jerusalem im Jahre 1204 den Prozess des Untergangs des byzantinischen Reiches eingeleitet haben, sondern dass sie auch die Kunstschätze der Hauptstadt plünderten und ganze Bibliotheken verbrannten. Die geraubten Kulturschätze, die seitdem Paris, Turin oder Venedig schmücken, werden genauso als 'abendländische' Kunst perzipiert, wie auch die aus Konstantinopel geraubte 'Bronze-Quadriga', die heute noch das Hauptportal von San Marco in Venedig krönt. (Vgl. RUNCIMAN, ST., The Last Byzantine Renaissance, Cambridge 1970. Derslb., History of the Crusades, 3 vols., Cambridge 1951-1955.) Ebenfalls diesem Kulturchauvinismus im Westen Europas ist zu verdanken, dass heute noch übersehen wird, dass Byzanz - ähnlich wie das römische Reich zuvor - ein zwar multikulturelles und multinationales Imperium war, aber dennoch eindeutig unter dem geistig-kulturellen Einfluss des Griechischen stand. Deshalb konnte in Byzanz auch das Ordnungsprinzip der 'Polis' weiterbestehen, während im übrigen Westeuropa (außer in Italien) die antike Stadt- Kultur unterging.
Dass zwischen dem Imperium Romanum und dem Byzantinischen Reich eine historische Kontinuität besteht, ist längst unbestritten. Denn die weitgehende strukturelle Identität zwischen West-Rom und Byzanz kann in deren geistigen, kulturellen und soziopolitischen Systemen nachgewiesen werden. So waren die Rechtsprinzipien bzw. das Rechtssystem West-Roms beispielsweise mit dem des Byzantinischen identisch. Der Kodex Justinianus, der auf der gemeinsamen römischen Rechtstradition basierte, wurde von Byzanz übernommen, erweitert und ins Griechische übersetzt; er bildete somit jene normative Grundlage, auf der sich dann das Rechtssystem des lateinischen Mittelalters weiterentwickeln konnte. Die diachrone Kontinuität dieses Einflusses wurde nicht nur durch das Faktum ermöglicht, dass ab dem 11. Jahrhundert der Kodex Justinianus von der Rechtsschule Bologniens nach byzantinischen Kommentaren rezipiert wurde, sondern er wurde sogar gesichert und fortgesetzt, indem sich der napoleonische Kodex auf das römische Recht in justinianisch-byzantinischer Kodifizierung stützte. Zur Wahrung dieser Kontinuität hat außerdem beigetragen, dass die griechisch-byzantinische Version des Kodex Justinianus eine der wichtigsten Grundlagen für die Konzipierung des 'ius canonicum' der katholischen Kirche im 8. Jahrhundert war. Der griechisch- byzantinische strukturelle Einfluss auf das lateinische Mittelalter ist allerdings nicht nur im Bereich der Kirche evident (denn ohne Byzanz ist die gesamte Papstideologie West- Roms historisch überhaupt nicht denkbar), sondern er ist auch innerhalb der Konzeptualisierung politischer Ordnungsstrukturen feststellbar. Als bestes Beispiel hierfür kann die Reichsidee KARLs des Großen angeführt werden, die eindeutig die byzantinische Reichsstruktur widerspiegelt.(Vgl. TROJE, H.E., Europa und griechisches Recht, Frankfurt a.M. 1971;Derselbe ,Graeca leguntur, Köln-Wien 1971 PRINGSHEIM, F., Griechischer Einfluss auf das römische Recht , in: "Bolletino dell" Instituto di Diritto Romano, Vol. 63 Milano 1960; HASKINS, CH. H., Studies in the History of Mediaeval Science, Cambridge (Mass.) 19772.) Mit den ideologischen Inhalten einer konservativen Utopie des 'Abendlandes' geradezu kompatibel ist das Verschweigen des griechisch-byzantinischen Einflusses auch für jene kulturelle Bewegung in Europa, die den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit eingeleitet hat. Denn die Renaissance in Italien (Florenz und Venedig), die vor allem durch die Rückbesinnung auf Werte und Formen der griechisch-römischen Antike in Literatur, Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Architektur gekennzeichnet ist, wurde zweifelsohne auch durch das intensive Wirken der griechisch-byzantinischen Gelehrten und Intellektuellen (wie beispielsweise GEMISTOS PLYTHON, BESSARION, CHALKOKONDILES, CHRISOLORAS, ARGYROPOULOS) ausgelöst.(Vgl. DÖLLINGER, I. v., Einfluss der griechischen Literatur und kultur auf die abendländische Welt, Akademische Vorträge, t.l, Nördlingen 1888; EGGER, E., L´hellenisme en France, Paris 1869; EBERSOFT, J., Orient et Occident, Paris 19542.) ...
Virtuelle Rekonstruktionen aus der Zeit um 1200 zeigt Byzantium1200 von A. TAYFUN ÖNER. (Eine Übersicht über weitere virtuelle Rekonstruktionen findet ihr beim Historikernetzwerk)
http://www.byzantium1200.org/images/antiochos.jpg
Der Palast des ANTIOCHOS am Hippodrom
Das beeindruckendste Bauwerk Byzanz' ist die Hagia Sophia, die nach dem "Heiligen Geist" benannt ist. (Christen haben eine multiple Persönlichkeit als Gott, die sie "Dreifaltigkeit" nennen. Außer dem "Heiligen Geist" gehören noch Gottvater und Sohn JESUS CHRISTUS dazu.).
http://www.exploreistanbul.com/images/hagia/01.jpg
Auf der Homepage der "Ecumenical Patriarchate of Constantinople" heißt es über die Hagia Sophia:
The Church of Hagia Sophia, associated with one of the greatest creative ages of man, was also the Cathedral of the Ecumenical Patriarchate of Constantinople for more than one thousand years. Originally known as the Great Church, because of its large size in comparison with the other churches of the then Christian World, it was later given the name of Hagia Sophia, the Holy Wisdom of Christ, the second person of the Holy Trinity.
JUSTINIAN conceived the grandiose project of rebuilding the Great Church from its foundations. Nothing like it was ever built before or after. Construction work lasted five years [532-537] and on December 27, 537, Patriarch MENAS consecrated the magnificent church.
The new Hagia Sophia belongs to the transitional type of the domed Basilica. Its most remarkable feature is the huge dome supported by four massive piers, each measuring approximately 100 square, m, at the base. Four arches swing across, linked by four pendentives. The apices of the arches and the pendentives support the circular base from which rises the main dome, pierced by forty single-arched windows. Beams of light stream through the windows and illuminate the interior, decomposing the masses and creating an impression of infinite space. Twelve large windows in two rows, seven in the lower and five in the upper, pierce the tympana of the north and south arches above the arched colonnades of the aisles and galleries.
The thrust of the dome is countered by the two half-domes opening east and west, the smaller conchs of the bays at the four corners of the nave, and the massive outside buttresses to the north and south. The esonarthex and exonarthex, to the west, are both roofed by cross vaults. Two roofed cochliae [inclined ramps], north and south of the esonarthex, lead up to the galleries. The vast rectangular atrium extending west of the exonarthex had a peristyle along its four sides. At the center stood the phiale [fountain of purification] with the well known inscription that could be read from left to right and from right to left: "Cleanse our sins, not only our face"...
The records list a total of 600 persons assigned to serve in Hagia Sophia: 80 priests, 150 deacons, 40 deaconesses, 60 subdeacons, 160 readers, 25 chanters, 75 doorkeepers.
Das Gebäude ist seit 1935 Museum. Focus on Hagia Sophia zeigt Fotos und Pläne und informiert über die Geschichte
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http://www.focusmm.com/civilization/hagia/hagia_03.jpg |
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