Vorgeschichte
Korrespondenz mit der grünen Landtagsfraktion
eine Presseerklärung von Barbara Steffens, MdL, vom 23.4.2009
meine Anfrage dazu vom gleichen Tag, die unbeantwortet blieb
die Antwort von Bettina Tull vom 8.7.2009 auf meine Nachfrage
Reaktionen auf das Thema von anderen PolitikerInnen
Olaf Scholz
Bettina Herlitzius
Claudia Walther
Frank Thyssen
Eva-Maria Voigt-Küppers
Bilanz
Testergebnis
eigene Forderung
Exkurs: Jonathan Swift - A modest proposal
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Fünf Jahre nach 2 Gesetzeswerken der "rotgrünen" Bundesregierung, dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz und den Arbeitsmarktreformen, wurden Folgen offenbar, die man wohl nicht vorausgesehen hatte. Weil der für Gesundheit vorgesehen Anteil am "ALG2" bei den häufigsten Verhütungsmethoden und den üblichen Paarungsfrequenzen die entstehenden Kosten nicht decken kann, sollten zunehmend Frauen auffallen, die aus Armut ungewollt schwanger wurden und dann abtreiben ließen, was die Krankenkassen noch bezahlen. Das hatte Pro Familia untersucht und damit wohl PolitikerInnen wachgerüttelt. Waren früher die "nicht rechtswidrigen" Sterilisationen Kassenleistungen, so ab 2004 nur die "durch Krankheit bedingten" (Artikel 1, Pt. 11 GMG)
Auch wenn ich jetzt im Gesetzestext weder "Empfängnis" noch "Verhütung" finde, so hat doch schon am Internationalen Frauentag 2006 Pro Familia auf die Folgen dieses Gesetzes hingewiesen:
Frankfurt, 7. März 2006. Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2006 stellt die Familienplanungsorganisation pro familia gravierende Defizite in der Verhütungsversorgung in Deutschland fest. Die Kosten für Verhütung sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Insbesondere für Bezieherinnen von Sozialgeld und ALG II ist das Spektrum der möglichen Verhütungsmethoden aus finanziellen Gründen deutlich eingeschränkt.
Das Recht auf Informationen, Zugänglichkeit und Wahlmöglichkeiten der Verhütungsmethode ist international längst als Menschenrecht anerkannt. Die Möglichkeit zur Verhütung ist Voraussetzung zum Erhalt der reproduktiven Gesundheit und muss allen Frauen (und auch Männern) zur Verfügung stehen. Ist dies nicht gewährleistet, werden die Rechte von Frauen eingeschränkt. Es ist eine öffentliche Aufgabe, sicherzustellen, dass der Zugang zu Verhütungsmethoden nicht aus finanziellen Gründen oder durch unzureichende Versorgung behindert wird. Solche Behinderungen ergeben sich zum Beispiel durch das 2004 in Kraft getretene Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG)...
pro familia hat die Versorgungslage für Bezieherinnen von Sozialgeld und Arbeitslosengeld II in den einzelnen Bundesländern recherchiert und sieht dringenden Handlungsbedarf bei folgenden Punkten:
pro familia fordert: Kostenloser Zugang zu Verhütungsmethoden für Sozialgeld- und ALG II-EmpfängerInnen.
pro familia fordert: Ausnahmeregelungen für Einkommensschwache und eine konsequente Anerkennung medizinischer Gründe.
pro familia fordert: Rezeptfreie Vergabe der „Pille danach“, wie es bereits in 15 europäischen Nachbarländern sicher und mit gutem Erfolg praktiziert wird.
pro familia fordert: Damit Frauen nicht aus finanziellen Gründen auf diese Untersuchungen verzichten müssen, sollten sie in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden.
Um das Risiko ungewollter Schwangerschaften zu vermindern und Frauen eine unabhängig von ihrer finanziellen Situation die für sie verträglichste und passendste Verhütungsmethode anzubieten, sind gesetzliche Änderungen bzw. Nachbesserungen unbedingt notwendig.
„Frauen haben ein Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung im Bereich Familienplanung. Frauen in der Bundesrepublik erleben in den letzten Jahren zunehmend, dass dies nur noch zutrifft, wenn sie über ausreichend Geldmittel verfügen. Dies ist ein Skandal“, sagt Dr. GISELA NOTZ, Vorsitzende des pro familia-Bundesverbands.
pro familia-Bundesverband Frankfurt am Main, den 8. Februar 2006
Siehe dazu auch: ULRIKE BUSCH, ANNELENE GÄCKLE: Die Familienplanungslotterie Oder: Verhütung unter Druck. In: ProFamilia-Magazin 03/2007, S. 12-15
Drei Jahre später kam das Thema in der Politik an. Weil die Bundespolitik (~600 Abgeordnete, von denen die meisten auf die wenigen Mitglieder ihrer Fraktion im Gesundheitsausschuß hörten und sich selbst nicht weiter darum kümmerten), ein Problem schuf, mußten sich nun in Städten und Gemeinden und in den Bundesländern hunderte PolitikerInnen tausende Stunden mit dem geschaffenen Problem auseinandersetzen. So z.B. im Kreis Ostholstein (zufällig mit Google gefunden):
Im September 2009 hat sich der Frauenpolitische Arbeitskreis des Kreises Ostholstein mit dem Thema „ungewollte Schwangerschaften“ und dem Flensburger Projekt zur kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln beschäftigt. Die Stadt Flensburg ermöglicht seit April 2009 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern, die staatliche Leistungen (z.B. Hartz IV) beziehen oder ein geringes Einkommen haben, über das 20. Lebensjahr hinaus den Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln.
...Die Praxis zeigt, dass Frauen immer häufiger aus finanziellen Gründen auf sichere Verhütungsmittel verzichten und es so vermehrt zu ungewollten Schwangerschaften kommt.
...Es ist öffentliche Aufgabe, sicherzustellen, dass der Zugang zu Verhütungsmethoden nicht aus finanziellen Gründen behindert wird. Solche Behinderungen ergeben sich z.B. aus dem GMG. Deshalb sind auf Bundesebene gesetzliche Änderungen bzw. Nachbesserungen anzustreben. Bis diese greifen kann schnelle Hilfe nur durch (zeitlich befristete) kommunale Lösungen geschaffen werden. Zur Zeit beschäftigt die „kostenlose Pille“ verschiedene Kreistage und Stadtparlamente in S-H. Kreis Ostholstein:
Die Gleichstellungsbeauftragte und die Schwangerenberatungsstellen haben in einem Brief an alle Kreistagsabgeordneten des Kreises Ostholstein (siehe Brief an KT-Abgeordnete v.10.11.09) deutlich gemacht, dass ein Verhütungsmittelfonds sinnvoll und wünschenswert ist.
Am 12.11.2009 stellte die SPD-Fraktion einen Antrag "Eigenbestimmtes Leben" im Sozialausschuss. Danach solle im Haushalt 2010 ein „Verhütungsmittelfonds“ in Höhe von 40.000 € zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund weiteren Beratungsbedarfes wurde der Punkt auf die nächste Sitzung des Sozialausschusses vertagt. Auf der Sitzung am 1. März 2010 wurde dann ausführlich diskutiert. Am Ende erfolgte auf Antrag der grünen Fraktion dann ein einstimmiger Beschluss...
Und auch in meinem Bundesland wird das Problem behandelt, hier auf Landesebene.
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eine Presseerklärung von Barbara Steffens, MdL, vom 23.4.2009 | oben |
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW
PRESSEMITTEILUNG
74/09 Düsseldorf,&xnbsp;23. April&xnbsp;2009
Pille auf Staatskosten
Steffens: SPD-Frauen helfen ihren Männern auf die Sprünge
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„Wir freuen uns sehr, dass die ASF einen entsprechenden Antrag für den NRW-SPD Parteitag formuliert hat. Es wäre wunderbar, wenn sie über die NRW-SPD der Bundesregierung auf die Sprünge hilft, um endlich für Frauen mit geringem Einkommen die Pille auf Staatskosten einzuführen. Denn dies fordert der Arbeitskreis Frauen in Not, zusammen mit uns Grünen im Landtag, seit Jahren. Abgesehen von einzelnen Erfolgen auf kommunaler Ebene sind unsere Bemühungen auf Landes- und Bundesebene bisher gescheitert. Eine SPD-Unterstützung wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Frauen mit geringem Einkommen werden häufig von der Gesellschaft stigmatisiert, wenn sie ungeplant schwanger werden. Dass viele Frauen durch die strengen Hartz-IV Regelsätze und nicht vorhandene Mindestlöhne oder während der Ausbildung schlichtweg kein Geld für Verhütungsmittel haben, wurde gleichzeitig verschwiegen. Wichtig ist nicht nur, dass die Pille finanziert wird, sondern dass auch andere, verträglichere Verhütungsmittel kostenlos bereitgestellt werden.
Momentan stehen jeder Hartz-IV Empfängerin 13,88 Euro monatlich für die Gesundheitspflege zu. Durchschnittlich muss eine Frau, die eine Schwangerschaft vermeiden will, monatlich zehn bis fünfzehn Euro aufwenden. Dieser Betrag entspricht den durchschnittlichen Verhütungsmittelkosten inklusive der Rezeptgebühr. Dadurch stehen Frauen im Krankheitsfall vor der Wahl, entweder Verhütungsmittel zu kaufen oder die Zuzahlungen für notwendige Medikamente zu leisten.“
___________________________________
verantwortlich:Rudolf Schumacher- Pressesprecher -Fraktion Bündnis 90/Die Grünenim Landtag Nordrhein-WestfalenPlatz des Landtags 1 - 40221 DüsseldorfTel.: 0211 884 2180 - Fax.: 0211 884 2890
meine Anfrage dazu vom gleichen Tag, die unbeantwortet blieb | oben |
Sehr geehrte Frau Steffens,
Ihr Vorschlag scheint mir noch nicht perfekt, geht aber in die richtige Richtung.
Wäre es nicht besser, eine Abwrackprämie für Armut zu fordern? Immer wieder ergeben internationale Vergleiche, daß in Deutschland Armut vererbt wird. Dies zu verhindern, indem man die Sterilisation mit einer Prämie (es müssen ja nicht 2500 Euro sein, aber vielleicht ein zusätzliches ALG II, sozusagen 13. Monatsgehalt) fördert, entzieht der Armut den Nachwuchs. Konsequent weitergedacht sollten die Tafeln nur noch an Sterilisierte (und alte Frauen und nachweislich Homosexuelle) Lebensmittel ausgeben, die Tierschutzvereine machen die Tiere, die sie vermitteln, ja auch vorher unfruchtbar (sah ich in "Tiere suchen ein Zuhause").
Außerdem wissen gerade die Grünen oder müßten wissen, wieviel CO2 ein neues Leben verursacht. Wenn jeder, der ein Kind in die Welt setzt, dafür gleich schon Verschmutzungsrechte für 80 Jahre kaufen müßten, könnten Hartz-IV-Empfänger sich ohnehin nicht mehr vermehren.
Ich bin selbst sterilisiert (seit dem 23.5.1986, also nicht wg. ALG II) und langzeitarbeitslos (Aktenzeichen
31102 BG ******* [im Original nicht verschlüsselt]) und sehr froh, daß ich kinderlos blieb.Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler
die Antwort von Bettina Tull vom 8.7.2009 auf meine Nachfrage | oben |
Herr Schnitzler,&xnbsp;ich werde Ihre widerliche und menschenverachtende&xnbsp;Mail weder an Rudolf Schumacher noch an Barbara Steffens weiterleiten.&xnbsp; Bitte verschonen Sie uns in Zukunft mit ähnlichen Vorschlägen zur CO2-Vermeidung.&xnbsp;Bettina Tull&xnbsp;______________________________________&xnbsp;Bettina TullÖffentlichkeitsarbeit und EDVPressestelle Fraktion Bündnis 90/Die GrünenTel: 0211/884-2887Fax: 0211/884-2890______________________________________
Reaktionen auf das Thema von anderen PolitikerInnen |
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Olaf Scholz |
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Am 23. Juni 2009 sprach OLAF SCHOLZ, damals Bundesarbeitsminister, vor seinen Parteifreunden in Düren, aber Presse und Außenstehende durften auch dabei sein und sogar Fragen stellen. Ich meldete mich mehrmals zu Wort, beim zweiten mal sagte ich:
Sie haben auf die zukünftige Nachfrage nach Fachleuten hingewiesen, Sie haben aber nicht gesagt, woran das liegt, nämlich daran, daß wir weniger werden. Ich bin ein geburtenstarker Jahrgang, ich war in der Schülerschwemme, ich war in der Absolventenschwemme, jetzt bin ich in der Massenarbeitslosigkeit. Dadurch, daß wir immer weniger werden, haben wir erst die Chance, daß später mal eine Nachfrage nach Fachkräften ist, die gerade noch befriedigt werden kann. Und da frage ich Sie: Sollten wir nicht noch mehr in der Richtung unternehmen? Ich hab' jetzt zufällig mal 'was aktuelles von Pro Familia mit, da steht drin, der Landesparteitag wird darüber beraten, etwas zu reparieren, was 2004 von rotgrün im Gesundheitsmodernisierungsgesetz versiebt worden ist. Da hat man nämlich die Sterilisation und die Empfängnisverhütung aus den Krankenkassenleistungen rausgenommen. Folge: Jetzt kriegen Hartz-IV-Empfänger eher ein Kind und lassens abtreiben, als dasß sie Verhütungsmittel nehmen und im Grunde brauchen wir - Sie haben die Abwrackprämie gelobt - eine Abwrackprämie für Armut, daß wir Sterilisation noch fördern für Leute, die solche Leistungen beziehen. Wenn wir einen Hund aus dem Tierheim holen, ist er auch geimpft und kastriert.
Scholz legte während der Frage seinen Kopf schräg in seine Hand und wirkte irritiert. Dann sagte er:
Also mit Ihrer letzten Theorie kann ich wenig anfangen, deshalb will ich dazu auch nicht viel zu sagen, also da füllt mir nichts mehr kluges zu ein. Ich glaube, daß das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Und ich will ausdrücklich sagen, daß die Zahl der Menschen in Deutschland zurückgeht, finde ich keineswegs gut, weil unser ganzes wirtschaftliches Wachstum auch auf viele aufgebaut ist. Aber das Schlimmste wäre, wenn wir den Rückgang der jungen Leute nicht dazu nutzen, wirklich jedem eine Chance zu verschaffen. Und das ist die Hauptforderung, die wir miteinander zu bewältigen haben, daß niemand fallen gelassen wird und daß wir alles dafür tun, daß jeder immer wieder eine neue Möglichkeit bekommt.
Bettina Herlitzius |
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Am 15. September 2009 besuchte ich eine Podiumsdiskussion in Alsdorf, bei der ich ebenfalls eine Abwrackprämie für Armut vorschlug.
Ich hab' den Eindruck, daß rot-grün hier sehr geschont wird, aber man muß doch auch mal sehen, wieviel Mitverantwortung an der heutigen Situation sie tragen. Ich hab' mir das ausgedruckt, nicht weil ich meine eigenen Gedanken nicht ohne Papier formulieren kann, sondern weil hier Zahlen draufstehen. Ich hab' den Newsletter der grünen Landtagsfraktion abonniert und hat Frau STEFFENS, die gesundheitspolitische Expertin ist, im April verkündet, die SPD-Frauen haben eine gute Idee gehabt, die SPD-Frauen hatten nämlich gefordert, die Pille auf Staatskosten. Denn der Hartz-Iv-Satz sieht nicht nur für Bildung nichts vor, wie Herr HILGERS erklärt hat, sondern nur 13,88 Euro monatlich für Gesundheitskosten, wodurch man schon die Empfängnisverhütungskosten pro Monat nicht mehr decken könne, hatte die SPD herausgefunden. Jetzt kann ich das Blatt hinlegen.
Nur sollten Sie auch mal zugeben, daß Sie selber das verbockt haben. Sie haben 2004 ein Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Bund beschlossen, das nicht nur Praxisgebühr, Streichung von Fahrkosten und ähnliches vorgesehen hat, sondern auch die Empfängnisverhütung und die Sterlisation rausgenommen hat aus den Kassenleistungen. Seitdem muß das selbst bezahlt werden und Herr HILGERS kann dazu vielleicht mehr sagen, das betrifft insbesondere die Hartz-IV-Reform, deren Gedanke ja wahr, daß man nicht mehr einzelne Leistungen bekommt, einen kaputten Kühlschrank usw., sondern für alles benötigte was zusammensparen muß und wenn es dann anfällt von diesem Ersparten das bezahlen muß.
Und da ist jetzt die Frage. Einerseits rechne ich nicht damit, daß Sie sich zu Ihrer Verantwortung bekennen. Und andererseits - Sie wirken etwas uninteressiert - und da ist jetzt die Idee, wir müssen ja auch in die Zukunft schauen, wie OBAMA immer sagt, haben Sie irgendwas geplant, beispielsweise in Richtung Abwrackprämie. Wir erfahren ja [Werde zur Eile gedrängt], daß sich Armut in Deutschland vererbt. Wer heute in Deutschland ein Kind bekommt, dessen Kind ist später auch arm. Wer aber kein Kind bekommt, ich bin nicht nur parteilos, sondern auch kinderlos, wer kein Kind bekommt, hat auch später dafür gesorgt, daß es keine Armen gibt. Und wenn Sie jetzt sagen, wir wollen nicht nur, daß die Pille auf Staatskosten bezahlt wird, wir geben jedem 'ne Prämie für die Sterilisation, damit später weniger Leute Hartz IV bekommen. Das wär' doch mal 'ne Idee.Die grüne Kandidatin BETTINA HERLITZIUS überraschte mit der Antwort, sie seien damals (beim Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004) in der Opposition gewesen und mußte von ihrem SPD-Nachbarn auf den Boden der Tatsachen geholt werden. Dann sprach sie über die Praxisgebühr, aber nicht über die Herausnahme der Reproduktion aus den Kassenleistungen.
Es gibt sicher eine ganze Reihe Probleme im Detail, wo jetzt Regelungen sind, die nicht richtig sind. Ich habe auch keine Lust mich hier für die Gesundheitsreform, wo wir nur zum Teil beteiligt sind, zu entschuldigen. Die Praxisgebühr, das ist ULLA SCHMIDT persönlich, das ist später enstanden, da waren wir schon nicht mehr dabei.
Ich möchte noch zu Hartz IV kommen, zu dieser Grundsatzfrage, das möchte ich nicht so im Raum stehen lassen. Wir haben Hartz IV, und ich denke, das war schon Konsens und da verstecken wir uns nicht dahinter. Ziel dieser Reform war, Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen. Wir wollten die Maßnahmen und die Möglichkeiten für Menschen bündeln, um sie wirklich gezielt auf denjenigen zu machen... [Es folgt noch eine Minute.]
Der sozialdemokratische Kandidat brachte es auf den Punkt:
Mich interessiert nur noch, wo Sie da waren, bei der Praxisgebühr. Ich meine, die ist von der rotgrünen Bundesregierung 2004 beschlossen worden und da waren Sie oder Ihre Vorgängerinnen und Kollegen dabei [Frau HERLITZIUS ist Bundestags-Nachrückerin.] Zu dieser Detailfrage in Bezug darauf, ob wir jetzt den Empfängern von Sozialhilfe erstatten sollte...
Moderator unterbricht: ne ne ne. Da steigen wir jetzt nicht mehr drauf ein.
PETERS: Da kann ich meine Wortmeldung ja noch beenden? Ich weiß ja nicht, was ich noch sagen darf. Wozu darf ich denn noch was sagen?
Moderator: Sie dürfen alles sagen
Aber dann bekam ich dazu keine Antwort mehr, sondern der Kandidat äußerte sich zu anderen Aspekten. Ich hatte die Praxisgebühr nur erwähnt, damit das Publikum wußte, von welchem Gesetz ich sprach. Ich lernte nun, daß man solche Erläuterungen besser läßt und konkreter fragt. Natürlich war meine Frage auch zu lang. Ich habe später hoffentlich daraus gelernt.
Einen Tag später begegnete ich Frau HERLITZIUS bei einer angekündigten, aber ausgefallenen Exkursion in Aachen wieder. Da bestätigte sie zwar, sich geirrt zu haben, nannte meine Vorwürfe aber "böse". Danach schrieb ich ihr:
ich habe Sie, Frau HERLITZIUS am Dienstag auf eine Folge rotgrüner Politik angesprochen, als ich in Alsdorf erwähnte, daß seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004 Verhütung und Sterilisation keine Kassenleistungen mehr sind, daß aber für die gesamte Gesundheit laut newsletter der Landtagsgrünen im ALG-II-Satz nur 13,88 Euro monatlich zur Verfügung stehen, also vielfach eigentlich zu wenig für Verhütung.
Nachdem sie erst noch alle Schuld zurückgewiesen haben, haben Sie sich eben bei meinem Besuch in Ihrem Wahlkampfbüro, wo die Führung zur jüdischen Geschichte starten sollte, zwar informierter gezeigt, aber mir doch Bosheit bei der Bewertung der rotgrünen Regierungszeit vorgeworfen. Es gebe z.B. durchaus noch Möglichkeiten für Fallmanager, in Einzelfällen spezielle Bedarfe zu bezahlen. Ich meinte dazu, wenn Presse, Funk und Fernsehen aufmerksam werden, dann entscheide man vielleicht mal im Einzelfall.
Ich habe nun einen Einzelfall, den von MARTINA SCHEEFELDT aus Celle, herausgesucht, der ebenfalls mit den Änderungen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes zusammenhängt. Da ist mir aber bisher keine positive Entscheidung bekannt geworden. Es geht darum, daß seit 2004 Fahrtkosten nicht mehr übernommen werden:
Ich wohne in Celle bei Hannover, bin alleinerziehend und im Hartz IV-Bezug.
Meine Tochter und auch mein Sohn mussten beide zu einer Untersuchung, bei der festgestellt werden sollte, ob eines der Kinder Diskalkulie, das andere Dislexie hat. Jedoch ist meine Heimatstadt mit solch einem Spezialisten nicht ausgestattet, so dass ich mit den Kindern nach Hannover fahren musste. Meine Tochter musste dann auch noch ins benachbarte Braunschweig, um dort in einem Zentrum für Hörgeschädigte einen speziellen Hörtest machen zu können, der nicht mehr in meiner Heimatstadt möglich war, weil HNO-Ärzte ihn nicht mehr bezahlt bekommen.
Ich habe mir bei der Krankenkasse die Finger wund gewählt, beim hiesigen Sozialamt Türen eingerannt, bei der Stadt Celle gebettelt, damit ich meine Kinder medizinisch so untersuchen lassen kann, dass sie keine Schwierigkeiten in der Schule durch therapierbare Lernschwächen bekommen. Niemand war bereit, die Kosten, von ca. 90 Euro für die Fahrten zu übernehmen. 90 Euro sind für uns eine Woche Einkaufen. Das Ende vom Lied war, dass ich, fast eine Woche lang, keine Lebensmittel einkaufen konnte. Das nenne ich Sparen am falschen Ende.
Ich meine mich auch an einen Bericht eines Fernsehmagazin aus dem Jahr 2004 zu erinnern, der über einen chronisch Kranken berichtete, der sich Taxifahrten zu wichtigen Behandlungen nicht mehr leisten konnte und dann gestorben ist. Damals war für mich klar, daß rotgrün über Leichen geht. Wären KURNATZ und EL MASRI in amerikanischer Haft gestorben, hätte man sich wahrscheinlich auch die Hände gerieben. Da wundern Sie sich, daß ich böse werde?
Ja ich bin böse, aber ich bin nicht menschenverachtend, wie mir Ihre Parteifreundin BETTINA TULL (Webmasterin der grünen Landtagsfraktion) unterstellt. Menschenverachtend sind doch eher die PolitikerInnen, die solche Schicksale erst möglich machen.
Es hätte mich auch gefreut, wenn Sie gestern in Alsdorf auf meine Frage (Förderung der Sterilisation als Mittel dagegen, Armut zu vererben, sozusagen als Abwrackprämie) eingegangen wären, statt auf die Praxisgebühr auszuweichen. Von der Landtagsfraktion bekomme ich nämlich keine Antwort.
Eine Antwort habe ich nicht erhalten
Claudia Walther |
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Eine SPD-Veranstaltung über "Auswirkungen der geplanten Gesundheitsreform", die bemüht in den Landtagswahlkampf eingefügt wurde, weil ja die Landesregierung im Bundesrat darüber mit abstimmt, außerdem die Investitionen in Krankenhäuser ein landespolitisches Thema seien, und da liege NRW an letzter Stelle unter allen Bundesländern, fand am 13. April 2010 in Aachen statt. Die Landtagskandidatin CLAUDIA WALTHER und der Sozialdemokrat WALDEMAR RADTKE von der AOK-Regionaldirektion Rheinland-Hamburg traten auf.
Während Frau WALTHER gleich zugab, keine Gesundheitsexpertin zu sein, die Themen des Abends aber geschickt in die SPD-Wahlversprechen einband, konnte Herr RADTKE mit Kompetenz überzeugen. Er betonte:Ich wies auch auf die landespolitischen Auswirkungen der Gesundheitspolitik hin, vermied aber frühere radikale Forderungen (Verschmutzungsrechte kaufen, Ausgabe der Tafel-Lebensmittel nur an Sterilisierte...):
WALDEMAR, du hast ja davon gesprochen, daß die Gesundheitsversorgung nicht privatisiert werden darf und man droht wohl mit der Zahnmedizin anzufangen. So reden Oppositionspolitiker. Wenn die SPD in der Opposition ist, dann hör' ich RUDOLF DRESSLER, OTTMAR SCHREINER oder früher EUGEN GLOMBIG, und die reden alle recht vernünftig, aber wenn sie regiert, dann höre ich GERHARD SCHRÖDER, WOLFGANG CLEMENT und FLORIAN GERSTER. Und wenn ich hier gesagt bekomme, ja wir konnten mit ULLA SCHMIDT nicht alles durchsetzen im Gesundheitsfond, ja was war denn mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004? Da war ja nicht die große Koalition, und da hat es Auswirkungen bis in die Landespolitik...
Ich bekomm' den Newsletter der grünen Landtagsfraktion und hab' da vor 2 Jahren erfahren: Die SPD-Frauen hatten einen guten Vorschlag und die Grünen unterstützen den. Ich weiß allerdings nicht genau, was da der Vorschlag war, vielleicht erfahr' ich das noch. Es geht dadrum, daß mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz die Empfängnisverhütung wohl "Lifestyle" und Privatsache wurde. Sterilisation wird nicht mehr bezahlt und verschiedenes andere noch. Jetzt hat man rausgefunden, die Unterschichtsfrauen werden unter Umständen schwanger, weil sie sich die Verhütung nicht mehr leisten können, und da hat die SPD in Nordrhein-Westfalen sich irgendwas ausgedacht. Nur, jetzt schalte ich auch schon mal gelegentlich NDR an und ich gucke im Internet woanders rein. In anderen Bundesländern denkt man sich auch was aus, in kommunalen Gremien denkt man sich was aus. Bloß weil die SPD 2004 mit den Grünen irgendwas entbürokratisiert oder vereinfacht hat, wie jetzt mit den Verkehrszeichen, müssen plötzlich hunderte Politiker in Bund und Land sich irgendwas ausdenken, weil es ein Problem gibt. Da hab' ich wiederum ein Problem, diese Partei noch glaubwürdig zu finden.
CLAUDIA WALTHER lobte die offene Diskussion auf dem Dresdner Parteitag, bekannte, daß Bundes- und Landesregierung Fehler gemacht haben und daß man diskutieren müsse, wo Korrekturen nötig sind. Sicher betreffe das auch den Gesundheitsbereich. Konkreter wurde der von mir angesprochene AOK-Experte:
Ich mach's kurz: GMG 2004 ist keine Großleistung gewesen, manche Gesetze, keine Frage. Da bin ich voll und ganz deiner Meinung auch. Wir haben Verschiebungen von Sozialleistungen erfahren, teilweise, die nicht mehr verantwortbar waren, insbesondere seit 1990 aufgrund der Erweiterung des Bundesgebietes. Die große Verschiebung hat da stattgefunden von sozialfremden Leistungen, die mit der Versicherung überhaupt nichts mehr zu tun haben. Daß danach Gesetze letztendlich dazu beigetragen haben, das eine oder andere nicht positiv zu beeinflußen, ist überhaupt keine Frage, aber deshalb gilt es umso mehr, dieses [unverständlich] zu verändern. Verhütung z.B geht jetzt nur noch bis zum 18. Lebensjahr über die gesetzliche Krankenversicherung. Da kann man drüber nachdenken, ob es nicht Möglichkeiten gibt, überhaupt keine Frage. Weil das ist auch keine Sache des Preises, das muß man einfach mal sehen, ne. Da wird kein müder Euro mehr erforderlich sein gegenüber dem, was wir jetzt haben.
Frank Thyssen |
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Bei einer Podiumsdiskussion am 25. April 2010, also vor der Landtagswahl in NRW, in der es um Kinderarmut ging, äußerte der Kandidat der Linken, FRANK THYSSEN, die Ansicht, Kindergeld dürfe nicht auf Sozialhilfeleistungen angerechnet werden:
Ich hatte ein Gespräch mit einem Staatssekretär ... der anführte, warum sowas gemacht wird. Es geht um den Grund der demographischen Entwicklung. Und das heißt ganz einfach: Arme Leute sollten keine Kinder kriegen. Und das kann nicht Ziel sein, diese Leute so auszugrenzen.
Das gab mir Gelegenheit, nachzufragen:
Ich habe gar nicht gedacht, daß das Thema aufkommt, aber Herr THYSSEN hat eben angesprochen, und er findet das irgendwie böse oder so, aber ich finde, selbst die Mittelschicht sollte sich überlegen, ob sie noch Kinder bekommen soll! Ich hab' als noch hoffnungsvoller Hochschulabsolvent 1986 nicht gedacht, daß ich jemals in die Unterschicht abrutsche und bin jetzt Hartz-IV-Empfänger seit mehreren Jahren. Ich hab' mich damals sterilisieren lassen; das war war noch vor dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das das SCHRÖDER-Regime 2004 verursacht hat, damals 'ne Kassenleistung. Das hat mich nix gekostet! Ich finde, heute sollte man sogar 'ne Prämie auszahlen, wenn Hartz-IV-Empfänger sich unfruchtbar machen lassen, denn OECD usw. sagt uns immer Armut wird in Deutschland vererbt! Ja dann sollte man doch mal aufhören mit dem Vererben! Und die Grünen sollten eigentlich dafür sein, wenn sie bedenken 18 to CO2-Ausstoß durch 'nen neuen Menschen pro Jahr. Da kann man auch einiges sparen.
FRANK THYSSEN antwortete:
Diese Äußerung ist 'ne ganz klare Ausgeburt von Sozialdarwinismus. Es kann nicht Ziel sein, nach Gehalt oder Reichheitsgrad oder Vermögen zu bestimmen, ob jemand Kinder kriegen darf oder nicht! [Ich rufe dazwischen: "Nein, nicht dürfen, aber wer nicht will sollte unterstützt werden."] Es gibt eine ganze Menge Ärzte, Richter, die aus Familien kommen, [etwas unverständlich, wohl sinngemäß, die unter dem Bundessozialgesetz gelebt haben], und die heute Träger und Stützen dieser Gesellschaft sind. Diese Äußerung tendiert [?] in eine Richtung und auf einen Zug, den es hier in Deutschland gegeben hat, und das wir nie wieder erleben wollen. Ich sag nur ein Beispiel: Euthanasie. Natürlich ist das direkt nicht damit zu vergleichen, aber es geht in dieselbe Richtung.
Eva-Maria Voigt-Küppers |
oben |
Der bei gleicher Gelegenheit anwesende Grüne betonte, man müsse daran arbeiten, daß es sich wieder lohne, Kinder zu bekommen. Er bedauerte, daß die Diskussion etwas in die falsche Richtung gehe. Das konnte sich natürlich sowohl auf meine Frage als auch auf THYSSENs Antwort beziehen.
Dann antwortete mir auch die SPD-Politikerin EVA-MARIA VOIGT-KÜPPERS
Ich möchte gerne anknüpfen, wo der Herr HEIDENREICH [von den Grünen] aufgehört hat. Also der Schluß, es ist alles so schlimm und deshalb unterstützen wir die Leute, die keine Kinder mehr haben wollen, der ist verkehrt. Wir brauchen Kinder! Unsere Gesellschaft braucht Kinder. Ganz ganz viele Probleme haben wir heute schon, weil wir nicht mehr genügend junge Leute haben. Da denk ich nur an das Rentensystem, das wird zunehmend schwierig, weil wir immer weniger Junge und immer mehr Alte haben. Insofern müssen wir hingehen und sagen: Wir wollen Kinder und wir wollen alles für die Familien tun, damit die auch wieder Kinder haben wollen. Und deshalb wollen wir die Familien unterstützen und nicht nach dem Motto [Satz bricht hier ab] Daß bei der Empfängnisverhütung einige Probleme sind und daß darüber nachgedacht werden muß, daß man empfängnisverhütende Mittel kostenfrei an bestimmte Empfänger weitergibt, das ist eine völlig andere Frage. Grundsätzlich müssen wir alles tun, um Familien zu unterstützen. Das ist auch vom Grundgesetz gewollt. Familien haben es heute schwer und deshalb haben wir als Staat die Aufgabe, Familien zu unterstützen. Und das geht nicht in diese Richtung.
Das hinterläßt bei mir zwiespältige Gefühle. Vielleicht ist sie mit der vorherigen Diskussion des Themas in Parteigremien vertraut und erkennt deshalb, daß es beim kostenlosen Zugang zur Empfängnisverhütung um eine andere Frage geht. Und die Gelegenheit zu nutzen, allen Familien Förderung zu versprechen, ist legitim.
Entsetzt bin ich aber über den Versuch, Kinderkriegen dem Zweck Rentensystem unterzuordnen. Das ist eine Theorie, die von EVA HERMANN bis MEINHARD MIEGEL meist unter Berufung auf den Bevölkerungsforscher HERWIG BIRG propagiert wird. Daß dem der Statistiker GERD BOSBACH seit Jahren mit guten Argumenten widerspricht [Beispiel], können zwar ZuschauerInnen von ARD und Phoenix wissen, denn dort wurde mehrfach darüber berichtet, ist aber auch bei der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidatin der SPD HANNELORE KRAFT noch nicht angekommen, wie sie im Duell mit JÜRGEN RÜTTGERS zeigte. Da muß EVA-MARIA VOIGT-KÜPPERS es auch nicht wissen.
Erstaunlich, daß FRANK THYSSEN da nicht protestiert hat. Er will doch nicht Kinder von der demographischen Entwicklung abhängig machen! In Wirklichkeit ist der Zusammenhang von Rentnerschwemme und Kindermangel diffiziler. Die Erwerbstätigen erarbeiten den gesamten Verzehr von Gütern und Dienstleistungen auch für die Nichterwerbstätigen mit. Wenn schon dadurch Schwierigkeiten entstehen, dann müssen doch die Nichterwerbstätigen komplett betrachtet werden, also RentnerInnen, Kinder und Arbeitslose, denn die müssen mit durchgefüttert werden. Und da sieht man schon, daß mehr Rentnern eine Entlastung, wenn auch vielleicht in geringerem Ausmaß, durch weniger Kinder gegenüber steht. Wenn diese beiden Gruppen die Volkswirtschaft fordern, wird aber die Gruppe der Arbeitslosen geringer. Sind hingegen nicht alle arbeitsfähigen Menschen nötig, um die benötigten Güter und Dienstleistungen herbeizuschaffen, wird die Gruppe der Arbeitslosen größer.
Zudem wird sogar ein geringes Wachstum, das ja angeblich keine Arbeitsplätze schafft, da schon der Produktivitätsfortschritt bei gleichem Einsatz Wachstum ermöglicht, mehr Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen, so daß die steigende Rentnerzahl damit versorgt werden kann, ohne daß es den Erwerbstätigen dadurch schlechter gehen muß. Selbst ohne Wachstum bei konstanter Produktion müßte eine sinkende Bevölkerungszahl jedem mehr vom Kuchen bieten können.
Zwar heißt es, "junge" Gesellschaften seien produktiver oder innovativer, aber auch, gerade in jungen Gesellschaften gebe es mehr überzählige Männer, die leicht zu Gewalttaten oder Kriegen eingesetzt werden können. Was knapp ist, ist wertvoll, Rentner werden es also nicht sein, aber z.B. Einzelkinder in China und Westeuropa. Und das wird dem vergreisenden Deutschland gut tun. Schon jetzt schwindet die "Generation Praktikum" und der Kampf um Lehrstellen wird abgelöst durch den Kampf um Auszubildende.
Bilanz |
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Testergebnis |
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Meine Korrespondenz mit der grünen Landtagsfraktion hat den Newsletter nur zum Anlaß genommen, die Wut über m.E. verkorkste rotgrüne Politik auszudrücken. Anders als bei der SPD habe ich bei den Grünen Anlaß, deren Schwerpunkt Luftverschmutzung satirisch aufzugreifen. Die Abwrackprämie für PKWs (offiziell "Umweltprämie") war auch noch recht aktuell, und wenn man schon etwas vorübergehend für erwünscht erklärt, gegen das es auch gute Gründe gibt, dann kann man doch wohl auch einmal dieses Prinzip auf andere Lebensbereiche übertragen. Meine Aktion war mit der Antwort BETTINA TULLs beinahe abgeschlossen.
Spätere Gelegenheiten ergaben sich teils spontan und für mich unerwartet. Es zeigte sich, daß PolitikerInnen auf bekannte Stichworte gerne wie geplant reagieren, aber auf überraschende Ideen manchmal hilflos wirken. Bei meinen Fragen konnte ich nicht nach sozialwissenschaftlichen Maßstäben Vergleichbarkeit erreichen. Das habe ich auch nicht gewollt, denn dann hätte ich allen PolitikerInnen im gleichen Tonfall den gleichen Text vorsprechen müssen. Ich habe nur Gelegenheiten genutzt, Stichworte aufzugreifen. Das war bei SCHOLZ die von ihm hoch gelobte Abwrackprämie. HERLITZIUS, THYSSEN und VOIGT-KÜPPERS äußerten sich in verschiedenen Veranstaltungen zum Thema "Kinderarmut". Da war es naheliegend, eine Ursache der Armut und eine mögliche Abhilfe anzusprechen. RADTKE und WALTHER sprachen zur Gesundheitspolitik, und so setzte ich hier zwei andere Schwerpunkte: Glaubwürdigkeit (vor Privatisierung von Kosten warnen, selbst aber damit angefangen zu haben) und landespolitische Auswirkungen der Bundespolitik (hier Zuschüsse zu nicht mehr übernommenen Kosten).
Mein eigenes Auftreten ist dabei nicht perfekt gewesen (mit meinen E-Mails bin ich wohl zufrieden, die waren genau überlegt) und hat es den Angesprochenen leicht gemacht, mich mißzuverstehen oder als Spinner abzutun. Sie hätten dann aber die klar benannten Anlässe (Zunahme der kassenfinanzierten Abtreibungen, Vererben der Armut nach OECD-Studien) übergehen müssen.
eigene Forderung |
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Als Linksliberaler will ich eine freiheitliche Lösung ohne staatlichen Einfluß, wie die Bevölkerung sich zu entwickeln, bzw. wie Paare und Individuen sich reproduktiv zu entscheiden haben. Mir ist sowohl suspekt, wenn der Staat Druck ausübt, um Geburten zu verhindern, als auch, um sie zu fördern. Die 2004 abgeschafften oder geänderten Bestimmungen sahen durchaus neutral vor, sowohl Verhütung als auch die Behandlung von Fruchtbarkeitsproblemen zu bezahlen. Es wird nun einseitig, aber außerhalb betroffener Kreise weitgehend unbemerkt, dafür gekämpft, zur Regelung vor 2004 zurückzukehren:
Die Kassen übernehmen seit 2004 die Behandlung nur noch zu 50 Prozent der Kosten, nach dem dritten Anlauf muss das Paar die Kosten selbst tragen. Daraufhin sank die Zahl der Behandlungen zur künstlichen Befruchtung um die Hälfte. [Die damalige Thüringer Sozialministerin CHRISTINE, N.S.] LIEBERKNECHT will sich in einem Gespräch am 6. März mit [der damaligen Bundesgesundheitsministerin ULLA, N.S.] SCHMIDT dafür einsetzen, dass die IvF wieder von den Kassen vollständig erstattet wird.
"Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht wieder zu der Regelung von vor 2004 zurück kehren sollten", sagte LIEBERKNECHT auf Anfrage der "Ärzte Zeitung". Bereits im Sommer 2008 hatte sich Thüringen zusammen mit dem Saarland und Sachsen in einer Bundesratsinitiative dafür ausgesprochen, die In-vitro Fertilisation (IvF) wieder eine vollständige GKV-Leistung wird. Die anderen Länder stimmten der Initiative zu - Gesundheitsministerin SCHMIDT widersprach postwendend, denn eine Vollfinanzierung sei eine familienpolitische Aufgabe (wir berichteten). Familienministerin URSULA VON DER LEYEN (CDU) forderte nach dem Vorstoß Sachsens mehr Unterstützung für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Ob ihr Ressort künftig die IvF bezahle, blieb aber offen.
LIEBERKNECHT dagegen beharrt auf der Forderung des Bundesrates. Natürlich könne jedes Bundesland Gelder aus dem Landeshaushalt dafür verwenden. "Doch der Flickenteppich sollte hier nicht zu bunt werden", so LIEBERKNECHT.
Der Teppich wird in der Tat derzeit mit vielen Fäden geknüpft: Sachsen leistet bis zu 1800 Euro für Paare, die gerne Eltern werden wollen. "Ich hoffe, viele Länder schließen sich unserem guten Vorbild an", sagte CDU-Politikerin CHRISTINE CLAUß.
REBECCA BEERHEIDE: Wer soll die künstliche Befruchtung bezahlen? Ärzte Zeitung, 03.03.2009
Leider wurde bei der Gelegenheit nicht über die andere Seite der Reproduktion, die Verhütung, gesprochen.
Ich unterstütze die eigentlich berechtigten oben zitierten Forderungen Pro Familias genau so wenig wie die vielfältigen Versuche etwa wie im Kreis Ostholstein die Not mit punktuellen Fonds zu lindern. Denn letztlich führt das wieder dazu, daß Menschen Amtspersonen ihre persönliche Situation darlegen müssen. Gegen die geplante Kopfpauschale wird ja ähnlich eingewandt:
Die Kopfpauschale ist für den Staat teuer, weil jetzt auch Menschen dazu gezwungen werden, Sozialleistungen anzunehmen, die bislang keine Sozialleistungen entgegennehmen wollten. Diese Leistungen beschränken sich dann nicht nur auf die Krankenkassen- Zusatzkosten, sondern auf alle Sozialleistungen. Das bedeutet, dass durch diejenigen, die am Existenzminimum bislang noch ohne Hilfe des Staates leben konnten, erstens zusätzliche Verwaltungskosten entstehen und zweitens die auszuzahlenden Sozialleistungen dazugerechnet werden müssen.
Hinzu kommt der bürokratische Aufwand, mit denen die Ärmsten unserer Gesellschaft noch belastet werden.
Kopfpauschale - Ja oder Nein? Kennzeichen Digital - Das BlogMan kann auch Menschen, die genug haben, um diese Leistungen selbst zu bezahlen, mit Beiträgen und Steuern soviel abnehmen, daß genug Geld im System ist, um allen die Verhütung zu zahlen. Dieses indirekte Verfahren ist würdig und zivilisiert.
Falls man es noch nicht gemerkt hat: Ich lehne es ab, ein Recht auf Vermehrung vom Kauf von Verschmutzungsrechten abhängig zu machen. Das wäre ohnehin verfassungswidrig, widerspricht aber auch meinen Vorstellungen von Freiheit. Mit der Idee wollte ich nur grüne Spaßbremsen provozieren.
Eine "Abwrackprämie" lehne ich nicht strikt ab. Der Staat kann m.E. durchaus darauf hinweisen, daß nun die Zukunft eines eventuell geplanten Kindes noch sehr von den Lebensumständen der Eltern abhängt. Wird wie bei der "Umweltprämie" für Neuwagen niemand gezwungen, davon Gebrauch zu machen, so ist das noch in Ordnung. Nötig scheint es aber schon deshalb nicht, weil mir inzwischen berichtet wurde, daß die Neigung zum Kinderzeugen bei Langzeitarbeitslosen ohnehin sehr sinkt. Zwar sind sehr viele Kinder in Deutschland von Sozialleistungen abhängig, aber die meisten wurden noch gezeugt, als ihre Eltern noch nicht ALG-2-berechtigt waren. So blöd sind wir doch nicht!
Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Wird die Erderwärmung uns das Leben vermiesen mit Tropenkrankheiten auch in Deutschland, mehr Regen und neuen Küstenlinien? Wird die Wirtschaft so produktiv, daß noch weniger Leute alles erledigen und noch mehr arbeitslos sind? Wird das Alter wirklich so problematisch, oder werden heutige Probleme wie Alzheimer durch Medikamente und Pflege durch Pflegeroboter gelöst? Wird wirklich rechtzeitig Ersatz für schwindende Rohstoffreserven gefunden? Diese Unsicherheit erlaubt m.E. keine allgemeingültigen Vorschläge sondern kann nur von Paaren individuell beurteilt werden. Diese Verantwortung ist schwer und nicht übertragbar. Mich stört aber, daß fast nur die Warner vor dem Aussterben und der Vergreisung gehört werden.
Nach bisherigen Erfahrungen sind geburtenstarke Generationen ideale Lohndrücker und ideales Kanonenfutter. Für das Militär braucht man aktuell in Deutschland kaum Nachschub, denn selbst in Afghanistan ist der Schwund geringer als durch den früher mangelnden Nichtraucherschutz, der für jährlich 3300 Tote in Deutschland verantwortlich gemacht wird. Es gibt so vieles, was Menschenleben retten kann. Der Wunsch nach Lohndrückern ist bei interessierten Kreisen natürlich hoch, und statt Menschen zu qualifizieren wird eher an Verlagerung der Produktion oder Anwerbung von Beschäftigten in anderen Staaten (green card) gedacht. Der Politik traue ich durchaus zu, auf die falschen Experten zu hören, wie es auch schon bei der zusätzlichen Selbstbeteiligung an der Altersvorsorge geschah.
Exkurs: Jonathan Swift - A modest proposal |
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Meine angeblich menschenverachtenden an Euthanasie grenzenden Vorschläge gingen längst nicht so weit wie die viel ältere Satire von JONATHAN SWIFT.
A Modest Proposal: For Preventing the Children of Poor People in Ireland from Being a Burden to Their Parents or Country, and for Making Them Beneficial to the Public (dt. Ein bescheidener Vorschlag: Um zu verhindern, daß die Kinder der Armen in Irland ihren Eltern oder dem Staat zur Last fallen, und um sie nutzbringend für die Allgemeinheit zu verwenden.) aus dem Jahr 1729 ist die bekannteste Satire von JONATHAN SWIFT (1667–1745).
Zur Lösung von Überbevölkerung, Armut und Kriminalität in Irland schlägt er darin vor, irische Babys als Nahrungsmittel zu nutzen und durch Export Profit daraus zu schlagen. Swift überzeichnet dabei diverse damals diskutierte Vorschläge, wie etwa die Armen nach dem Vorbild einer Aktiengesellschaft zu organisieren, oder die heute noch übliche Praxis, Menschen als Humankapital bzw. Ressource zu betrachten. Ob Eltern dann noch ihren Kindern in die Augen schauen können?
Wikipedia (dt): A modest proposalSWIFT schrieb u.a.:
Allerdings kann ein so eben geworfenes Kind mit Milch ein ganzes Jahr lang, bei wenig anderem Futter, ernährt werden; jene andere Nahrung würde höchstens 2 Schillinge kosten und die Mutter kann dieselben entweder im Abfall aus Küchen, oder durch ihr eigenes rechtmäßiges Gewerbe, durch Betteln, sich zusammenbringen; allein gerade in Alter von einem Jahre werde ich durch meinen Vorschlag für die Kinder in solcher Weise sorgen, daß dieselben anstatt ihren Eltern oder der Armenkasse zur Last zu fallen, oder Nahrung und Kleider ihr ganzes Leben lang zu entbehren, im Gegentheil zur Ernährung und theilweise auch zur Kleidung vieler Tausende beitragen werden.
Noch ein anderer großer Vortheil wird durch meinen Entwurf geboten; es wird nämlich das Abtreiben der Geburten und jenes grauenhafte Verfahren hindern, nach welchem Weiber ihre unehelichen Kinder ermorden. Sie opfern auch die armen unschuldigen Geschöpfe zu häufig, wie ich glaube, nicht um sich die Kosten, sondern [31] um sich die Scham zu ersparen, ein Umstand, der Thränen und Mitleid in der wildesten und unmenschlichsten Brust erregen muß...
Ein sehr kenntnißreicher Amerikaner meiner Bekanntschaft, in London ansäßig, hat mir die Versicherung gegeben, daß ein junges, gesundes, wohlgenährtes Kind vom Alter eines Jahres ein höchst schmackhaftes Nahrungsmittel und eine gesunde Speise bietet, ob geschmort, gebraten, gebacken oder gekocht; und ich zweifle gar nicht, daß es ebenfalls als Fricassée oder Ragout sich wird anwenden lassen.
Deßhalb mache ich der Ueberlegung des Publikums den demüthigen Antrag, daß von den schon berechneten 120,000 Kindern 20,000 zur Zucht zurückbehalten werden, wovon ungefähr ein Viertel männlichen Geschlechts sein können; diese Zahl des letzteren ist größer als diejenige, welche wir für Schaf-, Rindvieh- und Schweinezucht bestimmen; da ohnehin diese Kinder selten die Früchte der Ehe sind, ein Umstand, der von den Wilden nicht [33] sehr in Betracht gezogen wird, so kann ein männliches Kind für vier weibliche aufbewahrt werden. Die übrigen 100,000 mögen im Alter eines Jahres den Personen von Stand und Vermögen im Königreiche zum Verkauf angeboten werden; den Müttern muß man hiebei die Anweisung geben, das Kind im letzten Monat reichlich zu säugen, um es fleischig und fett für einen guten Tisch zu machen. Ein Kind kann bei einer Bewirthung von Freunden zwei Gerichte bilden: speist die Familie allein, so wird das Vor- oder Hinterviertel eine gute Schüssel abgeben und, mit Pfeffer und Salz gewürzt, sich noch am vierten Tage, besonders während des Winters, gut kochen lassen.
Hintergrundmusik: intheghetto.mid
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Text dazu