Am 4. März besuchte ich in Ost-Berlin die Gedenkstätte Hohenschönhausen in der Genselerstraße 66. Dort wird an ein sowjetisches Speziallager und ein Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit erinnert. Die Genselerstraße ist etwas verwinkelt und da die Zeit knapp war, fragte ich einen Passanten, der mir nicht nur den Weg wies, sondern mich auch als Aachener erkannte (wahrscheinlich am Kennzeichen). Angeblich fragen Männer ja nicht nach dem Weg, sondern fahren lieber hilflos suchend umher, aber ich bin kein normaler Mann. (Ich bin aber auch keine normale Frau, die erst fragt, und wenn sie keine Antwort bekommt, bemerkt, daß sie es sowieso schon weiß. Das ärgert mich immer wieder an diesem merkwürdigen Geschlecht.)
Im Mai 1945 richtete die sowjetische Besatzungsmacht auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte ein Sammel- und Durchgangslager, das sog. Spezlager Nr. 3, ein. Es existierte bis Oktober 1946 und diente zur Internierung von Personen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrecher bzw. NS-Funktionär gewesen zu sein oder die Besatzungspolitik zu gefährden. Ende 1946 begann das sowjetische Innenministerium MWD (vorher NKWD) mit dem Aufbau seines zentralen Untersuchungsgefängnisses für politische Häftlinge in der sowjetischen Besatzungszone. Nach der Gründung der DDR wurde das Haftgelände zunächst dem Ministerium des Innern der DDR, dann dem Ministerium für Staatssicherheit, dem MfS übergeben, das das Gefängnis bis 1989 als zentrale Haftanstalt für politische Untersuchungsgefangene nutzte. Mit dem Ziel, einen authentischen Ort politischer Strafjustiz zu bewahren und Raum zu schaffen für die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit, wurde das Gelände 1992 unter Denkmalschutz gestellt und die Errichtung einer Gedenkstätte beschlossen. Ende 1995 wurde die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (i.Gr.) ins Leben gerufen. Die Konzeption für die Gestaltung der Gedenkstätte als Dokumentations- und Begegnungszentrum wird zur Zeit erarbeitet.
Die Gedenkstätte wird nur kurz in der Liste der Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg vorgestellt. Andere Gedenkstätten, die dort erwähnt werden, sind
Die PDS Hohenschönhausen sieht die Gedenkstätte kritisch:
Es dürfte also kaum verwundern, daß nach der staatlichen Einheit gerade Hohenschönhausen für eine »Topografie des roten Terrors« und zur Illustration der These vom »Unrechtsstaat DDR« prädestiniert erschien. Die Enquêtekommission des Deutschen Bundestages zur »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland« schlug in ihrem Abschlußbericht folgerichtig vor: »Zu einer Stätte des Gedenkens an die Opfer politischer Verfolgung von 1945 bis 1989, die von zentraler Bedeutung ist, sollte die frühere Zentrale Untersuchungshaftanstalt der sowjetischen und der DDR-Geheimpolizei in Berlin Hohenschönhausen genutzt werden« (Drucksache des Deutschen Bundestages 12/7820, S. 233). Der Senat von Berlin und das Berliner Abgeordnetenhaus haben sich inzwischen dieses Auftrages angenommen, wie aus dem Beschluß vom 22. Juni 1995 und dem dazu erteilten Zwischenbericht vom Oktober des gleichen Jahres sichtbar wird. Eine Fachkommission von Historikern und Politologen lieferte die konzeptionelle Munition...
Zugleich muß m.E. bewußt bleiben, daß die Tatsachen politischer Repression in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR auch dann nicht ungeschehen zu machen sind, wenn man den offiziellen Deutungsmustern vom »Unrechtsstaat DDR« oder der Gleichsetzung von »roter und brauner Diktatur« aus vielen guten Gründen nicht folgen kann und will. Die Bereitschaft zu kritischer Rückschau auf die DDR-Gesellschaft und zur Offenlegung von Deformationen und Konstruktionsmängeln muß konstitutives Element von PDS-Geschichtsverständnis bleiben...
Einzufordern wäre für die Gedenkstätte in Hohenschönhausen eine Gedenkstättengestaltung, die den Mindeststandards wissenschaftlicher Aufbereitung und musealer Präsentation entspricht. Das ist gegenwärtig nicht gegeben. Die Ausstellung atmet noch ganz den Zeitgeist der unmittelbaren Nachwendejahre. Quellenkritik fand kaum statt. Für die in ehemaligen Abstellräumen nachgebauten Folterzellen gibt es lediglich einen einzigen Zeitzeugen. Die Veränderungen in den Haftbedingungen werden nicht erfaßt. Das sogenannte U-Boot wird als der repräsentative Zellenbau präsentiert, obwohl er Ende der fünfziger Jahre außer Betrieb genommen wurde. Weitgehend ausgeblendet bleiben die besatzungsrechtlichen Zusammenhänge sowie die internationalen und deutsch-deutschen Rahmenbedingungen. U-Haftanstalt und sowjetisches Speziallager werden unzulässig miteinander vermengt. Die Aufklärung und Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen ist keine besondere Erwähnung wert. Die Mängelliste ließe sich problemlos noch weiter fortführen.
Dennoch: Wer sich über die tendenziöse und sachlich sowie wissenschaftlich anfechtbare Präsentation empört, sollte sich die Frage gefallen lassen, ob die nachgewiesenen zahlreichen Beispiele politischer Willkür und Repression sowie die damit verbundenen menschlichen Schicksale nicht wenigstens Nachdenklichkeit und in manchen Fällen vielleicht auch das Gefühl von Scham dringend nahelegen. Die heute beklagte politische Instrumentalisierung der Gedenkstätte in Hohenschönhausen hatte eine Vorgeschichte, die von der DDR und ihrer Schutzmacht geschrieben wurde.
Drei Jahre später und nach dem Münsteraner Parteitag hat sich auf PDS-Seite zwar vielleicht nichts zum Besseren gewendet, aber bei meinem Besuch konnte ich jedenfalls nicht feststellen, daß sowjetisches Speziallager Stasi-Untersuchungshaftanstalt vermengt wurden. Im Gegenteil wurde gerade auf die großen Unterschiede hingewiesen, sogar auf die Unterschiede zwischen dieser Stasi-Haftanstalt und den anderen. Hohenschönhausen war eine von drei Berliner Gefängnissen des MfS. In jedem Bezirk betrieb die dortige MfS-Bezirksverwaltung eine eigene Haftanstalt, blieben von den dreien noch zwei, die der Zentrale unterstanden. Das Hohenschönhausener war dabei die Vorzeigeanstalt auf Weltniveau, in die auch Ausländer gesperrt wurden, damit sie der DDR nach der Entlassung nicht zu kleine Zellen, unzureichende Ausstattung usw. vorwerfen konnten. Was die wissenschaftliche Aufbereitung angeht, scheint sich einiges getan zu haben, es gibt auch eine Schriftenreihe.
In der Buchhandlung kaufte ich mir einige Bücher und zahlreiche Hefte der Zeitschrift "Europäische Ideen". Dort kam zu Lebzeiten oft JÜRGEN FUCHS zu Wort, jetzt wird er noch oft erwähnt. Lest auch, wie ich mal JÜRGEN FUCHS und WERNER FUCHS verwechselte und welche Folgen das hatte. Der Kassierer nahm mir zwischendurch schon einiges ab und begann es auf einem TI-Taschenrechner zu addieren. Dann zahlte ich (214,80) und bekam eine Tüte, in der aber, wie sich später herausstellte, nur ein Teil der Erwerbungen war. Das fiel mir erst am Abend auf. Am nächsten Montag war die Gedenkstätte wieder geöffnet. Ich fuhr hin, fand aber die Buchhandlung geschlossen. Also rief ich bei Pulz & Detering im Willy-Brandt-Haus an, die in der Gedenkstätte eine Filiale betreiben und schilderte, was mir passiert war. Man forschte nach und einige Wochen später bekam ich (für mich kostenlos) ein Paket mit den Büchern, an die ich mich erinnerte. Das finde ich sehr nett, denn Beweise hatte ich nicht außer der Quittung. In einer Gedenkstätte etwas zu vergessen, ist doppelt peinlich. Wider das Vergessen!
Eine weitere Gedenkstätte, die auch sowjetisches Lager war, befindet sich in Buchenwald:
Dauerausstellung zur Geschichte des Speziallager 2 Buchenwald
In einem neu errichteten Gebäude gegenüber dem Gräberfeld I des Speziallagers Nr. 2 wird die Geschichte des sowjetischen Lagers und seines politischen Umfeldes dargestellt. Ausgewählte Biographien geben exemplarischen Aufschluß über die Lagerinsassen.
Eröffnet: 25. Mai 1997
Objekt: Dokumentenhaus (Neubau)
Ausstellungsfläche: 250 m²
Im Rahmen der sehenswerten und umfangreichen Darstellung im Internet wird auch daran erinnert, daß hier ~7000 Menschen starben, etwa jeder vierte der Inhaftierten.
http://www.buchenwald.de/bild/grabfel2.jpg
Grabfelder des sowjetischen Speziallagers Nr. 2
Die Gedenkstätte wird mit einigen nachdenkenswerten Argumenten kritisiert: Umgestaltung und Verfall in der Gedenkstätte Buchenwald seit 1990
Schlimmer als das eine oder andere, was der Träger nicht optimal macht, sind zweifelsohne die rechtsradikalen Besucher, die sich auch zunehmend im Gästebuch verewigen. Oft sind es Jugendliche und SchülerInnen. Möchte da jemand mit mir die Initiative "Inder statt Kinder" gründen?
In Brandenburg hat man sich schon etwas dagegen ausgedacht: Die Polizei wurde angewiesen, rechtsextremistische Schmierereien in den Gedenkstätten nicht mehr bekanntzugeben.
Auch die Stiftung Sächsischer Gedenkstätten stellt Gedenkstätten vor, die an die sowjetische Besatzungszeit erinnern:
Die Stiftung arbeitet laut Satzung mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung eng zusammen. Das ist die Einrichtung, aus der heraus JOHANN GEORG ELSER angegriffen wurde, weil bei seinem Bürgerbräu-Attentat auch eine unschuldige Kellnerin umkam. Diese Texte kann man angeblich für MSIE und Netscape Navigator downloaden, aber beide Versionen werden nicht gefunden! Erschreckend, was mit dem Zuchthaus Waldheim passierte:
Waldheim
Gedenkort zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus im Zuchthaus Waldheim
Im Zuchthaus Waldheim, der größten Haftanstalt Sachsens, mußten Tausende politische Häftlinge, vor allem Deutsche und Tschechen, während der NS-Diktatur unter unmenschlichen Bedingungen ihre Haftstrafen verbüßen, die vielfach durch das Oberlandesgericht Dresden und den Volksgerichtshof verhängt worden waren. Unter den Gefangenen befanden sich Frauen und Männer des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wie MARIA GROLLNUSS, GRETA KUCKHOFF, ERNST SCHNELLER oder GEORG SCHUMANN.
Eine 1985 zum 40. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses auf dem Ehrenhain Oberwerder errichtete Gedenkstätte zur Erinnerung an die antifaschistischen Widerstandskämpfer im Zuchthaus Waldheim wurde Ende 1992 auf Beschluß des Stadtrates beseitigt. Die Ende der siebziger Jahre im Eingangsbereich der heutigen Justizvollzugsanstalt angebrachte Gedenktafel für ERNST SCHNELLER war bereits 1989/90 entfernt worden.
Dort sind zwar auch nach 1950 von der DDR politische Gefangene eingesperrt worden, aber das rechtfertigt nicht den Verzicht auf die Erinnerungen an Naziopfer.
Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße 13-14 am historischen Ort des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 im ehemaligen Oberkommando des Heeres kann man ebenfalls montags besuchen, was ich diesmal auch wieder machte. Im WWW wird sie sich bald in neuem Design präsentieren.
Ob das besser wird, bezweifle ich nach den Erfahrungen mit MARTIN LUTHER und Wittenberg (vgl Surftipp 43/1999) Jetzt finde ich mich noch ganz gut zurecht und gebe empfehle die Gedenkstätte auch für einen Surfbesuch. Ich wünsche mir jedenfalls kein neues Design, sondern mehr Ausstellungsbereiche im WWW.
Im März wurde die Ausstellung Fraueninternierungslager in Südfrankreich über Rieucros und Brens 1939-1944 gezeigt. Dazu ist auch ein Buch erschienen:
Die Gedenkstätte Dachau ist natürlich auch im Netz zu finden
Auch ein anderes bayerisches Konzentrationslager ist recht gut im WWW vertreten: Flossenbürg. Von 1938 bis 1945 existierte in Flossenbürg (Bayern - nördliche Oberpfalz) ein Konzentrationslager. Rund 100.000 Menschen waren im Haupt- und den mehr als 100 Außenlagern inhaftiert. Mindestens 30.000 überlebten den Terror nicht.
Die Gedenkstätte Breitenau in der Nähe Kassel bietet sich für einen Besuch bei der nächsten oder einer späteren Fahrt nach Berlin an. Diesmal hatte ich nur Kassel im Sinn. Typisch ist die Vergessensstrategie nach der Gründung der Bundesrepublik:
So kam es schließlich, daß der ehemalige Anstalts- und Lagerleiter Sauerbier im Januar 1949 gemeinsam mit 11 Wärtern und Angestellten als "Mitlaufer" eingestuft wurde. Er mußte 1000 DM "Buße" bezahlen - die "Sühnebeträge" der anderen sind nicht bekannt.
Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich auch in Gerichtsprozessen gegen NS-Verbrecher ab. FRANZ MARMON, der ehemalige Leiter der Kasseler Gestapo, wurde 1950 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Unter seiner Verantwortung waren in den letzten Kriegstagen insgesamt 119 Menschen in Breitenau, Kassel-Wehlheiden und Kassel-Wilhelmshöhe erschossen worden. Während er vor seiner Verhaftung von ehemaligen Gestapo-Angehörigen noch als brutaler Mensch geschildert worden war, sagten nun alle für ihn aus. Am 5. Februar 1952 wurde schließlich das Urteil verkündet:
MARMON wurde zu insgesamt 2 Jahren Haft verurteilt. Die Untersuchungshaftzeit von 1 ½ Jahren wurde auf die Strafe angerechnet - und das verbliebene halbe Jahr wurde ihm auf dem "Gnadenwege" erlassen. Er verließ als freier Mann den Gerichtssaal. In Breitenau war inzwischen das Arbeitshaus endgültig geschlossen worden, und bald darauf wurde dort das Mädchenerziehungsheim eingerichtet. Auf dem Anstaltsfriedhof erinnerte vor allem das Holzkreuz mit seiner Textinschrift an die Ermordeten. Dennoch wurde das Verbrechen (wie fast überall) nicht als erinnerungs- und gedenkwürdiger Teil der Ortsgeschichte angesehen. In der Festschrift zur 600-Jahrfeier Guxhagens im Jahre 1952 stand über den Massenmord kein Wort, und die Funktion Breitenaus als frühes KZ und späteres Arbeitserziehungslager wurde nicht einmal erwähnt. Auch auf einer in den 50er Jahren am ehemaligen "Frauenhaus" angebrachten Tafel mit Daten zur Geschichte Breitenau~ blieb die NS-Zeit ausgespart. Es hieß dort lediglich: "1927, 1949, 1950 Restaurierungsarbeiten erhalten eines der schönsten Beispiele romanischer Architektur in Hessen. Schließlich wurden die Toten im Juli 1960 auf einen Kriegsopferfriedhof bei der Jugendburg Ludwigstein "umgebettet". Auch das Hozkreuz wurde dort hin versetzt, allerdings ohne einen Hinweis, woher die Toten und das Kreuz stammten. Damit war nicht nur am Ludwigstein, sondern auch in Breitenau die letzte Erinnerung an die Geschichte Breitenaus in der NS-Zeit getilgt. Es dauerte 20 Jahre, bis sie durch das Auffinden der Gefangenen-Akten wieder an die Öffentlichkeit gelangte.
Gedenkstätte im Torhaus Moringen hat fast nie geöffnet und im WWW zeigt sie auch recht wenig
Die mir vorher unbekannte Gedenkstätte entdeckte ich übrigens zufällig im Heimatmuseum Wedding, wo ich den letzten noch vorrätigen Katalog (50 Seiten mit allen Bildtafeln der Ausstellung) erwarb.
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http://home.t-online.de/home/kz-gedenkstaette.moringen/appel.jpg |
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wird auch als Hamburger Behörde im WWW vorgestellt.
Ende 1938 errichtete die SS in einer stillgelegten Ziegelei in Hamburg- Neuengamme ein Außenlager des KZ Sachsenhausen, das im Frühsommer 1940 zum eigenständigen Konzentrationslager erklärt wurde. Im Verlauf des Krieges deportierten die Gestapo und der Sicherheitsdienst der SS Zehntausende aus allen besetzten Ländern Europas als KZ-Häftlinge nach Neuengamme. Dort und in über 80 Außenlagern, die ab 1942 - und vor allem 1944 - bei Rüstungsfirmen in ganz Norddeutschland eingerichtet wurden, mußten die Häftlinge Schwerstarbeiten für die Kriegswirtschaft leisten. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren mörderisch. Insgesamt kamen ca. 55 000 der 106 000 Häftlinge des KZ Neuengamme ums Leben; körperlich ausgezehrt starben sie an Krankheiten und Hunger oder wurden Opfer von Mißhandlungen und Mordaktionen.
Nach dem Krieg wurden die ehemaligen KZ-Gebäude zunächst als Internierungslager für SS-Angehörige, für Funktionsträger der NSDAP, der Wehrmacht und des NS-Staates genutzt. 1948 übergaben die britischen Besatzungsbehörden das Lager an die Freie und Hansestadt Hamburg, die in den Gebäuden eine Justizvollzugsanstalt einrichtete. Ende der sechziger Jahre errichtete die Justizbehörde ein weiteres Gefängnis auf dem einstigen KZ-Gelände. Es entstand dort, wo sich während des Konzentrationslagers die Tongruben und -halden befanden.
Die umfangreichste Übersicht bietet wahrscheinlich die Stiftung "Topographie des Terrors", aber die Hyperlinks sind schwer zu finden. Speziell für Nordrhein-Westfalen gibt es auch eine Gedenkstättenübersicht. Meine Übersicht in diesem Surftipp ist nur lückenhaft, weil ich nur berichte und empfehle, was ich mir angesehen habe.
Ein DDR-Unrecht, zu dem noch einige Entdeckungen zu erwarten sind - diesen Eindruck erweckt jedenfalls die DLF-Berichterstattung - ist das Doping von Spitzensportlern. Ich habe dazu einige Links gesammelt:
Berlin - Das Doping im DDR-Sport hat wahrscheinlich mehr Opfer gefordert als bisher angenommen wurde: "Vermutlich bis zu 2000 Personen können in Folge von Anabolikakonsum Gesundheitsschäden davongetragen haben", so die jüngsten Erkenntnisse aus der Zentralen Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität (Zerv) in Berlin. Bislang ging man von etwa 300 Sportlern aus, die zum Teil schlimmste körperliche Beeinträchtigungen erlitten.
© DIE WELT, 26.6.1997
DOPINGVORWÜRFE
Auch EWALD und Leichtathletik-Klubs
Berliner Morgenpost 2.12.1997
Vom Beckenrand auf die Anklagebank:
DDR-Schwimmtrainer vor Gericht
Von TORSTEN WENDLANDT
Berliner Morgenpost 17.3.1998
Nach knapp fünfjährigen Ermittlungen seit Oktober 1993 erstellte die Staatsanwaltschaft Berlin zwei über 100seitige Anklageschriften, in denen 19 Opfer genannt werden - und die Täter: Dem ehemaligen Trainer von Schwimmstar FRANZISKA VAN ALMSIECK, DIETER LINDEMANN (47), legt die Anklage vier Fälle von Doping-Verabreichung zur Last.
Dieser Doping-Prozeß ist erst der Anfang. Die anderen früheren Trainer des SC Dynamo Berlin, DIETER KRAUSE (50), VOLKER FRISCHKE (53) und ROLF GLÄSER (58) müssen sich wegen drei, acht und neun Fällen verantworten. Auch dem ehemaligen Chefarzt der Hauptberatungsstelle in Ost-Berlin, BERND PANSOLD (55), und dem früheren Mannschaftsarzt der DDR-Schwimmerinnen, DIETER BINUS (58), wird vorgeworfen, minderjährigen Sportlerinnen Präparate verabreicht zu haben, die zu "gravierenden Störungen des hormonell gesteuerten Muskelwachstums" geführt haben.
Doch der Schwimmprozeß ist erst der Anfang, denn Doping-Ermittlungen laufen mittlerweile in nahezu allen in der DDR geförderten Sportarten. Nachdem von der Staatsanwaltschaft in 1047 Verdachtsfällen ermittelt wurde, sind derzeit rund 90 Verfahren gegen 680 Beschuldigte anhängig. Anklageerhebungen sind vor allem in der Leichtathletik zu erwarten, in der mit 189 die größte Zahl der Beschuldigten tätig waren.
Den Angeklagten droht nach DDR-Strafrecht wegen Körperverletzung eine Geldstrafe bis maximal drei Jahre Haft. "Wo der Verdacht auf Körperverletzung an Minderjährigen besteht, muß etwas geschehen", erklärt der Anti-Doping-Beauftragte des deutschen Sports KARL-FRIEDRICH BRODESSER und bezeichnet den Prozeß als absolut rechtens und notwendig. "Das sollte nicht unter irgendeine Amnestie fallen."
LINDEMANN und FRISCHKE, die bis im Oktober 1997 beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) tätig waren, wurden unmittelbar nach Anklageerhebung vom Dienst supendiert, klagen aber noch gegen ihre Kündigung. Sie hatten bei Abschluß ihrer Arbeitsverträge unterschrieben, nie etwas mit Doping in DDR zu tun gehabt zu haben. Die Anklageschrift habe dies "eindeutig widerlegt", erklärte DSV-Präsident RÜDIGER TRETOW.
Allerdings war es ausgerechnet der DSV, der den als barschen Zyniker geltenden LINDEMANN ("Wie ich Athleten flottmache, ist meine Sache") bis zu dessen Kündigung hofierte. 1992, als seine Verwicklung in das DDR-Doping-System schon ruchbar war, wurde er als Trainer des Jahres geehrt. Am 1.Januar 1993 folgte die Ernennung zum Chefcoach des Olympiastützpunktes und nach den Olympischen Spielen 1996 wurde LINDEMANNs DSV-Vertrag verlängert.
©Berliner Morgenpost 1998
Sportarzt räumt Doping von Schwimmerinnen ein
Teilgeständnis vor Berliner Landgericht abgelegt
Die Welt 19.8.1998
Musterprozeß wegen Doping endet mit hoher Geldstrafe
Von MICHAEL MIELKE
Berlin - Das Berliner Landgericht hat den Sportmediziner BERND PANSOLD im Doping-Prozeß zu einer Geldstrafe von 14 400 Mark verurteilt. Damit ist der erste große Prozeß um Doping an DDR-Sportlern abgeschlossen. Weitere sollen im nächsten Jahr folgen.
Das Urteil ist das bislang härteste bei der Strafverfolgung von Doping an minderjährigen Sportlern in der DDR.
Die 34. Große Strafkammer sah es als erwiesen an, daß PANSOLD als leitender Sportarzt des SC Dynamo Berlin von 1975 bis 1989 im Auftrag der Sportführung die Verteilung von Dopingpräparaten an Trainer und Sektionsärzte kontrollierte.
Damit habe sich der 56jährige Mediziner der Beihilfe zur Körperverletzung an neun minderjährigen Schwimmerinnen schuldig gemacht. Unter ihnen war auch die ehemalige Weltklasseschwimmerin Birgit Meineke, bei der 1993 ein Lebertumor entdeckt wurde, der nach Meinung von Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Zusammenwirken von anabolen Steroiden (Dopingmitteln) und der den jungen Sportlerinnen ebenfalls verordneten Antibabypille zurückzuführen ist.
Als wichtigstes Indiz für die Verurteilung wertete der Vorsitzende Richter HANSGEORG BRÄUTIGAM einen Treffbericht vom 8. November 1979. In diesem Protokoll hatte PANSOLD, der als IM "Jürgen Wendt" 18 Jahre für den Staatssicherheitsdienst arbeitete, seinem Führungsoffizier detailliert über die Vergabe von Dopingmitteln berichtet...
Ende August waren im gleichen Prozeß schon der ehemalige Dynamo-Trainer ROLF GLÄSER und der Sektionsarzt DIETER BINUS ebenfalls zu Geldstrafen verurteilt worden.
Gegen drei weitere angeklagte Dynamo-Trainer - unter ihnen WERNER LINDEMANN, Ex-Coach FRANZISKA VAN ALMSICKs - wurden die Verfahren gegen das Zahlen einer Geldbuße eingestellt.
GLÄSER war nach seiner Verurteilung vom Österreichischen Schwimmverband, in dessen Diensten er als Landestrainer stand, gekündigt worden. PANSOLD arbeitet bisher als Leistungsdiagnostiker beim österreichischen Olympiastützpunkt Obertauern. Er wird sich bald einem zweiten Verfahren stellen müssen - diesmal wegen seiner mutmaßlicher Beteiligung am Doping von jungen Leichtathleten.
© DIE WELT, 8.12.1999
Urteil im Doping-Prozeß:
Jetzt EWALD
Von HANSJÜRGEN WILLE
Berliner Morgenpost 8.12.1998
Doping: Nun die Funktionäre
Prozess gegen Generalsekretär des DDR-Schwimmsportverbandes
Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen - dieses Sprichwort, so ist zu vermuten, gilt in Sachen Doping in der DDR ab Mittwoch nicht mehr. Steht doch mit dem früheren Generalsekretär des Deutschen Schwimmsportverbandes (DSSV), EGON MÜLLER, erstmals ein DDR-Sport-Funktionär der ersten Reihe vor Gericht. Neben MÜLLER werden auch der Ex-Chefverbandstrainer des DSSV, WOLFGANG RICHTER, sowie der einstige Verbandstrainer für Frauen, JÜRGEN TANNEBERGER, auf der Anklagebank sitzen.
Alle drei sind wegen der Beihilfe zur Körperverletzung angeklagt. Müller in 67 Fällen, RICHTER in 62 und TANNEBERGER in 47 Fällen. Sie sollen sich daran beteiligt haben, jungen Leistungsschwimmerinnen Medikamente zu verabreichen, die medizinisch nicht indiziert waren. In der Regel handelte es sich um leistungssteigernde anabole Steroide (Oral-Turinabol und Turinabol-Depot). So sollen die Beschuldigten unter anderem maßgeblich an Konzeptionen mitgewirkt haben, auf deren Grundlage die Dopingmittel in mehreren Zyklen verabreicht wurden. Sie hätten gewusst, so die Staatsanwaltschaft, dass die teils minderjährigen Sportlerinnen und deren Eltern nicht über den Einsatz der Hormone und deren Nebenwirkungen aufgeklärt gewesen seien. Durch die Hormonpräparate sei es bei Schwimmerinnen zu einer Stimmvertiefung, zu übermäßiger Körperbehaarung und zu einer Vermännlichung bis hin zur Rückbildung der Brüste gekommen.
Die mutmaßlichen Opfer stammen aus zehn Vereinen in den Städten Berlin, Magdeburg, Erfurt, Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Leipzig, Halle und Rostock. 17 Sportlerinnen haben von sich aus Strafantrag gestellt.
Die für diesen Fall zuständige 22. Große Strafkammer hat zunächst nur einen Prozesstag anberaumt und auch keine Zeugen geladen. Das deutet darauf hin, dass die Angeklagten geständig sind. In diesem Falle könnte auch das Urteil noch am selben Tag gesprochen werden.
Ab 12. Januar 2000 steht wegen gleicher Vorwürfe der frühere Schwimmverbandsarzt LOTHAR KIPKE vor Gericht. Noch anhängig ist außerdem die Klage gegen den Ex-Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), MANFRED EWALD. Dort ist Eile ist geboten. Wenn die Gerichte bei sogenanntem "mittelschweren DDR-Unrecht" bis zum 2. Oktober 2000 kein erstinstanzliches Urteil gefällt haben, verjähren die Taten. mim/dpa
© DIE WELT, 21.12.1999
MANFRED EWALD und MANFRED HÖPPNER haben gerade Post erhalten, ziemlich unangenehme. Das Landgericht Moabit stellte dem früheren Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR sowie dem früheren Stellvertretenden Chef des Sportmedizinischen Dienstes der DDR jeweils eine Anklageschrift zu. Den beiden wird "Beihilfe zur Körperverletzung in insgesamt 142 Fällen, begangen größtenteils an Minderjährigen" vorgeworfen. Und damit steht so gut wie sicher fest, dass in absehbarer Zeit die Drahtzieher des flächendeckenden DDR-Dopings vor Gericht stehen werden...
EWALD saß in der Leistungssport-Kommission der SED, die 23. Oktober 1974 den berüchtigten Staatsplan 14.25 beschloss - die Anordnung zum flächendeckenden Doping. EWALD, DTSB-Präsident von 1961 bis 1988, gehörte zu den eifrigsten und skrupellosesten Medaillenzählern der DDR. Einem hochrangigen Mitarbeiter sagte er mal, "dass nur die erreichten Leistungen entscheidend sind und dazu alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen. Die Sportmedizin muss dazu ihren Beitrag leisten". So notierte es der prominente Zuhörer in seinem Bericht an seinen Stasi-Führungsoffizier. Er war der richtige Ansprechpartner für solche Zielvorstellungen. Die Sätze dokumentierte nämlich MANFRED HÖPPNER, Deckname "IM Technik", der stellvertretende Chef des Sportmedizinischen Dienstes.
Der Sportarzt HÖPPNER war damit der Chefdoper der DDR. Er hatte die sportmedizinische Gesamtverantwortung für die Abgabe von Dopingpillen, die Dosierung und den Einsatz bei Minderjährigen. Die Jugendlichen und ihre Eltern wurden selbstverständlich nicht ber die Pillen und ihre Nebenwirkungen aufgeklärt. Aber auch ein Mann wie Höppner bekam sogar mal Bauchschmerzen. Gegenüber einem Stasi-Mitarbeiter klagte er mal: "Bei den Schwimmerinnen wurde etwas zu viel getan. Die enormen Veränderungen bei den Oberschenkeln und am Rücken sind eindeutig auf die Anwendnung von Anabolika zurückzuführen, wie auch Auswirkungen auf die Sprache und das Zurückgehen der Brüste." Es wurde zur Kenntnis genommen, mehr passierte nicht.
© Der Tagesspiegel, 8.9.1999
Prozeß II: Erste Freiheitsstrafe für Doping im DDR-Sport
Die Welt 22.6.1999
Berlin/Leipzig - Kaum hatten die Autoren HANS-JOACHIM SEPPELT und HOLGER SCHÜCK ihr Enthüllungsbuch "Anklage: Kinderdoping - Das Erbe des DDR-Sports" auf den Markt gebracht, da sollte es bereits wieder verschwinden. Der Leipziger Sportarzt Dr. EBERHARD KÖHLER wollte per Einstweiliger Verfügung den Vertrieb des Buches stoppen. Der Mediziner wollte damit erreichen, dass sein Name im Zusammenhang mit dem Tod des 1973 verstorbenen Magdeburger Schwimmers JÖRG SIEVERS nicht mehr genannt wird. Bei der Verhandlung am Leipziger Landgericht zog seine Anwältin KATRIN BOGEN den Antrag zurück, "weil wir erreicht haben, was wir wollten".
Die Juristin freut sich über "einen Teilerfolg. Weil wir die Grundaussage, die wir haben wollen, eben dass Dr. KÖHLER nichts mit dem Tod des Schwimmers zu tun hat, schwarz auf weiß im Protokoll stehen haben." Dennoch muss ihr Mandant, der von 1975 bis 1989 als IM "WERNER WEISS" Zuträger der Staatssicherheit war, die Kosten des Verfahrens in Höhe von 50000 Mark tragen.
© DIE WELT, 27.1.2000
Der Schwimmverein Limmat Zürich hat Berichte ber Doping gesammelt.
Beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft können aktuelle wissenschaftliche Beiträge zum Doping und eine kommentierte Auswahlbibliografie für den Zeitraum 1997 - 1999 abgerufen werden.
Im November 1999 öffnete in Köln ein Sportmuseum. Der hier schon öfters erwähnte CHRISTOPH war inzwischen schon zweimal ohne mich) dort.
... ohne Konfliktthemen ist das Deutsche Sportmuseum von Anfang an nicht ausgekommen. Zu meckern gab es jede Menge: Sportfunktionäre maulten über die Investitionen, die man besser in neue Trainingshallen gesteckt hätte. Politiker der Stadt Köln beklagten die hohen Unterhaltskosten. Und die Kollegen aus den beiden anderen großen deutschen Sportmuseen, in Berlin und Leipzig, wiesen darauf hin, dass ein Ausbau ihres Angebots billiger gekommen wäre als die 25 Millionen Mark teure Neugründung am Rhein.
Interessant ist das Museumsangebot für Sportfreunde auf jeden Fall. Von der panathenäischen Preisamphore aus dem Jahr 510 vor Christus bis zum gelben Trikot von Tour-de-France-Sieger JAN ULLRICH anno 1997 gibt es Erinnerungsfetische aus fast allen Epochen des Sports. Und Skurrilitäten wie BORIS BECKERs zertrümmerter Tennisschläger von den Australian Open 1986 oder die Flüstertüte vom legendären Rudertrainer KARL ADAM. Der DDR-Sport ist mit dem luftigen Kleidchen von KATHARINA WITTs Olympiasieg 1984 genauso vertreten wie das Berliner Propagandafest von 1936 mit einem eigenen Raum. Erklärende Texte transportieren den sportpolitischen Hintergrund. 17 Jahre nach den ersten Überlegungen wird das Museum mit dem olympischen Gütesiegel des IOC heute eröffnet.
© DIE WELT, 26.11.1999
Das Museum ist auch im WWW zu finden, aber bei meinem Navigator kommen Javascript-Fehlermeldungen.
So berichtete Die Welt damals (hier gekürzt). CHRISTOPH war weniger informativ. Auf meine Frage, ob denn dort die Olympischen Spiele 1936 nicht beschönigt würden und ob man den Zeitmeßkasten ausstelle, an dem eine Skiläuferin ihr Leben aushauchte und ob die DDR-Doping-Verantwortlichen genannt würden, druckste er herum und konnte sich nicht erinnern. Die Darstellung der Turnerbewegung im 19. Jahrhundert hatte ihn mehr beeindruckt, aber darüber berichtete Die Welt nichts. Schließlich wollte ich noch wissen, ob denn wenigstens die Playboy-Fotos KATHARINA WITTs gezeigt würden (anscheinend nicht). Das Gespräch führte fast zum Streit: Doping, Diktaturen und nackte Weiber, das ist das einzige, was dich an Sport interessiert! - Immer noch besser, als im Kreis herumfahren oder hinter einem Ball herlaufen.