Einheitsbestrebungen von SozialdemokratInnen
kommunistische und sowjetische Einheitsbestrebungen
Kurt Schumacher und die SPD-Gründung in Wenningsen
20./21.12.1945: Sechziger-Konferenz
wachsender Druck Anfang 1946
Der Tagesspiegel
31.3.1946: Urabstimmung der SPD
21./22.4.1946: Vereinigungsparteitag im Admiralspalast
Verfolgung von SozialdemokratInnen
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Literatur
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Daß es heute weniger bedeutende Parteien in Deutschland gibt als in der Weimarer Republik, zeichnete sich schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ab, als früher immer getrennte Gruppierungen zusammenfanden. So ist die CDU nicht bloß Nachfolgerin der Zentrumspartei, da sie auch Protestanten vertritt. Auch Nationalliberale und Freisinnige versuchten miteinander auszukommen (auf Kosten der Linksliberalen, wie spätestens seit 1982 klar sein müßte).
Bei der SPD, die sich erst beim Ersten Weltkrieg vor allem in (Rest-)SPD, USPD und KPD (Vorläufer Spartakusbund) gespalten hatte, wäre eine Wiedervereinigung dagegen bloß eine Rückkehr zu früheren Zuständen und kein Darüber-hinaus-Wachsen. Zumindest das müßte doch möglich sein, dachten damals viele. Dieser Wunsch wurde genährt aus der gemeinsamen Erfahrung der Verfolgung im Dritten Reich. Die gewünschte Einheit zu verwirklichen, behauptete die vor 55 Jahren, am 21./22. April 1946 gegründete SED von sich. Obwohl diese Partei sich auch rühmen ließ, daß sie immer Recht habe, zeigt eine genauere Betrachtung (die freilich nur mit Texten aus dem Internet kaum möglich ist), daß es nicht zur Gründung der SED gekommen wäre, hätten sich SPD und KPD gleichzeitig frei dafür entscheiden müssen. Erst wollten SozialdemokratInnen, aber KommunistInnen nicht, dann umgekehrt.
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Das Manifest der demokratischen Sozialisten des Lagers Buchenwald vom 13.4.1945 verlangte die Einheit:
Verfasser des Manifests, das die Kommunisten aber nicht unterschrieben, war HERMANN BRILL, den die US-Besatzungsmacht zum Ministerpräsidenten von Thüringen machte. Er gründete dort nicht die SPD, sondern den "Bund demokratischer Sozialisten". Die KPD lehnte aber seine Bemühungen um die "völlige Verschmelzung der sozialistischen Arbeiterbewegung" ab, und behauptete, "die Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei sei nicht die primäre Aufgabe". Nachdem Thüringen zur sowjetischen Besatzungszone gekommen war (und im Gegenzug in Westberlin Sektoren für die anderen Besatzungsmächte entstanden waren), setzten die Sowjets BRILL am 16.7.1945 als Ministerpräsidenten ab. Er verfolgte mit einem neuen Vorschlag weiter das Ziel einer einheitlichen Arbeiterpartei. Diesmal sollten nicht Einzelpersonen der neuen Partei beitreten, sondern Organisationen wie Gewerkschaften, aber auch SPD und KPD. (vgl. GRUNER/WILKE, S. 22-25).
Zeitzeuge HERMANN KREUTZER, bis April 1946 Orts- und Kreisvorstandsmitglied der SPD in Saalfeld, sowie assoziierter Jugendvertreter im Thüringer Landesvorstand der SPD, erinnert sich:
Anfang November 1945, zum gleichen Zeitpunkt, als die KPD die Feierlichkeiten zum 9. November als Auftakt der Vereinigungskampagne benutzte, gab der Landesvorsitzende der Thüringer SPD, der ehemalige Reichstagsabgeordnete und langjährige Häftling im KZ Buchenwald, HERMANN LUDWIG BRILL, ein Rundschreiben an die SPD-Kreisverbände in Thüringen heraus, in dem er die Politik der KPD kritisierte und deren wahren Absichten aufdeckte. BRILL schrieb:
"Die Einheitsfronttaktik der KPD hat immer den Zweck gehabt, die SPD zu zerstören, die KPD zur alleinherrschenden Partei der Arbeiterklasse zu machen und darüber hinaus für den Staat das Einpartei-System herbeizuführen."
Wenige Tage darauf kam der kommunistische Funktionär OTTO BELLMANN aus Saalfeld zu uns und berichtete uns, daß er auf einer vertraulichen Sitzung des Landesvorstandes der KPD erfahren habe, der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende HEINRICH HOFFMANN habe das Rundschreiben von BRILL dem Chef der sowjetischen Militäradministration in Thüringen, General KOLESNITSCHENKO und dem Landesvorsitzenden der KPD, Werner Eggerath, übergeben. Im Landesvorstand der KPD sei man sich daraufhin einig gewesen, KOLESNITSCHENKO die Ablösung BRILLs als Landesvorsitzenden der SPD zu empfehlen und an dessen Stelle HOFFMANN einzusetzen. So geschah es. BRILL erhielt von mehreren Seiten Warnungen, daß seine Verhaftung bevorstünde. Er flüchtete nach West-Berlin. HEINRICH HOFFMANN, einer der aktivsten Befürworter der Vereinigung von SPD und KPD, wurde amtierender Landesvorsitzender.
Auch KREUTZER verließ die SBZ.
Die SPD behauptet auf ihrer Homepage:
Wie das der KPD gelungen ist, wird leider nicht geschildert. Die SPD verrät generell wenig über ihre Geschichte, nicht mal über die Höhepunkte, wie mir schon in Surftipp 5/2001 im Zusammenhang mit der gemeinsamen Erklärung von SPD und SED über den Streit der Ideologien aufgefallen ist. Dann muß ich es wohl wieder übernehmen.
SPD-Gliederungen (aus Wennigsen oder der Oberpfalz) sind informativer, aber auch die aus Empörung über die Ostpolitik aus der SPD ausgetretenen ehemaligen SozialdemokratInnen des "Kurt-Schumacher-Kreises", die heute unter www.konservativ.de publizieren:
Bereits vor der Zulassung von Parteien in der SBZ, noch vor Erlaß des Befehls Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 10. Juni 1945, wandten sich Vertreter des späteren Zentralausschusses (ZA) der SPD in Mitteldeutschland, unter anderem MAX FECHNER, OTTO GROTEWOHL und ERICH W. GNIFFKE, mehrmals an führende KPD-Funktionäre wie WILHELM PIECK und WALTER ULBRICHT, um gemeinsame Besprechungen über die Bildung einer einheitlichen Arbeiterpartei zu führen. Der spätere SPD-Spitzenfunktionär und einer der eifrigsten Apologeten der Vereinigung der SPD mit der KPD, MAX FECHNER hatte bereits am 28. April 1945, kurz nach dem Eintreffen der "Gruppe Ulbricht" aus Moskau, und noch vor Beendigung des Krieges, an den "werten Genossen Ulbricht" unter anderem geschrieben:
"Wie ich von einigen politischen Freunden hörte, bist Du mit der siegreichen Roten Armee wieder in der Heimat angekommen und hast, wenn ich richtig informiert bin, sofort die politische Arbeit aufgenommen. Ich hätte gern mit Dir darüber gesprochen, wie es möglich wäre, endlich die so ersehnte Einheitsorganisation der deutschen Arbeiterklasse zu schaffen. Meine politischen Freunde und ich stehen auf dem Standpunkt, daß bei der ersten Möglichkeit, sich wieder politisch betätigen zu können, über alle Vergangenheit hinweg der neu zu beschreitende Weg ein gemeinsamer sein muß zwischen KPD und SPD..."
(Der Brief wurde von OTTO GROTEWOHL auf der 1. "Sechziger-Konferenz" von SPD und KPD am 20./21.12.1945, verlesen. Siehe GRUNER/WILKE, S. 68 f.)
Über die Gründe von Sozialdemokraten, die die Zusammenarbeit mit Kommunisten suchten, gibt es verschiedene Theorien.
Zum Verständnis des späteren Geschehens in Berlin reicht es nicht aus, die »Einheitsparole« entweder als rationales Produkt der Vergangenheitsbewältigung oder als eine aus dem zwölfjährigen »Ohnmachtserlebnis« entstandene und zur ideologischen Maxime geronnene irrationale Sehnsucht zu begreifen. Der Funktion der »Einheitsparole« muß ausreichend Rechnung getragen werden; denn 1945 wurde in Berlin die Einheit als eine Chance angesehen, die Ohnmacht zu überwinden, die unerwartet in der neuen Besatzungssituation weiter bestand, als profilierte Sozialdemokraten trotz hoher Mitgestaltungsansprüche zunachst von den Sowjets und der Ulbricht-Gruppe auf ein politisches Abstellgleis geschoben wurden. Hinzu kommt, daß das Bekenntnis des ZA zur organisatorischen Einheit nicht die Summe individueller Meinungen, sondern das Ergebnis eines gruppendynamischen Prozesses der Einstellungsbildung war, der sich in einer bestimmten machtpolitischen Situation unter Menschen vollzog, die tradierte Vorstellungen, Ansprüche und Wertungskriterien teilten.
... Dies begann bereits Anfang Mai, als FECHNER vergeblich versuchte, mit ULBRICHT Kontakt aufzunehmen... Erwogen wurde, ob die Entstehung der KPD als Kaderpartei durch die gemeinsame Gründung einer Massenpartei zu verhindern sei, in der Kommunisten »mit aufgefangen werden« und in der später, unter Einbeziehung westlicher Besatzungsgebiete, ein großes sozialdemokratisches Ubergewicht den Ausschlag geben könne.
HURWITZ, Bd. 4a, S. 147
Parteien konnten schon früh gegründet werden, weil schon Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) am 10. Juni 1945 die Neubildung demokratisch-antifaschistischer Parteien erlaubte. Die KPD war informiert und vorbereitet und veröffentlichte am 11.6. einen eigenen Aufruf und am 13.6. ihre Zeitung, die SPD war überrascht und meldete sich erst am 15. mit einem Aufruf ihres "Zentralausschusses". Während das Naziregime noch nicht besiegt war, hatten in den befreiten oder eroberten Gebieten schon politische Organisationen gegründet werden können, hier in Aachen beispielsweise der DGB. In Hannover hatte sich schon 2 Tage vor der deutschen Kapitulation in Karlshorst, also am 6.5.1945 der Ortsverein der SPD konstituiert, wobei KURT SCHUMACHER, der der führende Kopf der Partei im Westen werden sollte, schon die Einheitspartei ablehnte, weil die Kommunisten fest an eine einzige der Besatzungsmächte gebunden seien und Sozialdemokraten mit allen zusammenarbeiten wollten.
Damit zeichnete sich ein Konflikt innerhalb der SPD ab. Die eine Richtung um SCHUMACHER wollte die SPD und eine unverfälschte Sozialdemokratie, die andere war bereit, für die Zusammenarbeit mit Kommunisten auf sozialdemokratische Identität zu verzichten. Eine weiter Differenz zwischen SCHUMACHER und dem Berliner Zentralausschuß der SPD bestand darin, daß der Zentralausschuß viel mehr die Reichseinheit der SPD anstrebte als SCHUMACHER, der diese wegen der Teilung Deutschlands in Besatzungszonen noch für unmöglich hielt.
Einheitsbestrebungen der KPD |
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Der KPD-Vorsitzende WILHELM PIECK machte z.B. am 19.7.1945 deutlich, daß die KPD gegen eine sofortige Einheitspartei war:
Wir wissen, daß der Drang zu dieser Einheit besonders in der Arbeiterklasse sehr groß ist. Wenn heute die Stunde der Schaffung dieser Einheitspartei noch nicht gekommen ist, so deshalb, weil sich auch in der Arbeiterklasse noch erst eine große geistige Umwandlung vollziehen muß, um ein festes Fundament für diese Einheitspartei zu schaffen.
DDR-Dokumente, S. 43
Die Ablehnung früher Einheitsvorschläge durch die KPD ermöglichte ihr Zeitgewinn für den Aufbau ihrer Organisation insbesondere in der SBZ. Die KPD-Führung legte mehr Wert auf Kaderarbeit und Organisationsfragen, was allein schon eine gewisse Überlegenheit über die SPD ermöglichte. KPD-Funktionäre wurden geschult, waren wesentlich sattelfester in der Kenntnis der "Klassiker" und konnten ihren SPD-Gesprächspartnern oft mit Argumenten begegnet, auf die diese allenfalls mit einem "Ja-aber" antworten konntne, wenn sie anderer Ansicht waren.
Als diese Überlegenheit nach einigen Monaten gesichert schien und insbesondere die SBZ mit einem Netz auch hauptamtlicher Funktionäre auf Ortseben überzogen war, konnte die KPD neu über die Einheit der Arbeiterparteien nachdenken und entsprechende Forderungen an die SPD stellen. WILHELM PIECK rief als Gast einer SPD-Veranstaltung am 14.9.1945 "eine einheitliche Partei zu schaffen, um die begonnenen Aufgaben zu Ende zu führen", wurde dann aber durch einen Tumult am Weitersprechen gehindert. Fünf Tage später wiederholte er seine Forderung, hatte aber aus der Reaktion, die er erlebt hatte insofern gelernt, als er nun auch die Heranziehung "zuverlässiger" Kräfte statt der alten Führer forderte.
LOTH, S. 44f
Nach LOTH, der erstmals auch ostdeutsche Archive auswerten konnte und damit zu neuen Erkenntnissen über die sowjetische Deutschlandpolitik kam, wollte aber vor allem die Sowjetunion die Gründung einer Einheitspartei:
Die sowjetischen Verantwortlichen setzten die Prioritäten freilich anders. Schließlich ging es ihnen nicht um die Schaffung einer lupenreinen marxistisch-lemnistischen Partei, sondern um ein Instrument zur Durchsetzung ihres gesamtdeutschen Demokratisierungsprogramms. Unter dieser Prämisse erschienen die sozialdemokratischen Vorbehalte gegen eine rasche Vereinigung als Beleg dafür, daß man mit der Vorbereitung der Einheitspartei schon zu lange gezögert und auf die Belange der KPD-Führer zuviel Rücksicht genommen hatte. Das galt um so mehr, als die Bestätigung des Kurses von KURT SCHUMACHER auf der SPD-Parteiführerkonferenz in Wennigsen am 5. und 6. Oktober erkennen ließ, daß die SPD-Führer in den Westzonen noch viel weniger zur Vereinigung bereit waren als der Zentralausschuß. Erst recht mußte das Zuwarten aus sowjetischer Sicht als taktischer Fehler erscheinen, wenn man die überdeutlichen Wahlniederlagen der Kommunisten in Ungarn (4.November) und Österreich (25.November) in die Betrachtung einbezog: Sie zeigten, daß der sowjetische Sieg, anders als man vielleicht gehofft hatte, grundsätzlich nichts an der notorischen Schwäche kommunistischer Parteien in Mitteleuropa geändert hatte. Von den bevorstehenden Wahlen in Deutschland - zunächst in den Zonen und dann auf gesamtdeutscher Ebene - waren danach eine Marginalisierung der KPD und, damit verbunden, die Durchsetzung des Führungsanspruchs der SPD zu erwarten.
LOTH, S. 47
Kurt Schumacher und die SPD-Gründung in Wenningsen |
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Am 6. Oktober 1945, einen Tag nach Beginn der SPD-Konferenz in Wennigsen bei Hannover, besuchte GROTEWOHL SCHUMACHER in dessen Büro. Im Laufe des Gesprächs stellte KURT SCHUMACHER OTTO GROTEWOHL die Frage, ob er bereit sei, lieber die SPD in der SBZ aufzulösen, als sie in die Vereinigung mit der KPD zu führen. GROTEWOHL versprach dies. Bei einem weiteren Gespräch in Braunschweig am 8. Februar 1946 legte SCHUMACHER GROTEWOHL Berichte über die bereits vollzogene Verschmelzung von SPD und KPD in vielen Ortsgruppen vor und forderte noch einmal die sofortige Auflösung der SPD. GROTEWOHL antwortete, dazu sei es schon zu spät. (vgl Turmwächter S. 46 f.)
Der Tagesspiegel |
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Im Januar 1946 nahm der Charlottenburger Sozialdemokrat KLAUS-PETER SCHULZ Kontakt zum »Tagesspiegel« auf, da der SPD Parteizeitungen fehlten, die über die Argumente der Vereinigungsgegner berichten konnten. Im Westen waren noch keine Parteizeitungen lizensiert worden, im Osten standen sie unter Vereinigungsdruck und ließen Gegner nicht zu Wort kommen. Auch auf den Rundfunk war nicht zu hoffen. Im Haus des Rundfunks in der Masurenallee saßen sowjetfreundliche Mitarbeiter (z.B. KARL-EDUARD VON SCHNITZLER, vgl. Surftipps 43/2000 und 44/2000). Der spätere RIAS hatte als Drahtfunk noch wenige Hörer, zumals die im Sowjetsektor erscheinenden Zeitungen weder über seine Gründung noch sein Programm berichteten. Zwar hatten auch die sowjetzonalen Zeitungen Vorteile (sechs Ausgaben pro Woche statt drei bei denen aus den Westsektoren, höhere Auflage) waren aber nicht so begehrt. Weil REGER schon Berichte und ablehnende Kommentare über den Vereinigungsprozeß veröffentlicht hatte, sahen Vereinigungsgegner im »Tagesspiegel« die wirkungsvollste Unterstützung. REGER versprach Unterstützung und nahm SCHULZ in die Redaktion auf. (vgl. HURWITZ, Bd. 4b, S. 890-894)
ERIK REGER schrieb im »Tagesspiegel« am 8.3.1946 einen Leitartikel mit dem Titel "Fiktives Leben"
Parteien zu trennen und zu vereinigen, hat niemals einen Sinn, wenn es sich um nichts weiter als um Personen- oder Organisationsfragen und um Differenzen oder bereinstimmungen bei einem einzelnen Tagesproblem handelt. Als im vorigen Kriege die Unabhängigen von der Mehrheit der Sozialdemokratie absplitterten, erreichten sie in der Tat nichts als eine Spaltung. Denn was zuerst so ausschlaggebend erschien, die Verweigerung der Kriegskredite, verlor mehr und mehr an Bedeutung, je entschiedener auch die Mehrheitssozialisten auf Beendigung des Krieges mit allen Mitteln drängten. Sogar der Spartakusbund schien anfangs nur eine Nuance mehr zu sein. Erst durch den Sieg LENINs in Rußland gewann diese Bewegung Gesicht und geistiges Fundament. Von diesem Augenblick an aber hingen die Unabhängigen vollends in der Luft. Sie waren lediglich ein >weiter links<, was sie auch innerhalb der alten Partei hätten sein können. Folgerichtig lösten sie sich auf. Sie kehrten entweder in den Schoß der Sozialdemokratie zurück oder schlossen sich, bis auf ein paar zukunftslos Unentwegte, den Kommunisten an. Kommunisten und Sozialdemokraten jedoch sind nicht zwei aus einfacher Spaltung oder Nuancierung hervorgegangene Gruppen. Es sind selbständige, auf selbständige Anschauungen, Maximen und Methoden gegründete Parteien, es sind keine Sezessionisten, die je nach Wunsch oder Befehl getrennt oder vereint zu leben imstande wären. Sie können sich gelegentlich verbünden, in dem oder jenem sich einig sein; sie können miteinander marschieren, wenn denn durchaus >marschiert< werden muß; siegen dagegen können nur die einen oder die anderen. Die Gründe, die für eine rasche Fusion jetzt genannt wurden, sind wiederum fiktiver Natur. Man sagt uns, HITLER wäre nie allmächtig geworden, hätten wir vor 1933 die sozialistische Einheitspartei gehabt. Aber gerade, daß wir sie nicht hatten, beweist ja, daß sie kaum möglich war."
20./21.12.1945: Sechziger-Konferenz |
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Je 30 Mitglieder von SPD und KPD trafen sich kurz vor Weihnachten zu einer Konferenz über die Bedingungen der Vereinigung. Eine Woche später schickte PIECK GROTEWOHL das Protokoll mit der Bitte, es persönlich zu verwahren. Was er für den Fall des Bekanntwerdens fürchtete, lassen einige Zitate aus den Beratungen vermuten. Die Lügen von der Freiwilligkeit, der Einigkeit und der Gleichberechtigung der beiden Parteien wären enttarnt worden.
Das Protokoll ist von GRUNER/WILKE veröffentlicht worden. Ich zitiere gleich umfangreich daraus und möchte darauf hinweisen, daß fett formatierte Textteile von mir hervorgehoben wurden. Ich weiß aus meiner Referendarzeit, daß man Leuten Texte vorsetzen und dann folgendes erleben kann: Habt ihr das gelesen? - Ja - Habt ihr das verstanden? - Ja - Was steht denn drin? - Weiß nicht. Andere Reaktionen: Ablesen, statt etwas in eigene Worte zu fassen; oberflächliche Analyse (was gesagt wurde statt was gemeint wurde). Deshalb greife ich hier lenkend ein.
GROTEWOHL zitierte 10 Punkte "eines Genossen", vermutlich GUSTAV DAHRENDORFs, die der Zentralausschuß zwar nicht zur Beratung auf der Konferenz vorgeschlagen hatte, die aber die Sorgen illustrieren sollten:
PIECK entgegnete nicht ohne versteckte Drohungen:
Nun fragt der Gen. PIECK, was sich in den 6 Monaten - vor 6 Monaten haben wir ja selbst die Forderung der organisatorischen Einheit erhoben - geändert habe, daß wir heute die organisatorische Einheit nicht mehr wollen. Wir wollen sie nach wie vor. Es handelt sich aber um eines, und das darf nicht unterschätzt werden. Wir gingen unmittelbar nach dem Zusammenbruch von der selbstverständlichen Voraussetzung und Auffassung aus, daß die Einheit für das ganze Reich hergestellt werden muß. Diese Einheit ist heute nicht mehr gegeben.
Ich könnte die Frage des Gen. PIECK mit einer Gegenfrage beantworten: Was hat die Wandlung in der Auffassung der Kommunistischen Partei in der Frage der Einheit in den 6 Monaten hervorgerufen und bewirkt? Damals ist von den Genossen der Kommunistischen Partei, um das Wesentliche in den Vordergrund zu stellen, erklärt worden, erst müsse die ideologische Klärung erfolgen, es müsse erst eine längere Zeit der Zusammenarbeit stattgefunden haben. Ich stelle die Frage: Ist die ideologische Klärung inzwischen erfolgt, hat eine längere Zeit der Zusammenarbeit stattgefunden? Man kann es mit gutem Grunde und aus wirklicher innerer Überzeugung, nachdem die objektiven Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung der Parteien im Reich nicht mehr gegeben sind, heute nicht klären. Gewiß gibt es zentral oder regional verheißungsvolle Ansätze der Zusammenarbeit. Es gibt aber auch das Gegenteil, und Genosse Matern, Du bist im Irrtum, wenn Du annimmst, daß irgendein Sozialdemokrat in Deutschland oder in dieser Zone existiert, für den die Frage der Differenzen und Spannungen zwischen KPD und SPD eine Postenfrage sei.
GUSTAV KLINGELHÖFER wollte für die Genossen sprechen, "die hier nicht sprechen". Dafür wurde er oft unterbrochen.
Freunde von der KPD, Ihr könnt reden, Ihr habt nichts zu fürchten. Ihr könnt überall reden, was Ihr wollt; Euch zieht niemand zur Verantwortung (Lachen). Das ist es, daß viele unserer Genossen von dem, was sie auf dem Herzen haben, nicht sprechen (sehr gut!), weil sie Zurückhaltung üben wollen, üben müssen in bestimmten Befürchtungen, in denen sie schon Erfahrungen gesammelt haben.
Genossen, Ihr könnt handeln. Ihr könnt mehr tun: Ihr könnt auch kühn sein. Es ist nicht für jeden Genossen gleich, ob er handeln kann und kühn sein kann. Es hat nicht jeder die Wahl, ob er handeln darf oder kühn sein darf.
(PIECK: Die Faschisten haben das Recht nicht!)
Nein, Verzeihung, ich spreche von den Unterschieden, die in unseren Kreisen bestehen.
(PIECK: Dann mußt Du deutlicher werden!)
In unseren Kreisen ist es so, daß Genossen, die gehandelt haben, in einer Weise zur Verantwortung gezogen sind, die außerordentlich weit ging.
(ACKERMANN: Wie haben sie gehandelt?)
Ich muß den Fall nennen, der im Westen von Berlin und in der Provinz Sachsen passiert ist. Da ist ein Genosse von der SPD außerhalb des Ortes geführt worden. Es fiel ein Schuß. Er ist nicht getötet, er hatte einen Schuß im Halse und ist wieder gesund geworden.
(PIECK: Ist das von der Besatzungsbehörde korrigiert worden?)
Die Sache ist gemeldet. Ich will es nur feststellen.
(Zuruf: Aber nicht, weil er Sozialdemokrat ist.)
Ich will nur von den Dingen sprechen, die nicht ausgesprochen werden, aber die wir wissen müssen. Es gibt Dinge, die nicht ausgesprochen werden und für die Verständnis bestehen muß.
Ihr könnt auch mehr agitieren und organisieren, Genossen von der KPD; denn Ihr habt viel mehr Unterstützung, als wir sie haben. Es ist davon gesprochen worden: Ist das denn gerecht?
(Zuruf: Also machen wir die Einheitspartei!)
Nein, wir haben ja noch zusammenzuarbeiten und sehr viel zusammenzuarbeiten. - Ist es denn gerecht, daß in unserer Sowjetzone über 4 Millionen Eurer Zeitungen verbreitet wurden und von unserer ein Bruchteil von 1 Million. Überlegt das doch! Geht doch über solche Tatsachen nicht einfach hinweg!
(Zuruf: 4 Millionen Zeitungen?)
Ja, über 4 Millionen. Seht, Genossen, warum - so frage ich Euch - sind diese Sorgen nicht auch Eure Sorgen? Ist denn das nur eine Angelegenheit, die die SPD mit der Sowjetadministratur zu verhandeln hat? Wenn wir eine gemeinsame Aktion machen, warum vertreten wir diese Gesichtspunkte nicht auch gemeinsam bei der Sowjetadministration, daß hier Gerechtigkeit und gleichmäßige Behandlung sichergestellt wird? In diesem Punkte liegen ja die großen Schwierigkeiten. (Sehr richtig!) Wenn es uns möglich wäre, gemeinsam in diesen Fragen vorzugehen, gemeinsam mit Euch derartige Hemmungen zu beseitigen, glaubt mir, dann machen wir einen gewaltigen Schritt zur Einheit. (Sehr gut!) Das muß man wohl bedenken. Es handelt sich nicht um Kleinigkeiten für die Sozialdemokratie...
Die Voraussetzungen zur Einheit werden gewaltig gefördert, wenn wir auch zusammenstehen in den Sorgen, die wir haben. Ihr sollt sie nicht anhören, sondern sie mit uns gemeinsam beseitigen. Ich glaube, daß in diesem Punkte Gewaltiges geschehen könnte.
Wir leben in Deutschland ja nicht nur in der sowjetischen Zone, es gibt auch einen Westen. Im Westen wird es doch so sein, daß Ihr uns so braucht, wie wir Euch hier brauchen, und das ist eine Sache, die Euch auch heute angeht, und heute auch hier, wenn wir Beschlüsse fassen.
(ULBRICHT: In der Westzone haben wir keine Zeitungen!)
Wir helfen Euch, wie Ihr uns helfen sollt. Dafür sind wir da, daß wir gemeinsam zusammenstehen. In der Westzone hat auch die SPD keine Zeitungen.
Als zweites will ich nur eine Frage stellen [...] Wir haben viel davon gesprochen, warum wir sie vom Standpunkt der Arbeiterklasse brauchen. Ich sage: Wir brauchen diese Einheit der Arbeiterklasse auch im Interesse der Sowjetunion. (Sehr gut!) [...] Was wird die Sowjetunion sagen, wenn die Einheit in der Sowjetzone das praktische Ergebnis haben würde, daß die Einheit in Deutschland unmöglich werden würde?
(Zuruf: Das gibt es gar nicht!)
Alle Redeausschnitte stammen vom ersten Tag der Beratungen. Die Reden sind gezielt ausgewählt, um den Druck zu beweisen, der auf die SPD ausgeübt wurde. Weitere Beispiele dafür lassen sich in der nur kurz zitierten Reaktion WILHELM PIECKs finden, die ihr bei GRUNER/WILKE nachlesen müßt. Mir reichten hierdie Zwischenrufe bei der Rede GUSTAV KLINGELHÖFERs. Dessen Rede dürfte der gemeinsamen Kommission von KPD und Sowjets in einer Nachtsitzung zu schaffen gemacht haben. Mit Formulierungskorrekturen erreichten sie, daß ihrem Resolutionsentwurf schließlich 59 der 60 Anwesenden am 21.12. zustimmten. Ihre Maximen waren:
GRUNER/WILKE (S. 36 f) weisen darauf hin, daß der "Abriß der Geschichte der SED" 1978 nur erwähnt, es habe "eine Reihe von Bedenken und Vorbehalten sozialdemokratischer Genossen" gegeben, aber die "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von 1966 ehrlicher sei und zwei Namen bewahrte, die auf der Konferenz "den Kampf um die Selbstbehauptung der SPD offensiv aufgenommen haben".
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Nachdem die KPD bereits seit September/Oktober 1945 verstärkt darauf hingewirkt hatte, die Vereinigung von KPD und SPD in einer einheitlichen revolutionären Kampfpartei der Arbeiterklasse vorzubereiten, schlug ihr Zentralkomitee dem Zentralausschuß der SPD Ende 1945 eine gemeinsame Konferenz vor. Diese am 20. und 21. Dezember 1945 durchgeführte Konferenz beschloß nach Referaten von WILHELM PIECK und OTTO GROTEWOHL, den Zusammenschluß von KPD und SPD ideologisch und organisatorisch vorzubereiten, und traf grundsätzliche Vereinbarungen über den Charakter der zu schaffenden Einheitspartei der Arbeiterklasse. Von diesem Beschluß gingen mächtige Impulse für die weitere Entwicklung der Einheitsbewegung aus. Ungezählte gemeinsame Ausschüsse, Kundgebungen und Versammlungen in allen Teilen Deutschlands riefen zur Schaffung einer sozialistischen Einheitspartei auf. Nicht nur die politisch organisierten Arbeiter, sondern auch zahllose andere Männer, Frauen und jugendliche aus den verschiedensten Schichten der Bevölkerung bekundeten ihre Zustimmung. Die vom ZK der KPD entwickelte marxistisch-leninistische Linie des Kampfes um die Einheitder Arbeiterklasse bestand ihre Bewährung und fand Zustimmung bei der Mehrheit der Werktätigen. Mit dem Kurs auf die Schaffung einer sozialistischen Einheitspartei waren alle theoretischen, politischen und organisatorischen Grundfragen der Arbeiterbewegung aufgeworfen. Es galt ein Parteiprogramm und ein Parteistatut zu schaffen, die dem erreichten Stand des Zusammenschlusses von Kommunisten und Sozialdemokraten Rechnung trugen und zugleich die Entwicklung der Einheitspartei auf marxistischleninistischer Grundlage sicherten. Die Hauptarbeit bei der Schaffung der programmatischen und organisatorischen Grundlagen der Einheitspartei und bei der Mobilisierung der Arbeiterklasse leisteten die im Geiste des Marxismus-Leninismus erzogenen Kader der KPD. Sie gaben dem Ringen um die Einheit der Arbeiterbewegung Richtung und Ziel. An der Seite der Kommunisten kämpften jene sozialdemokratischen Funktionäre, die bestrebt waren, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Dank ihrer theoretischen Reife und ihren großen Klassenkampferfahrungen wurde die KPD ihrer hohen Verantwortung gerecht. Die organisatorische Stärke der KPD und die Parteidisziplin ihrer Mitglieder sicherten das einheitliche Auftreten der Kommunisten bei der Vorbereitung auf die Vereinigung. Funktionäre und Mitglieder der KPD halfen ihren sozialdemokratischen Klassengenossen in der Auseinandersetzung mit einheitsfeindlichen und opportunistischen Kräften in der SPD. Der Einfluß des Opportunismus konnte auf diese Weise weiter zurückgedrängt werden. In den Reihen der Sozialdemokratie führten die Beschlüsse der Dezemberkonferenz zur weiteren Differenzierung. Die Mehrheit der Sozialdemokraten trat energisch für ihre Verwirklichung ein. Die opportunistischen Kräfte dagegen verstärkten ihren Widerstand gegen die Einigung der Arbeiterklasse und entfachten eine zügellose antikommunistische Hetze. Ihr Auftreten wurde durch die inkonsequente Haltung erleichtert, die manche die Einheitspartei bejahenden sozialdemokratischen Funktionäre - selbst im Zentralausschuß der SPD - einnahmen. Angesichts des starken Einheitsdranges der Massen paßten sich manche der rechten Sozialdemokraten dieser Entwicklung an. Sie sprachen sich in Worten für die Einheit der Arbeiterklasse aus, hofften dabei aber, in der Einheitspartei ihre reformistischen Auffassungen durchsetzen zu können. Für den Erfolg der Einheitsbewegung waren in der sowjetischen Besatzungszone die Stärke der KPD und der klassenbewußten Kräfte in der SPD sowie die gemeinsam erkämpften demokratischen Errungenschaften, die zur Herausbildung und Festigung der Hegemonie der Arbeiterklasse führten, von ausschlaggebender Bedcutung. Der gemeinsame Kampf, die gemeinsam erzielten Erfolge bewiesen die Kraft der geeint handelnden Arbeiterklasse, brachten Kommunisten und Sozialdemokraten einander näher und erleichterten es Mitgliedern und Funktionären der SPD, sich von opportunistischen Einflüssen zu lösen. Im gemeinsamen Kampf überwanden Mitglieder der KPD sektiererische Vorbehalte, die sich bei ihnen in Jahrzehnten der Spaltung der Arbeiterbewegung gegenüber den Sozialdemokraten herausgebildet hatten. Die Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht bei der Schaffung antifaschistisch-demokratischer Verhältnisse und beim ideologischen Umwälzungsprozeß war zugleich ihr entscheidender Beitrag zur Verwirklichung der Einheit der Arbeiterklasse. Hinzu trat die vielfältige direkte Unterstützung beider Arbeiterparteien, angefangen von der Schaffung materieller Voraussetzungen für die Parteiarbeit bis zur gemeinsamen Beratung politischer Probleme. Grundriß, S. 522 f |
wachsender Druck Anfang 1946 |
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Anfang Januar 1946 hielt KURT SCHUMACHER die Vereinigung der beiden Parteien in der Ostzone für unabwendbar:
Psychologische Komplikationen können sich daraus ergeben, daß möglicherweise kein grundsätzlich neuer Name gewählt wird. Die Vertreter des Zentralausschusses der SPD in der östlichen Zone wünschen die neue Partei unter dem Namen "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" zu starten und im Falle der Ablehnung dieser Forderung durch die Gegenseite sich "Sozialistische Partei Deutschlands" zu nennen. Es ist anzunehmen, daß die Kommunisten hier weitgehende Konzessionen machen werden, denn der effektive Erfolg einer solchen Namensgebung würde trotz des scheinbaren Nachgebens bei den Kommunisten liegen, die mit ihrem eigenen Namen nur wenig erreichen können.
Richtig ist, daß weit mehr als die Sozialdemokratische Partei die Kommunistische Partei ein wildes Durcheinander der Meinungen und der Absichten darstellt. Es ist aber anzunehmen, daß im Falle der Kooperation in einer zwangsweise geeinten Partei die trotz aller variablen und unterschiedlichen Taktik in der KP unbedingte und straffe Disziplin dieser Partei, die keine Frage der Erkenntnis, sondern der Subordination ist, zur vollen Auswirkung kommen wird. Die Kommunistische Partei ist und bleibt nach der Formulierung Stalins die Partei der Kader, d. h. die Partei, die eine rücksichtslose Vertretung der Meinungen verkörpert, welche die von oben herab befohlene Linie auch zur Angelegenheit der gesamten Partei macht. Es steht außer aller Frage, daß die Kommunistische Partei den Schritt der Vereinigung als eine Tat der Eroberung ansieht und ihre demokratischen Grundsätze innerhalb der Partei demgegenüber aufgibt.
Ihre Praxis gegenüber den nichtkommunistischen Faktoren ist in der östlichen Besatzungszone - bis auf einige Propagandaaktionen - absolut undemokratisch und rein parteiegoistisch. Der trotz der Einsicht in diese Dinge optimistische Teil der sozialdemokratischen Führung in Berlin, wie er sich etwa in der Persönlichkeit und den Auffassungen der jetzt offiziellen Parteilinie darstellt, ist noch immer der Meinung, daß es möglich sei, die sozialdemokratischen Vorstellungen zum entscheidenden Faktor der geeinten Partei zu machen. Er hat sich bisher erfolgreich gegen eine ganze Reihe kommunistischer Zumutungen gewehrt, weiß aber, daß die machtpolitischen Verhältnisse das von den Kommunisten gewollte Ergebnis erzwingen werden. Wir dagegen meinen, daß die voraussichtlichen Zusicherungen auf diesem Gebiet bezüglich der Parteidemokratie und bezüglich des Inhalts eines neuen Parteiprogramms einer geeinten Partei für die KP nicht bindend sind. Wir halten die Führung der KP nicht für vertragstreu und sind der Ansicht, daß alle Zusicherungen nur für die Erreichung ihrer Ziele abgestellt sind...
Unseres Erachtens ist trotz der zahlen- und ideenmäßigen Überlegenheit der SPD das Gesetz des Handelns ganz an die Kommunisen bzw. an die hinter ihnen stehende Macht übergegangen. Da die Zwangseinigung im Osten nicht mehr aufzuhalten ist, wird für die Sozialdemokraten die Möglichkeit, durch eigene Initiative die Vereinigung der Parteien zeitlich und inhaltlich zu beeinflussen, nicht zur Auswirkung kommen. Der Charakter der KP als einer Kaderpartei, die nur Befehlen gehorcht und nicht aus eigener Überzeugung handelt, deren Kraft in der Hartnäckigkeit, Disziplin und der erzwungenen oder gewollten Homogenität besteht, muß sich durchsetzen. Für die neue Form der Negierung der Demokratie ist ja schon bei den gescheiterten Vereinigüngsverhandlung en in anderen Ländern und jetzt in Deutschland der in Moskau geprägte Ausdruck "demokratischer Zentralismus" gefunden worden.
Turmwächter, Bd. 2, S. 51 ff
Näher dran war WILLY STEINKOPF, der aber Ende Januar den Zusammenschluß ebenfalls für unabwendbar hielt:
Der Parteiausschuß tagte vorgestern [25.1.1946, N.S.]. Die Debatte wurde zunächst vertagt. Wieder spricht man von starkem Druck. Derselbe Genosse erzählte mir, daß die Absicht bestände, jeden der führenden Genosseneinzeln zur SMA zu laden, um dort seine Erklärung für oder gegen den - scheinbar sofortigen - Zusammenschluß entgegenzunehmen. Wiederum befürchtet man den Verlust von Freiheit und Leben. Andererseits hörte ich aus Leipzig, daß dort führende Genossen den Russen erklärt haben sollen, daß sie zu allem zur Verfügung ständen, und daß sie beantragen oder anheimstellen würden, die SPD aufzulösen. Darauf sollen die Russen sich verabschiedet haben. Jedenfalls ist hier dicke Luft. Hinzu kommt, daß von manchen Seiten kolportiert wird, der Zusammenschluß käme automatisch und zwangsläufig; es habe keinen Zweck, sich noch länger dagegen zu sträuben.
DDR-Dokumente, S. 61
Eine Woche später trifft sich CHRISTOPHER STEEL, der Leiter der politischen Abteilung der britischen Militärregierung, mit GROTEWOHL DAHRENDORF. Er berichtet dem Auswärtigen Amt:
... als ich ihn [GROTEWOHL] nach den Einheitslisten fragte, sagte er, das Ende stehe kurz bevor. Ich sagte, wir könnten nicht verstehen, daß die SPD wirklich mit den Kommunisten zusammengehen könne, es gebe doch wahrlich noch einen Unterschied zwischen Freiheit und Totalitarismus. GROTEWOHL sagte, das sei keine Frage von Programmen, sondern nackter Tatsachen ... Sie würden nicht nur persönlich unter stärksten Druck gesetzt (er sagte, sie würden von russischen Bajonetten gekitzelt), ihre Organisation in den Ländern sei vollkommen unterwandert. Männer, die ihm noch vor vier Tagen versichert hätten, sie seien entschlossen, Widerstand zu leisten, flehten ihn nun an, die Sache hinter sich zu bringen. Auf diese Leute sei jede nur mögliche Art von Druck ausgeübt worden, von dem Versprechen, ihnen einen Arbeitsplatz zu besorgen bis zur Entführung am hellichten Tag, und wenn er, GROTEWOHL, zusammen mit dem Zentralausschuß den Widerstand fortsetzen würde, dann würden sie ganz einfach abgesetzt und durch Provinzausschüsse ersetzt werden. Im übrigen habe weiterer Widerstand auch keinen Sinn mehr, da sie sich von uns keine Hilfe mehr erhofften.
Auf meine Frage, was er damit meine, sagte GROTEWOHL, offensichtlich sei der »Eiserne Vorhang« (er gebrauchte diesen Ausdruck) unverrückbar. Die Franzosen würden jeden Ansatz zur Einheit Deutschlands abblocken, und unter diesen Umständen sei jede Unterstützung wirkungslos.
STEININGER, S. 164
GROTEWOHL gebrauchte also am 4.2. einen Begriff (eiserner Vorhang), der erst einen Monat später durch WINSTON CHURCHILL Rede in Fulton berühmt wurde:
Modern History Sourcebook: WINSTON S. CHURCHILL: "Iron Curtain Speech", March 5, 1946
From Stettin in the Baltic to Trieste in the Adriatic an iron curtain has descended across the Continent. Behind that line lie all the capitals of the ancient states of Central and Eastern Europe. Warsaw, Berlin, Prague, Vienna, Budapest, Belgrade, Bucharest and Sofia; all these famous cities and the populations around them lie in what I must call the Soviet sphere, and all are subject, in one form or another, not only to Soviet influence but to a very high and in some cases increasing measure of control from Moscow. [Hervorhebungen von mir]
vgl auch: Modern History Sourcebook: JOSEPH STALIN: Reply to CHURCHILL, 1946
andere Quellen:
Ein Treffen zwischen GROTEWOHL/DAHRENDORF und SCHUMACHER/KRIEDEMANN fand am 8. Februar 1946 in Braunschweig statt, erbrachte aber nichts Neues. Der Zentralausschuß wollte die Vereinigung auch in SCHUMACHERs Einflußgebiet, um nicht in der Sowjetzone verloren zu sein. Sie informierten die Vertreter der Westzonen ehrlich über den Druck, der auf sie ausgeübt wurde und erklärten, es gäbe keine Möglichkeit mehr, die Vereinigung mit der KPD länger hinauszuzögern. SCHUMACHER riet daraufhin zur Selbstauflösung. (vgl. JODL, S. 131 f) |
Dieser Holzpanzer mit Schumacher-Kopf und Aufschrift "Schumacher Quisling" als Karikatur auf den SPD-Vorsitzenden am Potsdamer Platz wird von Volkspolizisten bewacht. Turmwächter Bd. 1, S. 194 |
LOTH weist darauf hin, daß die SMA auch den Kommunisten Vorschriften machte oder hätte machen können:
Infolgedessen hatte Marschall SHUKOW auch keine Schwierigkeiten, GROTEWOHL bei einer Vieraugenunterredung Ende Januar den Rückzug ULBRICHTs anzubieten, der sich in den vergangenen Wochen als besonders hartnäckiger Vertreter des kommunistischen Führungsanspruchs profiliert hatte. Ihm selbst, GROTEWOHL, stellte er damit die eigentliche Führung der Einheitspartei in Aussicht, und dann sagte er ihm auch noch die Unterstützung seiner Kandidatur für das Amt des ersten Nachkriegs-Reichskanzlers durch die sowjetische Regierung zu. Weil GROTEWOHL den richtigen Zeitpunkt für einen solchen Deal verpaßte (nämlich vor dem Wegbrechen der eigenen Parteibasis) und auch sonst nicht sehr geschickt agierte, war später von einem solchen Angebot nicht mehr die Rede. Das belegt aber noch nicht, daß es nicht ernst gemeint war...
JODL, S. 135 f hält eine Selbstauflösung zu jenem Zeitpunkt nicht für realistisch:
Dem Aufruf zur Selbstauflösung wären damals nicht mehr alle Sozialdemokraten nachgekommen, da der ZA bereits die Kontrolle über die Partei verloren hatte. Dieser Schritt hätte zwar für den Augenblick einen beträchtlichen symbolischen Wert als Zeichen des Protestes gehabt. Auf längere Sicht mußte sein Nutzen aber als zweifelhaft erscheinen, bedeutete er doch den Verzicht auf jeglichen Versuch, in Zukunft sozialdemokratische Politik in der Ostzone zu machen.
Da GROTEWOHL SCHUMACHERs Ansicht - es sei unmöglich, unter den Sowjets eine unabhängige Politik zu betreiben - nicht teilte, mußte ihm die Selbstauflösung nicht als zwingende Notwendigkeit erscheinen, sondern sogar als Fehler. GROTEWOHL war nicht der einzige im ZA, der die westliche Besatzungspolitik keineswegs als die bessere Alternative bewertete. Dafür gab es mehrere Gründe: die fehlende Unterstützung der Politik des ZA in Berlin, die deutschlandpolitischen Konzeptionen der westlichen Führungsnation USA [..., N.S.], die zunächst rigide Besatzungspolitik [..., N.S.], die inkonsequente Entnazifizierung und der schleppende Aufbau der Parteien. Zur Jahreswende 1945/46 schätzte der ZA ein, »daß man politisch gesehen in Berlin und in der Sowjetzone viel weiter gekommen sei« als in den westlichen Besatzungszonen.
[..., N.S.] Darüber hinaus hatte das Problem für GROTEWOHL eine ganz persönliche Komponente. Löste er die Ost-SPD auf, hätte er in den Westen übersiedeln müssen. Die Fortsetzung seiner politischen Karriere dort in einer von SCHUMACHER geführten SPD wäre mehr als fraglich gewesen. Wagte er hingegen den Schritt zur Einheitspartei, konnte er auf lange Sicht seine Vision von der Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterklasse vielleich doch noch verwirklichen.
Deutsche Geschichte 9, S. 181 |
In einem Brief vom 30. Januar 1946 an den KPD-Vorsitzenden Wilhelm Pieck beklagte er sich darüber, daß dieser in einem für die erste Nummer der Zeitschrift »Einheit« geplanten Artikel SCHUMACHER scharf angriff: Ich bin etwas überrascht, daß Du in diesem Aufsatz persönliche Angriffe gegen unseren Genossen SCHUMACHER und HOEGNER in dem Sinne bringst, daß SCHUMACHER und HOEGNER in eine Linie mit der deutschen Reaktion gestellt werden. ( ... ) Ich bitte Dich, die genannten ( ... ) Formulierungen wegfallen zu lassen oder entsprechend zu ändern, da sie entweder der Kameradschaftlichkeit und den Tatsachen nicht entsprechen oder, was viel schlimmer ist, die dringend notwendigen Verhandlungen mit unseren westlichen und süddeutschen Genossen von vornherein erschweren oder ganz zum Scheitern verurteilen. Auf diese Verhandlungen kann ich nicht verzichten, die Gründe kennst Du genau, darum muß ich auf der Berücksichtigung meiner Einwände gegen Deine Formulierungen bestehen. JODL, S. 130 Ob PIECK darauf einging, habe ich nicht herausgefunden, vielleicht übersehen. Dafür kann ich aber die Themen der ersten Ausgabe vom Februar 1946 nennen (aus Deutsche Geschichte 9, S. 180 f)
ANTON ACKERMANNs Theorie brachte ihm später noch Ärger und auch das zitierte DDR-Geschichtswerk deutet an, daß "die doppelte Betonung des Spezifischen durch die Adjektive 'besonders' und 'deutsch' und die starke Hervorhebung der Möglichkeit eines friedlichen Weges zum Sozialismus Ansatzpunkte für Fehlinterpretationen boten." |
Der Februar brachte neben Diskussionen auf diversen Parteiversammlungen vor allem in den westlichen Sektoren auch den Entwurf der "Grundsätze und Ziele" der Einheitspartei, der auf einer zweiten Sechziger-Konferenz am 26.2. angenommen wurde. Im sowjetischen Sektor und in der SBZ wurde die Vereinigung auf Betriebsebene vielfach schon vorweggenommen.
Am 1. März fand im Berliner Admiralspalast, der später auch Schauplatz des Vereinigungsparteitages wurde, eine fünfstündige Funktionärsversammlung der SPD statt. Mehr Zeit war nicht, weil viele Säle zerstört war und nach dem Parteitag schon eine Veranstaltung der Staatsoper angesetzt war. GROTEWOHL sprach (ob brutto oder netto weiß ich nicht) 110 Minuten. Zuächst beschrieb er fundiert, aber weit ausholend die allgemeine Lage. Nach einer Stunde wurde er aber von Zwischenrufen gestört und zur Eile gedrängt. Viele TeilnehmerInnen konnten sich nicht mit dem Verlust deutscher Gebiete an Polen abfinden, die GROTEWOHL verteidigte. Zum Tumult kam es aber, als er SCHUMACHERs Politik angriff. "Aufhören", "Du lügst", "Dr. GOEBBELS" sind überlieferte Rufe. Eine Viertelstunde wurde er am Reden gehindert und der Parteitag war nur mit Mühe dazu zu bringen, die Rede zu Ende anzuhören und blieb auch danach unlenkbar. So setzten die Delegierten durch, daß FRANZ NEUMANN aus Reinickendorf mehr Redezeit bekam, um die Politik des Zentralausschußes zu kritisieren. Schließlich wurde überdessen Antrag, über die Vereinigung mit der KPD die Mitgliederschaft in einer Urabstimmung zu befragen, zuerst abgestimmt, obwohl das Präsidium geplant hatte, eine Resolution verabschieden zu lassen, die die erwähnten "Grundsätze und Ziele" als Grundlage weiterer Kontakte mit der KPD begrüßte. KURT SCHUMACHER war der Sieger dieser Versammlung, obwohl er nicht anwesend war. (Vgl. HURWITZ, Bd. 4b, S. 1022-1030
Diese beiden Fotos aus dem Jahre 1993 zeigen den Admiralspalast und als Detail die Eingänge zu Metropoltheater und Kabarett "Distel".
Am 4. März wurde der 31. März vom Bezirksvorstand als Abstimmungstermin festgesetzt.
Bereits am 23. Februar konnte die SPD-Betriebsgruppe der Siemenswerke über diese Fragen abstimmen:
Die Fragen waren ein Ausweg aus den vielfältigen Anforderungen und Vorentscheidungen. Sie nehmen viel Rücksicht auf den Druck und die bereits vollzogenen Vereinigungen etwa auf Betriebsebene. Auch der SMAD konnte man begegnen, wenn die Zusammenarbeit der Parteien eine Mehrheit fand, die Vereinigung aber abgelehnt würde. Für die Berliner Abstimmung wurde das "oder" noch weggelassen, so daß auch und gerade Befürworter der Vereinigung für die Zusammenarbeit stimmen konnten. Zunächst hatte der Zentralausschuß sogar erreicht, die zweite Frage ganz wegzulassen. Auf einer Sitzung des erweiterten Bezirksvorstandes am 26. März hieß es aber, daß Stimmzettel mit beiden Fragen bereits gedruckt seien.
Ehrlicher wäre z.B. gewesen, die Alternativen 1. Vereinigung auf Bezirks- und Landesebene 2. Warten auf Reichsparteitag 3. Abwehrkampf gegen KPD und SMAD zur Abstimmung zu stellen.
Bis zur Urabstimmung versuchte der ZA, falsche Eindrücke und vollendete Tatsachen zu schaffen. So berief er Konferenzen ein, zu denen nur ausgewählte FuntionärInnen eingeladen wurden, oder plante Plakataktionen mit einem zusätzlichen Papierkontingent und logistischer Unterstützung der KPD. Das blieb aber nicht verborgen und empörte auch noch unentschlossene Funktionäre, ja sogar Vereinigungsbefürworter, die diese Methoden ablehnten. Umgekehrt bekamen dann die Fusionsgegner Papier von der US-Militärregierung.
Am 17. März konstituierte sich ein Aktionsausschuß der Fusionsgegner.
Am 27. März erklärte der Zentralausschuß, daß über die Vereinigung nicht durch die Urabstimmung, sondern durch den Bezirksparteitag am 19./20. April entschieden werde. Deshalb forderte er alle Mitglieder auf, sich nicht an der Urabstimmung zu beteiligen. Insbesondere die Parteimitglieder im Ostberlin waren dem Druck des ZA ausgesetzt. Trotzdem weigerten sich viele, Plakate für die Fusion zu kleben.
In den Westsektoren war die Wahlbeteiligung rege. Obwohl es die erste Wahl nach dem Krieg war, kam es selten zu Formfehlern. Im Ostsektor waren die Wahllokale bereits morgens von den Sowjets geschlossen worden. Die Personalien der Anwesenden wurden notiert und Unterlagen beschlagnahmt.
In den Westsektoren nahmen 71,8 % der Stimmberechtigten an der Urabstimmung teil. Auf die 1. Frage (Vereinigung?) antworteten 82,6 % nein, 11,9 % ja, 5,5 % ungültig. Auf die zweite Frage (Bündnis?) antworteten 61,5 % ja, 24.8 % nein, 13,6 % ungültig. (Vgl. HURWITZ, Bd. 4b, etwa S. 1000-1300 (hier stark gekürzt verwendet))
Die DDR-Geschichtsschreibung leugnete das Ergebnis zwar nicht, spielte es aber herunter:
Bis heute wird das Ergebnis dieser "Urabstimmung" benutzt, um die These von der angeblichen "Zwangsvereinigung" am Leben zu halten. Am 31. März 1946 wurde sie in den Westsektoren Berlins durchgeführt. Lediglich etwa ein Drittel der Sozialdemokraten aller Berliner Sektoren beteiligten sich an der Abstimmung. Von einer überwältigenden Absage an die Vereinigung konnte von daher schon keine Rede sein. 28,6 Prozent der SPD-Mitglieder Groß-Berlins stimmten gegen die sofortige Vereinigung. Die Mehrheit der Teilnehmer der Urabstimmung bejahte das Bündnis mit der KPD. Nur 8,6 Prozent der Berliner SPD-Mitglieder lehnten das Zusammengehen der Arbeiterparteien ab. Das Ergebnis wäre noch klarer ausgefallen, hätten die zur Entscheidung stehenden Fragen den Sinn der Abstimmung nicht verschleiert. Es wurde gefragt: "Bist du für den sofortigen Zusammenschluß der beiden Arbeiterparteien? Ja/Nein, oder bist du für ein Bündnis beider Parteien, welches gemeinsame Arbeit sichert und den Bruderkampf ausschließt? Ja/Nein."
Der Rummel um die "Urabstimmung" heizte zwar die Atmosphäre an, konnte aber den Drang nach Vereinigung nicht mehr aufhalten.
Die Vereinigungsgegner riefen die gewählten Delegierten zu einem Parteitag ohne Spitze in die Zinnowwaldschule nach Zehlendorf am 7.April 1946. Sie bestimmten einen neuen Vorstand für Berlin. Für sie war der Zentralausschuß damit abgesetzt.
21./22.4.1946: Vereinigungsparteitag im Admiralspalast |
oben |
Der Zentralausschuß hatte früh genug klar gemacht, daß er sich vom Urabstimmmungsergebnis nicht beeindrucken lassen würde. Mit den bekannten Methoden wurde der Weg der Fusion weiter beschritten. Die wichtigste Etappe vor dem Einigungsparteitag waren die letzten Parteitage der beiden Parteien am 19. und 20. April. Es war der 40. Parteitag der SPD und der 15. der KPD.
Die meisten Delegierten des Vereingungsparteitags kamen aus der SPD, da sie mehr Mitglieder als die KPD hatte. Die SED gab sich ein Organisationsstatut, daß für den Organisationsaufbau einen Kompromiß zwischen den früheren Organisationsformen der SPD (Wohnbezirksgruppen) und der KPD (Betriebsgruppen) fand. Alle Leitungsfunktionen wurden paritätisch von früheren Mitgliedern der SPD und der KPD besetzt, der Parteivorsitz zwischen PIECK und GROTEWOHL geteilt.
OTTO GROTEWOHL spricht auf dem Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED Berlin, 21. April 1946 -
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Vereinigungsparteitag von KPD und SPD: stattgefunden am 21./22. Apr. 1946 in der Dt. Staatsoper (Admiralspalast) in Berlin-, I. Parteitag der -> Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Der V. war von historischer Bedeutung. Nachdem die Mitglieder der -> Kommunistischen Partei Deutschlands und der -> Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bzw. ihre Delegierten bereits im März/Apr. 1946 in den Grundorganisationen, Kreisen- und Ländern sowie auf dem 15. Parteitag der KPD und dem 40. Parteitag der SPD (19./20. Apr. 1946) über die Vereinigung und den Entwurf der »Grundsätze und Ziele der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands« beraten und Beschlüsse über die Vereinigung beider Parteien gefaßt hatten, wurde der V. zum Höhepunkt des Vereinigungsprozesses. Am V. nahmen 1055 Delegierte (KPD: 507, SPD: 548) teil, davon 230 aus den westlichen Besatzungszonen. Die Delegierten aus der sowjetischen Besatzungszone vertraten 1298 415 Parteimitglieder der KPD und der SPD. Die grundlegenden Referate zu dem Thema »Die Einheitspartei und der Neuaufbau Deutschlands« hielten WILHELM PIECK und OTTO GROTEWOHL. PIECK zog eine Bilanz des jahrzehntelangen Kampfes der dt. Arbeiterklasse, bes. des Vereinigungsprozesses. Er wies nach, wie im gemeinsamen Klassenkampf die politisch-ideologischen Voraussetzungen für die Vereinigung auf der Grundlage des -> wissenschaftlichen Kommunismus entstanden waren, und begründete die große Verantwortung der Arbeiterklasse und ihrer einheitlichen Partei beim demokratischen Neuaufbau und im Ringen um die Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse. GROTEWOHL erläuterte die Aufgaben der Arbeiterklasse beim demokratischen Neuaufbau. Er setzte sich mit dem Antisowjetismus und der gegen die Vereinigung gerichteten Politik der rechten sozialdemokratischen Führer auseinander und betonte, daß mit der Verwirklichung der Gegenwartsforderungen der Weg für den Sozialismus frei gemacht wird. Der V. stimmte den Referaten zu, beschloß einstimmig die »Grundsätze und Ziele der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands« (-> Programme der SED) und das »Manifest an das deutsche Volk«. Das Parteistatut wurde mit 21 Gegenstimmen bei 4 Stimmenthaltungen angenommen. Höhepunkt des V. war der einstimmige Beschluß über die Vereinigung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. In den PV der SED wurden 80 Mitglieder, davon 20 aus den Westzonen, gewählt. Als gleichberechtigte Vorsitzende wurden PIECK und GROTEWOHL gewählt. Der V. stellte die Weichen für die Zukunft. Er gab der SED ein Programm, das auf den marxistischen Programmen der dt. Arbeiterbewegung fußte, in dem die. Erkenntnisse W. I. LENINs schöpferisch angewandt wurden und das der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten den Weg zum Sozialismus wies. Mit den »Grundsätzen und Zielen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands« erhielt die Partei ein festes marxistisch-leninistisches Fundament. Den Hauptanteil an der Ausarbeitung der proprammatischen und organisatorischen Grundlagen der SED hatten die marxistisch-leninistischen Kader der KPD. Die SED verkörpert die revolutionären Traditionen des -> Bundes- der Kommunisten und der revolutionären dt. Sozialdemokratie. Sie setzt das Werk der KPD fort und erfüllt das Vermächtnis der antifaschistischen Widerstandskämpfer. Sie ist die Erbin alles Progressiven in der Geschichte des dt. Volkes. Die Gründung der SED war ein Sieg der Arbeiterklasse über den Imperialismus, des -> Marxismus-Leninismus über den -> Opportunismus. Mit der Vereinigung wurde die grundlegende Lehre aus der Geschichte der dt. Arbeiterbewegung gezogen: Die Arbeiterklasse kann ihre historische Mission nur erfüllen, wenn sie die vom Imperialismus und Opportunismus verursachte Spaltung ihrer Reihen beseitigt, wenn sie ihre Einheit auf revolutionärer Grundlage herstellt und von einer zielklaren, geschlossenen, kampfgestählten marxistisch-leninistischen Partei geführt wird, die eng mit den Massen verbunden ist. Der V. und das Programm wandten in schöpferischer Weise die Erkenntnisse LENINs an, die er in -> »Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution« u. a. Werken für den Kampf um die sozialistische Revolution dargelegt hatte. Es wurden wichtige Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewegung, vor allem der -> Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die geschichtlichen Lehren - des VIL Weltkongresses der -> Kommunistischen Internationale und der dt. Arbeiterbewegung, insbes. die programmatischen Zielstellungen der KPD auf den Konferenzen von Brüssel und Bern (-> Brüsseler Parteikonferenz der KPD 1935, -> Berner Parteikonferenz der KPD 1939) sowie ihres Aufrufs vom uni 1945 -> Aufruf des ZK der KPD vom 11.Juni 1945), aufgenommen und verarbeitet. Die SED ließ sich in jeder Etappe ihrer Entwicklung von den Lehren von MARX, ENGELS und LENIN leiten. Geführt von der SED, zerbrachen die Arbeiterklasse und die werktätige Bauernschaft für immer die Herrschaft der Großbourgeoisie und des Junkertums in der DDR. Auf der Basis der revolutionären Einheit der Arbeiterklasse wurde das Bündnis aller demokratischen Kräfte geschlossen (-> Bündnispolitik). In einem einheitlichen revolutionären Prozeß, in erbitterter Auseinandersetzung mit der imperialistischen Reaktion und ihren Helfershelfern wurde die antifaschistischdemokratische Umwälzung verwirklicht und die sozialistische Revolution zum Siege geführt. Unter Führung der SED vollzog sich in der DDR eine grundlegende Wende in der Geschichte des dt. Volkes, die Wende zum Sozialismus. In Gestalt der DDR errichtete und festigte die Arbeiterklasse im Bündnis mit, den Bauern und den anderen Werktätigen ihre politische Herrschaft. Sie schuf den sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern als eine Form der Diktatur des Proletariats. |
Die Landkarte aus einem DDR-Buch zeigt, wie man auch dort zugibt, daß sich die Vereinigung dort vollzog, wo die Voraussetzungen günstig waren, und, was man im Westen weitgehend vergessen hat, daß es auch außerhalb der SBZ Vereinigungsversuche gab. "Günstige Voraussetzungen" ist natürlich eine beschönigende Formulierung für Druck.
Deutsche Geschichte 9, S. 173
Ich erwähnte bereits, daß einzelne SPD-Regionen doch über die damaligen Ereignisse berichten, wenn auch die Bundespartei wenig über ihre Geschichte verrät. Von der SPD in der Oberpfalz könnt ihr z.B. erfahren:
Das in Berlin erscheinende Zentralauschußorgan "Das Volk" hatte in seiner Ausgabe vom 6. März 1946 eine Nachricht veröffentlicht, die glauben machen konnte, auch der SPD-Bezirk Niederbayern/Oberpfalz liege einhellig auf Grotewohlkurs. Zudem soll "Radio Berlin", der im sowjetischen Sektor gelegene Sender, am 12. März die Nachricht verbreitet haben, eine SPD-Funktionärskonferenz in Regensburg habe einer organisatorischen Verschmelzung von SPD und KPD prinzipiell zugestimmt. Der amtierende Bezirksvorstand in Regenburg sah sich zur Verbreitung einer gegenteiligen Presseerklärung am 13. März veranlaßt: Keineswegs sei der Bezirk ein Parteigänger GROTEWOHL s; vielmehr habe man bereits SCHUMACHER für eine Großkundgebung am 17. März verpflichtet. Desweiteren gab die Regensburger Bezirkszentrale bekannt, daß der bisherige stellvertretende Bezirksvorsitzende, Genosse WILHELM BUCH, alle seine Funktionen im Bezirk am 4. März niedergelegt und zugleich auf Druck des Bezirksvorstandes sein Wirken als Leiter des örtlichen - und zugleich einzigen in den Westzonen - vom Berliner Zentralauschuß finanzierten Verbindungsbüros eingestellt habe. Auch habe er sich verpflichtet, den Bezirk und Bayern bis Monatsende zu verlassen.
Große Teile Bayerns waren im Sommer und Herbst 1945 nicht nur geographisch und durch erschwerte Reise- und Nachrichtenverbindungen weit von Hannover und Berlin entfernt. Hier existierte mit WILHELM HOEGNER (1887-1980) an der Spitze auch eine Art "dritter Pol" innerhalb der deutschen Sozialdemokratie. HOEGNER amtierte seit dem 28. September 1945 als von der amerikanischen Miltärregierung eingesetzter Ministerpräsident in München. Anders als beim Gegensatz zwischen SCHUMACHER und GROTEWOHL war die Streitfrage mit diesen Bayern allerdings weniger grundsätzlicher Natur.
Nach der 12-jährigen Erfahrung mit einem totalen Zentralstaat wollten die von HOEGNER repräsentierten Sozialdemokraten ebenfalls nicht nur nichts von einem deutschen Gesamtstaat wissen, sondern sprachen sich auch gegen einen Bundesstaat aus, wie SCHUMACHER ihn anstrebte; (nicht nur die mit allem Bayerischen "selbst-"identifizierte CSU, auch die SPD im Freistaat hat ihre weiß-blau-eigenheitliche Tradition!). Als staatsrechtliche Form für das künftige Deutschland traten die Münchner SPD-Genossen ein für einen losen Staatenbund mit weitgehendem Verbleib der Rechte bei den Ländern. Entsprechend natürlich auch politisch starken SPD-Landesverbänden und einer Mutterpartei nur als eine Art Dachverband.
Der Bezirk Südbayern stand bald für längere Zeit unter der Vorherrschaft von Sozis Hoegnerscher Prägung, Franken korrespondierte mit dem Büro Schumacher, und schließlich Niederbayern/Oberpfalz geriet unter den Einfluß des Zentralausschusses, dessen Programm und Idee einer Einheit der Arbeiterklasse zuvor in München sich nicht hatte durchsetzen können.
OTTO GROTEWOHL lebte sich schnell in die neue Situation ein. Seine Machtbefugnisse hielt er für legitim.
Er nahm genau jene Vorzugsbehandlung durch die Sowjets für sich in Anspruch, die er vor wenigen Monaten den Kommunisten noch zum Vorwurf gemacht hatte. So erwähnte er in seinem Referat über die Lehren der Gemeindewahlen, das er am 18. September auf der 5. Tagung des Parteivorstandes der SED hielt, »die sehr dankenswerten und auch wirkungsvollen Einzelmaßnahmen [z. B. die Rückkehr von Kriegsgefangenen aus der UdSSR, M. J.]«, »zu denen uns die Sowjetische Militäradministration bei den letzten Wahlen verholfen hat«.
Deutliche Worte fand GROTEWOHL bei dieser Gelegenheit für KURT SCHUMACHER und seine Anhängerschaft in den Westzonen: »Wir haben den Sozialdemokraten unsere Hand zur Zusammenarbeit entgegengehalten. Es ist Zeit, daß wir einmal den wenigen Leuten, die diese Zusammenarbeit scheinbar verhindern wollen, deutlich sagen: 'Wir haben unsere Hand nicht ausgestreckt, damit man uns täglich hineinspuckt.'« SCHUMACHER hatte den »ersten Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nach dem Zusammenbruch der Weimarer Republik«` am 9. Mai 1946 eröffnet. GROTEWOHLs Wut und Erbitterung ist verständlich: Nur knapp drei Wochen nach dem Vereinigungsparteitag der SED fand jene SPD-Konferenz statt, um die der Zentralausschuß SCHUMACHER so massiv gebeten hatte. SCHUMACHER machte noch einmal deutlich, daß seine Vorbehalte gegen einen Reichsparteitag der SPD nicht auf grundsätzliche Bedenken, sondem allein auf seine Ablehnung der Teilnahme des Zentralausschusses zurückzuführen waren.
JODL, S. 156 f
Da SED und SPD aufgrund des Viermächtestatusses in ganz Berlin antreten durften, kam es am 20. Oktober 1946 zu einer Wahl, bei der die Parteien gegeneinander kandidierten. KURT SCHUMACHER besuchte am Wahltag auch Ostberlin und sprach mit Besatzungssoldaten (die vier Besatzungsmächte patrollierten gemeinsam). Vor Wahllokalen wurde er oft mit Beifall begrüßte. Das war am Rande der Illegalität, da die Wahl frei und unabhängig sein sollte und Agitation in den Lokalen ohnehin auch heute verboten ist. Die SPD erreichte in Großberlin 48,7 % der Stimmen, SED 19,8 %, CDU 22,2 %, LDP 9,3 %. In allen 20 Bezirksparlamenten, auch in Ostberlin, wurde die SPD stärkste Partei und stellte damit die Bezirksbürgermeister. Zusammen mit CDU und LDP setzte sie kommunistische Amtsträger ab, was zu sowjetischem Druck führte. Dem schien der sozialdemokratische Oberbürgermeister OTTO OSTROWSKI nicht gewachsen, weshalb ERNST REUTER am 24.6.1947 zum neuen OB gewählt wurde. Am 6.7. lehnte die SMAD die Bestätigung ab.
In den Landtagen der ostdeutschen Länder wurde die SED stärkste Kraft, aber trotz massiver Unterstützung durch die Sowjets und ohne Konkurrenz durch eine SPD nirgendwo mit absoluter Mehrheit. Die "Geschichte der DDR" deutet das so (S. 70 f):
Die SED ging aus den Wahlen als mit Abstand wählerstärkste Partei hervor. Mehr als 5 Millionen von den über 9 Millionen Stimmen konnte sie bei den Gemeindewahlen auf sich konzentrieren. In den Landtagswahlen erreichte sie 4,7 Millionen von rund 9,9 Millionen Stimmen (vgl. Tabelle 212). Sie stellte 100.886 der 132.356 Gemeindevertreter, 3.124 der 6.045 Kreistagsabgeordneten und errang 249 der insgesamt 519 Sitze in den Landtagen.
Das Wahlergebnis bildete eine gute Grundlage für die Fortlübrung der Blockpolitik. Der politischen Reaktion war es nicht gelungen, ihre Ziele zu erreichen. Der Wahlsieg der SED zeigte, daß die geeinte Arbeiterklasse die politisch entscheidende Kraft bildete und sich - auch auf dem Lande - auf eine Massenbasis für die Fortführung der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung stützen konnte.
Kompliziert gestalteten sich die Wahlen in Berlin. Mit Duldung und Unterstützung der Westmächte führten rechte SPD-Führer und reaktionäre bürgerliche Politiker unter Ausnutzung des RIAS und Westberliner Presseorgane eine Wahlkampagne, in der sie antikommunistische und antisowjetische sowie revanchistische Losungen mit sozialer Demagogie verbanden. Die SED wurde in den Westsektoren in ihrer Wahlarbeit behindert. Bei einer Wahlbeteiligung von 92,3 Prozent erhielten die SPD 48,7, die SED 19,8 (Ostsektor 29,7 und Westsektor 13,7), die CDU 22,2 und die LDPD 9,3 Prozent der gültigen Stimmen.
Tabelle 212: Ergebnisse der Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946
Land | Wahlberechtigte | Abgegebene Stimmen | Von den gültigen Stimmen entfallen auf | |||||||
Insgesamt | davon gültig | davon ungültig | SED | CDU | LDP | VdgB | Frauenausschuß | Kulturbund | ||
Brandenburg | 1.655.980 | 91,5 | 95,4 | 4,6 | 43,9 | 30,6 | 20,6 | 4,9 | - | - |
Mecklenburg | 1.308.727 | 90,0 | 94,5 | 5,5 | 49,5 | 34,1 | 12,5 | 3,9 | - | - |
Sachsen-Anhalt | 2.695.664 | 91,6 | 94,2 | 5,8 | 45,8 | 21,9 | 29,9 | 2,4 | - | - |
Thüringen | 1.986.081 | 87,5 | 95,6 | 4,4 | 49,3 | 18,9 | 28,5 | 3,3 | - | - |
Sachsen | 3.803.416 | 92,5 | 93,5 | 6,5 | 49,1 | 23,3 | 24,7 | 1,7 | 0,6 | 0,6 |
Statistisches Jahrbuch der DDR 1955, Berlin 1956, S. 87. Für Sachsen-Anhalt wurden im Jahrbuch einige Zahlen vertauscht. Unsere Korrektur folgt der Quelle: Staatsarchiv Magdeburg, Min. d. Innern, Sign. 4 473, Bl. 154.
29,7 % im Ostsektor Berlins ist kein überzeugendes Ergebnis.
Verfolgung von SozialdemokratInnen |
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SPD-Mitglieder, die gegen die Vereinigung waren, hatten oft die SBZ schon verlassen, andere wurden zwar automatisch SED-Mitglieder, brachten sich aber mit Kritik an der Entwicklung der Partei in Gefahr. So etwa MAX FANK, ein Stralsunder Sozialdemokrat, der mehrere Jahre in Konzentrationslagern und Zuchthäusern verbracht hatte, war sogar Einheitsbefürworter und Delegierter des Gründungsparteitags der SED.
FANK wurde in den Zentralausschuß der SED gewählt. Doch bald machte ihn betroffen, wie die SED die Auseinandersetzung mit den Sozialdemokraten in der SED und mit der SPD in Westdeutschland und Berlin führte. Bald betrachtete FANK die Politik der SED aus einer wachsenden kritischen Distanz. Der Eklat kam 1948, als kommunistische Horden die Berliner Stadtverordnetenversammlung stürmten und sozialdemokratische Abgeordnete schlugen. FANK hatte erfahren, daß WALTER ULBRICHT den Auftrag an kommunistische Schlägertrupps gegeben hatte, die Berliner Stadtverordnetenversammlung aus dem Stadthaus zu vertreiben. FANK stellte ULBRICHT zur Rede und warf ihm vor mit KPD-Straßenterror wie in den 20er Jahren und Anfang der 30er Jahre Machtpolitik gegen die Demokratie zu betreiben. Von da an durfte MAX FANK nicht mehr an den Sitzungen des Zentralausschusses der SED teilnehmen. Mit der Erklärung der SED zur "Partei neuen Typus" verlor FANK sämtliche Funktionen in der SED. Um die Jahreswende 1948/49 wurde FANK von der SED-Landesleitung Mecklenburg dem NKWD zur Verhaftung gemeldet. Kurz danach wurde MAX FANK verhaftet und wenig später von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Im Zuchthaus Bautzen, in das Fank nach seiner Verurteilung eingeliefert worden war, verfiel er in tiefe Depressionen. Erst als er auf einen der großen Säle mit über 400 Häftlingen verlegt wurde und dort mit zahlreichen Sozialdemokraten zusammenkam, lebte FANK wieder auf. 1951, in seinem dritten Haftjahr hatte er wieder voll zu sich gefunden. Tagelang berichtete er seinen sozialdemokratischen Freunden von seiner "Schuld", die SPD mit in die Vereinigung mit der KPD geführt zu haben.
Heutige Bewertung |
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Vor 55 Jahren: gewollt und verfolgt
GABI ZIMMER und PETRA PAU zum 55. Jahrestag der Vereinigung von KPD und SPD (April 2001)
Nach den Erfahrungen des Jahres 1933 und mit der folgenden nationalsozialistischen Barbarei war der Drang nach einer wieder vereinigten Arbeiterbewegung in Deutschland weit verbreitet, übrigens nicht nur in der Sowjetischen Besatzungszone. Die Gründung der SED war historisch erklärbar, sie war von vielen gewollt und vollzog sich regional sehr unterschiedlich.
Zugleich verweisen Historiker darauf: Skeptisch waren seinerzeit keineswegs nur »rechte«, argwöhnisch waren vor allem »linke« Sozialdemokraten, darunter viele ehemalige Anhänger der KPD. Sie hatten in den zwanziger Jahren erlebt, wie in der KPD demokratischer Meinungsstreit ausgeschaltet und die Partei einer stalin-treuen Linie unterworfen wurde. Nun befürchteten sie hinter der Vereinigung erneut eine Vereinheitlichung nach stalinistischen Prinzipien, so, wie sie auch in anderen osteuropäischen Staaten von statten ging.
Viele, die sich damals dem Zusammenschluss von KPD und SPD verweigerten, bezahlten das mit ihrer Freiheit, ihrer Gesundheit, nicht wenige mit dem Leben. Auf der 13. Tagung des Parteivorstands der SED 1948 drängte WILHELM PIECK: »Wir haben ... sehr viele Kräfte in unserer Partei, die innerlich noch nicht von der Notwendigkeit der Vereinigung überzeugt waren ...« Fortan trat ein, was linke Einheitsgegner 1945/46 befürchtet hatten. Sozialdemokraten in der SED wurden gedemütigt und verfolgt, ebenso kritische Kommunisten, ehemalige Mitglieder von KPDO, SAP, die sogenannten Westemigranten, schließlich nicht wenige, die in der Nazi-Zeit in KZ und Zuchthäusern für ihre Ideen gelitten hatten.
PDS-Vorsitzende entschuldigt sich für Zwangsvereinigung
Die SPD hat tagesaktuell auf die Entschuldigung reagiert, behandelt das Thema aber allenfalls in der Historischen Kommission. Für das Selbstverständnis der Partei scheint das Ereignis trotz der Ausstellung des Ortsverbandes Wenningen keine große Rolle zu spielen, wie Traditionsbewußtsein generell in der SPD stark abgenommen hat.
Der häufig zitierte Kurt-Schumacher-Kreis vereinigt hauptsächlich ehemalige SPD-Mitglieder, die sich der Zwangsvereinigung widersetzt haben, dafür verfolgt wurden und durch die Ostpolitik später auch mit der SPD nicht mehr zufrieden waren. Ein führendes Mitglied, HERMANN KREUTZER, war 1945 Mitbegründer der SPD in Thüringen und in den 70er Jahren lange Zeit Staatssekretär im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. Später trat er dann gelegentlich in GERHARD LÖWENTHALs ZDF-Magazin auf. Für den Austritt aus einer Partei gibt es im allgemeinen mehr Gründe als für den Eintritt in sie. Ich bin ja auch 1988 aus der SPD ausgetreten, allerdings wegen ihrer Sozialpolitik. Die Vorwürfe des Kurt-Schuhmacher-Kreises hätten mich dazu nicht bewegt. Generell halte ich die damalige Entspannungspolitik für richtig und hätte bloß in den 80er Jahren nicht die Schließung der Erfassungsstelle Salzgitter gefordert:
Der Oppositionsführer im Landtag von Niedersachsen, GERHARD SCHRÖDER, Mitglied des SPD-Parteivorstandes, traf in Ost-Berlin mit dem SED-Politbüromitglied HERMANN AXEN zusammen. Schröder sprach sich während seines Besuches in Ost-Berlin, wo er auch einen Vortrag am Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW) hielt, für die Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft, für die Festlegung der Grenze in der Elbmitte und für die Auflösung der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter aus.
weitere Links:
Literatur |
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Bevor ich die Literatur verstelle, die ich selbst benutzte, nenne ich noch Besprechungen anderer Werke im WWW.
HANS-JOACHIM FIEBER, MAREN FRANKE, WOLFGANG TRIEBEL: OTTO GROTEWOHL und die Einheitspartei
Band 1 - Dokumente Mai 1945 bis April 1946
Band 2 - Dokumente Mai 1946 bis Januar 1949
WOLFGANG TRIEBEL: Gelobt und Geschmäht. Wer war OTTO GROTEWOHL?
Aufsätze und Interviews mit Zeitzeugen
trafo verlag dr. wolfgang weist, Berlin 1998, 345 Seiten (Besprechung bei PDS online)
Von den Schwierigkeiten mit der Einheitspartei
HANS-JOACHIM KRUSCH: Irrweg oder Alternative?
Vereinigungsbestrebungen der Arbeiterparteien 1945/46 und gesellschaftspolitische Forderungen.
Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn 1996, 272 S.
Eine Rezension von HERBERT MAYER
MARKUS JODL: Amboss oder Hammer? OTTO GROTEWOHL Eine politische Biographie Aufbau Taschenbuch Verlag [Ost-]Berlin 1997 |
Akademie der Wissenschaften der DDR Zentralinstitut für Geschichte: DDR Werden und Wachsen Zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik Dietz-Verlag [Ost-]Berlin 2. Auflage 1975 |
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HERMANN WEBER: DDR Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985 Deutscher Taschenbuch Verlag München 1986 |
Autorienkollektiv unter Leitung von ROLF BADSTÜBNER: Deutsche Geschichte in zwölf Bänden, herausgegeben vom Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR Band 9. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung, der Kampf gegen die Spaltung Deutschlands und die Entstehung der DDR VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften [Ost-]Berlin 1989 |
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HAROLD HURWITZ: Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945 Bd 4 Teil 1: Führungsanspruch und Isolation der Sozialdemokraten und Bd 4 Teil 2: Zwischen Selbsttäuschung und Zivilcourage: Der Fusionskampf Verlag Wissenschaft und Politik Köln 1990 |
JOACHIM HEISE, JÜRGEN HOFMANN: Fragen an die Geschichte der DDR (hrsg. vom Zentralrat der FDJ in Zusammenarbeit mit der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED) Verlag Junge Welt [Ost-]Berlin 1988 |
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ROLF STEININGER: Deutsche Geschichte 1945-1961 Darstellung und Dokumente in zwei Bänden Band 1 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt 1983 |
Autorenkollektiv unter Leitung von ROLF BADSTÜBNER: Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften [Ost-]Berlin 4. Auflage 1989 |
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CHRISTOPH KLESSMANN: Die doppelte Staatsgründung Deutsche Geschichte 1945-1955 Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 193 Bonn 3. Auflage 1984 |
Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR (Hg.): Grundriß der deutschen Geschichte Von den Anfängen der Geschichte des deutschen Volkes bis zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Klassenkampf - Tradition - Sozialismus VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften [Ost-]Berlin 2. Auflage 1979 |
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GERD GRUNER, MANFRED WILKE (Hrsg.): Sozialdemokraten im Kampf um die Freiheit Die Auseinandersetzungen zwischen SPD und KPD in Berlin 1945/46 Stenographische Niederschrift der Sechziger-Konferenz am 20./21. Dezember 1945 Piper Verlag München Zürich 2. Auflage 1986 |
Lektorenkollektiv des Lektorats Geschichte: Wörterbuch der Geschichte Bd. 1 A-K Bd. 2 L-Z Dietz-Velag [Ost-]Berlin 1983 |
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WILFRIED LOTH: STALINs ungeliebtes Kind Warum Moskau die DDR nicht wollte Deutscher Taschenbuch Verlag München 1996 |
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ARNO SCHOLZ, WALTHER G. OSCHILEWSKI (Hg.): Turmwächter der Demokratie. Ein Lebensbild von KURT SCHUMACHER Bd I. Sein Weg durch die Zeit Bd. II. Reden und Schriften Arani-Verlag Berlin-Grunewald 1953 f |
Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.): DDR-Handbuch Bd. 2 M-Z Verlag Wissenschaft und Politik 3.überarbeitete Auflage Köln 1985 |
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Sag mir, wo du stehst
1.
Zurück oder vorwärts, du mußt dich entschließen! Refrain: Sag mir, wo du stehst! Sag mir, wo du stehst. Sag mir, wo du stehst und welchen Weg du gehst. 2. Du gibst, wenn du redest, vielleicht
dir die Blöße, 3. Wir haben ein Recht darauf, dich zu
erkennen, Entstand 1966 im damaligen Berliner Hootenanny Klub und war das erste Lied der sich 1967 formierenden FDJ-Singebewegung, das einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde. |
http://www.jpc.de/jpcimages/big/7816747.jpg Amiga, AAD, 49-88, 7816747 Bei jpc kostet die CD "Die Partei hat immer recht" 23.95 DM Alle Titel sind als Real-Audio-Proben verfügbar, auch Das Lied der Partei, aber Real-Audio mag ich nicht. Nehmt lieber diese ZIP-Datei. LIED DER PARTEI (Die Partei hat immer recht) (1950) Vom deutsch-tschechischen Dichter LOUIS FÜRNBERG 1949 anläßlich des IX. KPC-Parteitages komponiert und auf tschechisch getextet, erlebte die deutsche Fassung beim 111. SED-Parteitag (20.-24.Juli 1950) ihre Uraufführung. Unter den riesigen Portraits von MARX, ENGELS, LENIN und STALIN predigte der frisch gewählte 1. Sekretär WALTER ULBRICHT den Kampf gegen Spione und Agenten, Trotzkisten und Überreste des Sozialdemokratismus in der Partei, der die erste Massensäuberung unmittelbar bevorstand. Die Ausschaltung jeder vermeintlichen oder echten parteiinternen Opposition kostete 1950/51 150.000 Genossen ihr Mitgliedsbuch. Eine monolithische SED, an der Spitze der gerade geschaffenen »Nationalen Front« stehend, proklamierte nun nicht nur unverblümt die bedingungslose Orientierung am sowjetischen Modell, sondern auch ihre führende Rolle und absolute Unfehlbarkeit. LOUIS FÜRNBERGs Lied der Partei« hat all dies verinnerlicht. Es ist hier in der deutschen Erstaufnahme von 1950 mit dem legendären Arbeitersänger ERNST BUSCH zu hören. Nach der Entstalinisierung des Jahres 1956 wurde im »Lied der Partei« die Textpassage » ... von STALIN geschweißt« stillschweigend ersetzt durch » ... von LENIN geschweißt« oder auch » ... im Kampfe geschweißt«. So wurde auch dieses Lied zum Objekt der Geschichtsfälschung: In einer Publikation der »Akademie der Künste« findet man 197o einen Abdruck der Lenin-Version - verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dieses sei die Originalfassung... |
Die Partei hat immer rechtSie hat uns alles gegeben. Die Partei, die Partei, die hat immer
Recht! Sie hat uns niemals geschmeichelt. Die Partei, die Partei, die hat immer
Recht! Sie hat uns alles gegeben, Die Partei, die Partei, die hat immer
Recht! |
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