WWW-Tipp der Woche 15/2000

Gedenkstätte Hohenschönhausen

Am 4. März besuchte ich in Ost-Berlin die Gedenkstätte Hohenschönhausen in der Genselerstraße 66. Dort wird an ein sowjetisches Speziallager und ein Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit erinnert. Die Genselerstraße ist etwas verwinkelt und da die Zeit knapp war, fragte ich einen Passanten, der mir nicht nur den Weg wies, sondern mich auch als Aachener erkannte (wahrscheinlich am Kennzeichen). Angeblich fragen Männer ja nicht nach dem Weg, sondern fahren lieber hilflos suchend umher, aber ich bin kein normaler Mann. (Ich bin aber auch keine normale Frau, die erst fragt, und wenn sie keine Antwort bekommt, bemerkt, daß sie es sowieso schon weiß. Das ärgert mich immer wieder an diesem merkwürdigen Geschlecht.)

Die Gedenkstätte wird nur kurz in der Liste der Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg vorgestellt. Andere Gedenkstätten, die dort erwähnt werden, sind

Die PDS Hohenschönhausen sieht die Gedenkstätte kritisch:

JÜRGEN HOFMANN: Zur Auseinandersetzung mit der Hohenschönhausener Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus
Beitrag zur PDS-Konferenz am 21. Juni 1997

Drei Jahre später und nach dem Münsteraner Parteitag hat sich auf PDS-Seite zwar vielleicht nichts zum Besseren gewendet, aber bei meinem Besuch konnte ich jedenfalls nicht feststellen, daß sowjetisches Speziallager Stasi-Untersuchungshaftanstalt vermengt wurden. Im Gegenteil wurde gerade auf die großen Unterschiede hingewiesen, sogar auf die Unterschiede zwischen dieser Stasi-Haftanstalt und den anderen. Hohenschönhausen war eine von drei Berliner Gefängnissen des MfS. In jedem Bezirk betrieb die dortige MfS-Bezirksverwaltung eine eigene Haftanstalt, blieben von den dreien noch zwei, die der Zentrale unterstanden. Das Hohenschönhausener war dabei die Vorzeigeanstalt auf Weltniveau, in die auch Ausländer gesperrt wurden, damit sie der DDR nach der Entlassung nicht zu kleine Zellen, unzureichende Ausstattung usw. vorwerfen konnten. Was die wissenschaftliche Aufbereitung angeht, scheint sich einiges getan zu haben, es gibt auch eine Schriftenreihe.

In der Buchhandlung kaufte ich mir einige Bücher und zahlreiche Hefte der Zeitschrift "Europäische Ideen". Dort kam zu Lebzeiten oft JÜRGEN FUCHS zu Wort, jetzt wird er noch oft erwähnt. Lest auch, wie ich mal JÜRGEN FUCHS und WERNER FUCHS verwechselte und welche Folgen das hatte. Der Kassierer nahm mir zwischendurch schon einiges ab und begann es auf einem TI-Taschenrechner zu addieren. Dann zahlte ich (214,80) und bekam eine Tüte, in der aber, wie sich später herausstellte, nur ein Teil der Erwerbungen war. Das fiel mir erst am Abend auf. Am nächsten Montag war die Gedenkstätte wieder geöffnet. Ich fuhr hin, fand aber die Buchhandlung geschlossen. Also rief ich bei Pulz & Detering im Willy-Brandt-Haus an, die in der Gedenkstätte eine Filiale betreiben und schilderte, was mir passiert war. Man forschte nach und einige Wochen später bekam ich (für mich kostenlos) ein Paket mit den Büchern, an die ich mich erinnerte. Das finde ich sehr nett, denn Beweise hatte ich nicht außer der Quittung. In einer Gedenkstätte etwas zu vergessen, ist doppelt peinlich. Wider das Vergessen!

Eine weitere Gedenkstätte, die auch sowjetisches Lager war, befindet sich in Buchenwald:

Dauerausstellung zur Geschichte des Speziallager 2 Buchenwald

In einem neu errichteten Gebäude gegenüber dem Gräberfeld I des Speziallagers Nr. 2 wird die Geschichte des sowjetischen Lagers und seines politischen Umfeldes dargestellt. Ausgewählte Biographien geben exemplarischen Aufschluß über die Lagerinsassen.
Eröffnet: 25. Mai 1997
Objekt: Dokumentenhaus (Neubau)
Ausstellungsfläche: 250 m²

Im Rahmen der sehenswerten und umfangreichen Darstellung im Internet wird auch daran erinnert, daß hier ~7000 Menschen starben, etwa jeder vierte der Inhaftierten.


http://www.buchenwald.de/bild/grabfel2.jpg
Grabfelder des sowjetischen Speziallagers Nr. 2

Die Gedenkstätte wird mit einigen nachdenkenswerten Argumenten kritisiert: Umgestaltung und Verfall in der Gedenkstätte Buchenwald seit 1990

Schlimmer als das eine oder andere, was der Träger nicht optimal macht, sind zweifelsohne die rechtsradikalen Besucher, die sich auch zunehmend im Gästebuch verewigen. Oft sind es Jugendliche und SchülerInnen. Möchte da jemand mit mir die Initiative "Inder statt Kinder" gründen?

In Brandenburg hat man sich schon etwas dagegen ausgedacht: Die Polizei wurde angewiesen, rechtsextremistische Schmierereien in den Gedenkstätten nicht mehr bekanntzugeben.

Auch die Stiftung Sächsischer Gedenkstätten stellt Gedenkstätten vor, die an die sowjetische Besatzungszeit erinnern:

Die Stiftung arbeitet laut Satzung mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung eng zusammen. Das ist die Einrichtung, aus der heraus JOHANN GEORG ELSER angegriffen wurde, weil bei seinem Bürgerbräu-Attentat auch eine unschuldige Kellnerin umkam. Diese Texte kann man angeblich für MSIE und Netscape Navigator downloaden, aber beide Versionen werden nicht gefunden! Erschreckend, was mit dem Zuchthaus Waldheim passierte:

Dort sind zwar auch nach 1950 von der DDR politische Gefangene eingesperrt worden, aber das rechtfertigt nicht den Verzicht auf die Erinnerungen an Naziopfer.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße 13-14 am historischen Ort des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 im ehemaligen Oberkommando des Heeres kann man ebenfalls montags besuchen, was ich diesmal auch wieder machte. Im WWW wird sie sich bald in neuem Design präsentieren.

Ob das besser wird, bezweifle ich nach den Erfahrungen mit MARTIN LUTHER und Wittenberg (vgl Surftipp 43/1999) Jetzt finde ich mich noch ganz gut zurecht und gebe empfehle die Gedenkstätte auch für einen Surfbesuch. Ich wünsche mir jedenfalls kein neues Design, sondern mehr Ausstellungsbereiche im WWW.

Im März wurde die Ausstellung Fraueninternierungslager in Südfrankreich über Rieucros und Brens 1939-1944 gezeigt. Dazu ist auch ein Buch erschienen:

Mechthild Gilzmer
Fraueninternierungslager in Südfrankreich.
Rieucros und Brens 1939 - 1944.
Preis: DM 48,00 EUR 24,54
Taschenbuch - 221 Seiten (Mai 1993)
Orlanda Frauenvlg., B.; ISBN: 3929823101

Die Gedenkstätte Dachau ist natürlich auch im Netz zu finden

Auch ein anderes bayerisches Konzentrationslager ist recht gut im WWW vertreten: Flossenbürg. Von 1938 bis 1945 existierte in Flossenbürg (Bayern - nördliche Oberpfalz) ein Konzentrationslager. Rund 100.000 Menschen waren im Haupt- und den mehr als 100 Außenlagern inhaftiert. Mindestens 30.000 überlebten den Terror nicht.

Die Gedenkstätte Breitenau in der Nähe Kassel bietet sich für einen Besuch bei der nächsten oder einer späteren Fahrt nach Berlin an. Diesmal hatte ich nur Kassel im Sinn. Typisch ist die Vergessensstrategie nach der Gründung der Bundesrepublik:

Gedenkstätte im Torhaus Moringen hat fast nie geöffnet und im WWW zeigt sie auch recht wenig

Die mir vorher unbekannte Gedenkstätte entdeckte ich übrigens zufällig im Heimatmuseum Wedding, wo ich den letzten noch vorrätigen Katalog (50 Seiten mit allen Bildtafeln der Ausstellung) erwarb.


http://home.t-online.de/home/kz-gedenkstaette.moringen/ausst1.jpg


http://home.t-online.de/home/kz-gedenkstaette.moringen/appel.jpg

Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wird auch als Hamburger Behörde im WWW vorgestellt.

Die umfangreichste Übersicht bietet wahrscheinlich die Stiftung "Topographie des Terrors", aber die Hyperlinks sind schwer zu finden. Speziell für Nordrhein-Westfalen gibt es auch eine Gedenkstättenübersicht. Meine Übersicht in diesem Surftipp ist nur lückenhaft, weil ich nur berichte und empfehle, was ich mir angesehen habe.

Exkurse

Doping in der DDR

Ein DDR-Unrecht, zu dem noch einige Entdeckungen zu erwarten sind - diesen Eindruck erweckt jedenfalls die DLF-Berichterstattung - ist das Doping von Spitzensportlern. Ich habe dazu einige Links gesammelt:

"Bis zu 2000 Sportler mit Doping-Folgen"
Ermittlungen gegen DDR-Funktionäre verstärkt
Von BETTINA SEIPP

DOPINGVORWÜRFE
Auch EWALD und Leichtathletik-Klubs
Berliner Morgenpost 2.12.1997

Vom Beckenrand auf die Anklagebank:
DDR-Schwimmtrainer vor Gericht
Von TORSTEN WENDLANDT
Berliner Morgenpost 17.3.1998

Sportarzt räumt Doping von Schwimmerinnen ein
Teilgeständnis vor Berliner Landgericht abgelegt

Die Welt 19.8.1998

Musterprozeß wegen Doping endet mit hoher Geldstrafe
Von MICHAEL MIELKE

Urteil im Doping-Prozeß:
Jetzt EWALD
Von HANSJÜRGEN WILLE

Berliner Morgenpost 8.12.1998

Doping: Nun die Funktionäre
Prozess gegen Generalsekretär des DDR-Schwimmsportverbandes

Die Drahtzieher des DDR-Dopings
Gegen EWALD und HÖPPNER wird wegen "Beihilfe zur Körperverletzung in 142 Fällen" Anklage erhoben
FRANK BACHNER

Prozeß II: Erste Freiheitsstrafe für Doping im DDR-Sport
Die Welt 22.6.1999

Buch über DDR-Doping bleibt auf dem Markt
Leipziger Arzt zieht Einstweilige Verfügung zurück - Umstrittene Rolle bei Tod eines Schwimmers
Von SVEN BECKEDAHL

Der Schwimmverein Limmat Zürich hat Berichte ber Doping gesammelt.

Beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft können aktuelle wissenschaftliche Beiträge zum Doping und eine kommentierte Auswahlbibliografie für den Zeitraum 1997 - 1999 abgerufen werden.

Das Deutsche Sport- und Olympiamuseum

Im November 1999 öffnete in Köln ein Sportmuseum. Der hier schon öfters erwähnte CHRISTOPH war inzwischen schon zweimal ohne mich) dort.

Doping ist museumsreif
Umstrittenes Sportmuseum eröffnet in Köln - Auch DIETER BAUMANN findet seinen Platz
Von ANDREAS BÜTTNER

Das Museum ist auch im WWW zu finden, aber bei meinem Navigator kommen Javascript-Fehlermeldungen.

 

So berichtete Die Welt damals (hier gekürzt). CHRISTOPH war weniger informativ. Auf meine Frage, ob denn dort die Olympischen Spiele 1936 nicht beschönigt würden und ob man den Zeitmeßkasten ausstelle, an dem eine Skiläuferin ihr Leben aushauchte und ob die DDR-Doping-Verantwortlichen genannt würden, druckste er herum und konnte sich nicht erinnern. Die Darstellung der Turnerbewegung im 19. Jahrhundert hatte ihn mehr beeindruckt, aber darüber berichtete Die Welt nichts. Schließlich wollte ich noch wissen, ob denn wenigstens die Playboy-Fotos KATHARINA WITTs gezeigt würden (anscheinend nicht). Das Gespräch führte fast zum Streit: Doping, Diktaturen und nackte Weiber, das ist das einzige, was dich an Sport interessiert! - Immer noch besser, als im Kreis herumfahren oder hinter einem Ball herlaufen.

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