An der späteren Treuhandanstalt verherrlicht dieses Mosaik aus Porzellankacheln die Einheit von Arbeitern, Bauern und Intelligenz.
Der Tagesspiegel schrieb anläßlich einer Ausstellung im Bundesfinanzministerium über die Entstehung:
CHRISTIAN SCHRÖDER
...Die Gesellschaft der Zukunft - da war sich MAX LINGNER sicher - würde eine Gesellschaft der Familien sein. Sozialismus fing für ihn im Kleinen an: beim privaten Glück. So hat LINGNER, der verheiratet war, aber kinderlos blieb, immer wieder junge Familien gemalt, um die Hoffnung auf ein besseres Morgen zu zeigen.
Auch sein bekanntestes Werk - das monumentale Wandbild am ehemaligen "Haus der Ministerien", dem heutigen Bundesfinanzministerium - war ursprünglich ein Familienidyll. Auf dem ersten Entwurf aus dem Jahr 1950 wird der Aufmarsch von frohgemuten Stahlarbeiter, FDJlern, Traktoristen, Erntehelferinnen und Intellektuellen noch von zwei Vater-Mutter-Kind-Gruppen flankiert... Bei der ausgeführten Fassung, die 1952 in Kacheln aus Meissener Porzellan gebrannt wurde, ist von der Aufbruchstimmung nicht mehr viel übrig. Die Reihen haben sich geschlossen, es wird nicht mehr spaziert, sondern marschiert, die Gesichter tragen ein maskenhaftes, verordnetes Lächeln. Links schreitet nun ein junger Funktionär mit Ledertasche, neben ihm werden rote Fahnen geschwenkt und Banner, auf denen "Es lebe die Deutsche Demokratische Republik" steht. Rechts eilt eine Familie ins Bild, im Hintergrund ist das Walter-Ulbricht-Stadion zu erkennen, geschmückt für die Weltfriedensspiele.
LINGNER hat sein Bild ... gehasst. Die Eingriffe der Parteiführung in seine Arbeit waren so eklatant, dass er seinen ursprünglichen Entwurf von den Füßen auf den Kopf gestellt fand. Nach der Einweihung wollte LINGNER das Bild nicht mehr sehen. Wenn er mit dem Auto durch die Leipziger Straße fuhr, sagte er - so erzählte seine Witwe - immer kurz vor Erreichen des Corpus delicti: "Lass uns einen Bogen machen".
...Für die Rolle des Staatskünstlers war MAX LINGNER (1888-1959) denkbar ungeeignet. Bekannt war er schon, als es die DDR noch nicht gab. Er hatte an der Dresdner Kunsthochschule studiert und war 1928 nach Paris ... gefahren... ein Aufenthalt von 21 Jahren. LINGNER arbeitete für die Zeitschrift "Monde" und für "L'Humanité", das Zentralorgan der französischen Kommunisten. Den Fauvismus seiner Vorbilder setzte er in schwungvolle, sicher hingeworfene Pressezeichnungen um. LINGNER erregte Aufsehen als ein "zur täglichen Zeichnung Verurteilter", wie ihn GEORGES BESSON nannte. Die Jahre nach dem Einmarsch der Wehrmacht überstand er im Untergrund. 1949 riefen ihn ULBRICHT und GROTEWOHL in die DDR - und LINGNER kam gerne.
...Der Künstler geriet zwischen die Fronten der Formalismus-Realismus-Debatte. "Zu französisch!", blafften die Funktionäre bei Lingners Wandbild-Vorlagen, "so sehen keine deutschen Arbeiterinnen aus!" Lingner musste nachbessern, die Arbeiterinnen blondieren. OTTO GROTEWOHL, Ministerpräsident und Hobbymaler, verlangte immer neue Retuschen. Besonders mit der "Bündnisgruppe" im Zentrum der Komposition - ein Intellektueller führt einen Arbeiter und einen Bauern zum Händedruck zusammen - war er lange unzufrieden. Der Arbeiter stand zunächst passiv im Abseits, das widersprach der Parteidoktrin. Die Titel von LINGNERs Skizzen erzählen, welche Art von Staatsfolklore bei dem Wandbild gefragt war: "Heranschreitende junge Leute III, links ein Mädchen mit Tupfenkleid, rechts eine FDJlerin mit einem Band im dunklen Haar", "Gleisbauarbeiter, die mit gestreckten Armen Eisenstangen packen und als Hebel benutzen."