Immer wieder höre ich in Berichten zur Weiterbildung von Arbeitslosen, Bewerbungsschreiben seien wichtig, damit müsse man auffallen, sich aus der Masse herausheben. Sonst habe man keine Chance. Auch wenn es stimmt, ist es doch dreist, denn so wird das Problem der Arbeitslosigkeit nicht gelöst, sondern nur ausgelost, wer kürzer oder länger davon betroffen ist. Ich war offenbar länger betroffen und in der Tat sind mir keine originellen Bewerbungsschreiben eingefallen.
Aber wie sollen vier Millionen Menschen originell sein? Kann jedem denn etwas einfallen, was noch keinem anderen eingefallen ist? Ich bezweifle das. Ist das bloß die Rationalisierung meiner Unfähigkeit, für mich zu werben?
Kürzlich fiel mir eine Sammelbewerbung wieder in die Hände, die ich 1995 an mich gebracht habe, nachdem sie bei der Firma, bei der ich geringfügig beschäftigt war, im Papierkorb gelandet war. 13 Teilnehmer eines neunmonatigen Modellprojektes,
"Engagierte Hochschulabsolventen und erfahrene Praktiker aus den Bereichen der Informatik, Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften qualifizierten sich in einer Fortbildung mit integriertem Industrieprojekt zu Experten für die Anwendung Neuronaler Netze in der betrieblichen Praxis"
Bei der Firma hat es ihnen dennoch nichts genutzt, obwohl sogar Promovierte dabei waren und jedes Blatt auf der Rückseite als Faxantwort gestaltet war.
Ähnlich bei der Frauen. Da denke ich, die anderen sind geselliger, spendabler, formbarer und ich brauche gar nicht zu versuchen, mich zu bemühen. Aber ich habe auch kein positives Verhältnis zur Werbung, höre ich doch nur werbefreie Programme (Deutschlandfunk, Deutschlandradio Berlin, WDR3 und WDR 5)
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Und zappe ich mal durchs Fernsehprogramm, fallen mir gelegentlich Interviews mit Frauen auf, die beschreiben, warum sie schon so lange mit ihrem Partner zusammen sind. Und was loben die Tussis? - "Dem fällt immer wieder was Neues ein, eine außergewöhnliche Stellung vielleicht..." - Ich kenne inzwischen die paar Stellungen, die mir gefallen und will die immer wieder. Bitte nichts Außergewöhnliches.
Nun, in einer einzigen werbefreien Sendung („Campus und Karriere“) des Deutschlandfunks kamen am 25.8.2010 zwei Beiträge, die zeigen, daß solch absurde Bemühungen, aufzufallen, auch im Wissenschaftsbereich Folgen hat.
Im ersten wird dagelegt, daß die Selbstdarstellungen der Hochschulen sich Wie ein Ei dem anderen gleichen und hauptsächlich die Ziele wieder aufgreifen, die in den Hochschulgesetzen stehen. Allenfalls das, was sie weglassen, unterscheide sie noch - aber ich vermute, nach der Untersuchung, über die berichtet wurde, werden alle Universitäten und Fachhochschulen prüfen, was sie eventuell noch ergänzen können, und dann sind die Selbstdarstellungen noch schwerer zu unterscheiden. Wenn nicht mal vielleicht hundert Hochschulen es schaffen, jeweils etwas zu formulieren, womit sie sich einzeln herausheben, wie sollen es dann Millionen Arbeitslose schaffen? Das tröstet mich etwas
VOLKER MEYER-GUCKEL im Gespräch mit ULRIKE BURGWINKEL
... ULRIKE BURGWINKEL: Zukünftige Studierende und deren Eltern, Gastwissenschaftler, spendierfreudige Unternehmen oder auch investitionsinteressierte Unternehmen, vielleicht noch Bildungspolitiker, sie alle schauen im Netz auf die Homepage einer Hochschule... Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die Leitbilder der Hochschulen unter die Lupe genommen. Dr. VOLKER MEYER-GUCKEL ist als stellvertretender Generalsekretär mein Fachkontakt... Herr MEYER-GUCKEL, wie haben Sie denn überhaupt Leitbilder definiert?
VOLKER MEYER-GUCKEL: Ja, Leitbilder können ja idealerweise das Profil einer Hochschule beschreiben, für die Zielgruppen, die Sie in Ihrer Anmoderation genannt haben, sie können auch identitätsstiftend werden und sie können auch und sollten eigentlich auch Grundlage für strategische Entscheidungen in der Hochschule bilden, die dann eine Hochschulentwicklung auch vorantreiben... Also interessanterweise beschreiben die Hochschulleitbilder das, was im Hochschulgesetz des jeweiligen Landes oft ohnehin schon beschrieben ist, also Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Interdisziplinarität, Forschung und Lehre auf hohen Niveau, Kooperation mit Wirtschaft und Gesellschaft - das taucht fast überall auf, aber überall so ununterscheidbar, dass man sich es auch hätte sparen können. Interessanter ist dann schon, was nicht auftaucht. Das ist auch sozusagen Gegenstand der Untersuchung gewesen, die sogenannten Blindspots. Zum Beispiel bei den Themen Weiterbildung und Wissenstransfer, immerhin in den Hochschulgesetzen festgeschrieben, da äußern sich nur zwei Drittel der Leitbilder überhaupt dazu. Da sehen Sie schon, dass es da ganz unterschiedliche auch Schwerpunktsetzungen derjenigen gibt, die diese Leitbilder verfassen. Das sind eben zumeist die Professoren und die denken eben immer noch von den Schwerpunkten Forschung und Lehre her. Das merkt man auch sehr, dass es sehr Status-quo-getrieben ist, ein solches Leitbild, also eher nicht in die Zukunft schauend, wo könnte die Reise hingehen mit der Hochschule, sondern eigentlich nur das beschreibt, was man macht, und das im Wesentlichen sehr angebotsorientiert. Vielleicht noch ein Hinweis, was kaum auftaucht, das sind auch hochschulrelevante Themen: Personalentwicklung, Dialog mit der Öffentlichkeit, Dienstleistung an die Studierenden - das sind ja möglicherweise die, die sich für solche Leitbilder interessieren, die tauchen kaum auf als Zielgruppe in den Texten, das findet man höchstens bei ein Viertel aller Leitbilder.
... BURGWINKEL: Was würden Sie denn empfehlen, auch vielleicht als Alleinstellungsmerkmal, wenn man gute Köpfe an die Uni holen möchte, oder jetzt mit den Stipendienprogrammen, da muss man auch gucken, dass man Sponsoren findet. Eine Vision wäre ja vielleicht auch nicht schlecht?
MEYER-GUCKEL: Ja, also ich glaube, die Hochschulen sind wirklich auch herausgefordert, jetzt, wenn es darum geht, um die geringer werdenden öffentlichen Mittel in Zukunft gegeneinander zu kämpfen, auch um Studierende zu werben, wirklich noch mal das herauszustellen, was die Hochschule im Besonderen ausmacht - im Unterschied zu den Mitbewerbern und nicht im Gleichschritt mit ihren Mitbewerbern. Das gelingt nur wenigen. Und was auch auffällt, ist, dass es eigentlich in diesem Typus Text - ich hatte das schon mit dem Stichwort Angebotsorientierung beschrieben - kaum ein Gespür dafür gibt, dass man sich auf Dinge, die die Gesellschaft an die Hochschulen heranträgt, einlässt. Also zum Beispiel ist nirgendwo davon die Rede, dass man sich nicht-traditionellen Studierendengruppen aktiv zuwendet, mit eigenen Angeboten. Es ist nicht von einer besonderen pädagogischen Leitidee die Rede. Wenn Sie sich mal in Holland anschauen, die Universität Maastricht, die definiert sich durch eine pädagogische Leitidee, da wird jedes Lehrmodul in einer besonderen Weise gelehrt. Das findet man alles nicht, also Aussagen zur wirklichen Innovation in der Lehre, zu der Entwicklung, die diese Hochschule gehen will, und auch zu dem Profil innerhalb einer Region, das sollte in Zukunft stärker betont werden.
Na ja, vielleicht sollte man den Quatsch einfach lassen.
Im zweiten Beitrag ging es um Selbstzweifel von WissenschaftlerInnen die trotz guter Beurteilungen denken, daß sie von ihrem Umfeld überschätzt werden. Sie machen doch nur, was sie gut können und was ihnen nicht so schwer fällt, wie kann man sie dann für so gut halten. Also wieder nichts Außergewöhnliches.
Von ARMIN HIMMELRATH
Als Hochstapler wider Willen - so fühlen sich viele Wissenschafter und vor allem Wissenschaftlerinnen. Trotz ihrer Erfolge denken sie, dass sie von ihrem beruflichen Umfeld permanent überschätzt und für viel zu gut gehalten werden. Reden können sie über diese Selbstzweifel kaum, schon gar nicht mit Kollegen. Dabei ist das Problem weitverbreitet.
...Experten gehen davon aus, dass mindestens die Hälfte der Berufstätigen solche Ängste kennt. Problematisch wird es, wenn diese Sorgen ständig da sind. Gerade hoch qualifizierte Frauen ... zweifeln oft an sich selber - und fürchten sich permanent vor dem Tag, an dem ihre vermeintliche berufliche Inkompetenz aufgedeckt wird. Imposter- oder Hochstapler-Syndrom heißt dieses Phänomen - weil sich die Menschen wie Betrüger fühlen, obwohl sie keine sind.
... Frauen sind häufiger als Männer vom Hochstapler-Syndrom betroffen, und besonders häufig kommt es an Universitäten vor, sagt die Berliner Therapeutin MONIKA KLINKHAMMER, die Forscherinnen auf ihren Karrierewegen berät: